17. Januar 2019
Haftung Bewertungsportale
Medienrecht Telekommunikationsrecht

Zur Haftung von Bewertungsportalen

Bewertungsportale stehen wegen ihres Geschäftsmodells immer wieder im Fokus der Gerichte. In einem neuen Urteil des OLG München verließ die Plattform ihre Rolle als neutrale Vermittlerin.

Immer mehr Menschen machen ihre Kaufentscheidung von entsprechend positiven Kundenbewertungen in Online-Bewertungsportalen abhängig. Einer Studie des Kölner Lokalmarketing-Unternehmens Greven Medien zufolge, erkundigen sich ein Drittel aller Bundesbürger (66,4%) vor einer Kaufentscheidung nach entsprechenden Online-Bewertungen. Dabei reicht das Spektrum der zu bewertenden Angebote von Produktbewertungen bis zu Bewertungen behandelnder Ärzte.

Grundsatz: Bewertungsportale können haften

Diese Relevanz und Reichweite von Online-Bewertungsportalen bringt jedoch auch die Gefahr von Rechtsgutsverletzungen der zu bewertenden Unternehmen bzw. der dahinterstehenden Personen mit sich. Die Gefahr besteht vor allem dann, wenn es sich um falsche oder diffamierende Kommentare handelt.

Für rechtsverletzende Kommentare haftet nicht lediglich der jeweilige (oftmals anonyme) Nutzer, sondern unter bestimmten Umständen neben ihm auch der Betreiber der jeweiligen Bewertungswebsite.

Für dessen Haftung ist im Ausgangspunkt danach zu unterscheiden, ob es sich bei der fraglichen Äußerung um eine eigene Information des Betreibers oder um eine fremde Information handelt. Im erstgenannten Fall haftet er unmittelbar nach § 7 Abs. 1 TMG, im letzteren nur im Rahmen der Störerhaftung bei Verletzung zumutbarer Prüfpflichten. Eine eigene Information ist dabei nicht nur eine solche, die der Betreiber selbst verfasst hat, sondern auch eine, die ursprünglich von einem seiner Nutzer stammt, die der Betreiber aber derart inhaltlich verändert und sich folglich zu eigen gemacht hat, dass sie ihm als eigene Information zurechenbar ist. Dabei ist es irrelevant, ob diese inhaltliche Abänderung für den einzelnen Nutzer sichtbar ist.

Handelt es sich nicht um eigene Informationen des Betreibers, kommt eine Haftung nur im Rahmen der Störerhaftung in Betracht. Um eine Haftung nicht in für den Betreiber unzumutbarer Weise auszuweiten, setzt eine Verantwortlichkeit im Rahmen der Störerhaftung die Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten voraus. Diese Verhaltenspflichten wurden seitens der Rechtsprechung derart konkretisiert, dass der Betreiber einer Bewertungsplattform zwar nicht gehalten ist, sämtliche Einträge auf ihre Rechtskonformität zu untersuchen, er aber jedenfalls bei entsprechendem Hinweis den fraglichen Eintrag überprüfen und gegebenenfalls entfernen muss (sog. notice-and-take-down).

Hierzu hat das LG Braunschweig (Urteil v. 28. November 2018 – 9 O 2616/17) kürzlich noch einmal klargestellt, dass insbesondere bei anonym eingestellten Bewertungen hohe Anforderungen an die Prüfpflichten des Betreibers zu stellen sind. Er darf sich insbesondere auf Nachfrage bei dem Bewertenden nicht mit einer vagen Antwort zufrieden geben, sondern muss die Antworten hinterfragen, was soweit gehen kann, den Bewertenden selbst auf Auskunftsansprüche seinerseits gegen einen Dritten (im konkreten Fall die Krankenkasse des Bewertenden) hinzuweisen.

Ein am 13. November 2018 ergangenes Urteil des OLG München (18 U 1280/16 Pre) reiht sich in die aktuelle Rechtsprechungslinie weitestgehend ein, setzt aber auch neue Akzente. Es erweitert die Betreiberhaftung von Bewertungsportalen.

Fall des OLG München: Bewertungsportal setzt Software ein, die manipulierte Bewertungen aussortieren sollte

Die Beklagte, eine Betreiberin einer Bewertungsplattform mit Sitz in Irland, veröffentlichte von privaten Nutzern abgegebene Bewertungen über die von der Klägerin betriebenen Fitnessstudios. Dabei erhielten die Studios der Klägerin neben einer schriftlichen Bewertung auch eine Durchschnittspunktzahl als Gesamtbewertung, die sich aus den von den Bewertenden abgegebenen Punktzahlen errechnete. Bei Errechnung dieser Durchschnittspunktzahl wurden jedoch nicht sämtliche auf der Seite vorhandenen Bewertungen berücksichtigt, sondern nur die Beurteilungen derjenigen Nutzer, die von einer von der Beklagten programmierten Software als „empfohlen“ eingestuft wurden.

Die Software war unter anderem dahingehend programmiert worden, manipulierte Bewertungen auszusondern. Das führte im Ergebnis jedoch dazu, dass mehr als 95% der für die Klägerin abgegebenen Beurteilungen nicht in die Gesamtpunktzahl einflossen. Zudem bewirkte die Errechnung der Gesamtpunktzahl nur anhand der Bewertungen der als „empfohlen“ eingestuften Nutzer, dass die Durchschnittspunktzahl der von der Klägerin betriebenen Fitnessstudios deutlich schlechter ausfiel, als sie unter Heranziehung der Bewertungen der „derzeit nicht empfohlenen Nutzer“ ausgefallen wäre. Hinsichtlich der Kriterien, nach denen der Algorithmus der Beklagten die Beurteilungen als „empfohlen“ bzw. „nicht empfohlen“ einstufte, nannte die Beklagte unter anderem die Bewertung des Nutzers durch andere Nutzer, seine Vernetzung mit anderen Nutzern, sowie die Anzahl der geschriebenen Bewertungen. Die genauen Kriterien seien jedoch ein Betriebsgeheimnis der Beklagten und folglich nicht offenzulegen.

Auffällig an dem Ergebnis der Aussonderung durch die Software war jedoch, dass ein erheblicher Teil der nicht berücksichtigten Bewertungen von Nutzern der Vorgängerwebsite stammte, die im Oktober 2013 abgeschaltet und sodann von der Beklagten samt Inhalten übernommen worden war.

Sämtliche Bewertungen der „derzeit nicht empfohlenen“ Nutzer waren durch den Aufruf eines sich unterhalb der Gesamtpunktzahl befindlichen Links abrufbar.

Darstellung der Bewertungsplattform als Eingriff in das Unternehmenspersönlichkeitsrecht

Das OLG München wertete diese Art der Darstellung als rechtswidrigen Eingriff der Beklagten sowohl in das Unternehmenspersönlichkeitsrecht, als auch in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin.

Zunächst stellte das OLG München klar, dass die Beklagte durch Aussonderung der aufgrund ihres Algorithmus als „nicht empfohlen“ eingestuften Bewertungen und Errechnung der Gesamtpunktzahl nur anhand der übrigen Beurteilungen eine eigene Äußerung trifft und folglich nach § 7 Abs. 1 TMG als unmittelbare Störerin haftet. Damit folgt das OLG der Diktion des I. Zivilsenats des BGH, wonach mit dem Begriff „unmittelbarer Störer“ der Täter (oder Teilnehmer) einer Rechtsverletzung gemeint ist.

Zudem setzt das OLG München die Rechtsprechungslinie des BGH fort, wonach eine eigene Äußerung des Betreibers einer Bewertungswebsite dann angenommen werden kann, wenn er „nach außen erkennbar die inhaltliche Verantwortung für die auf seiner Internetseite veröffentlichten Inhalte übernommen hat“ (BGH, Urteil vom 4. April 2017 – VI ZR 123/16).

In der Annahme einer eigenen Äußerung des Betreibers liegt jedoch auch ein entscheidender Unterschied zu vorangegangenen Entscheidungen. Nach dem BGH seien auch die Überprüfung der abgegebenen Bewertungen auf Unregelmäßigkeiten und die Errechnung einer Durchschnittsnote allein für die Annahme eines Zu-Eigen-Machens nicht ausreichend (Urteil v. 1. März 2016 – VI ZR 34/15). Dieser Abweichung mag die Tatsache zugrunde liegen, dass in dem vom BGH entschiedenen Fall keine derart weitreichende Aussonderung der abgegebenen Kommentare vorgenommen wurde, sowie der Umstand, dass der Betreiber in dem Fall des OLG München angegeben hatte, die Ausgliederung erfolge nicht allein zur Verhinderung manipulierter Einträge.

Die Äußerung der Beklagten stelle weiterhin trotz Tatsachenelementen ein Werturteil und folglich eine Meinungsäußerung dar. Dies bewerte sich anhand des Empfängerhorizonts eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums, sowie des Kontexts der betreffenden Äußerung. Zwar beruhe die Äußerung aus Sicht des Besuchers der Website auf einer Auswertung aller auf der Seite abgegebenen Bewertungen und mithin auf einem Tatsachenkern. Jedoch überwiege aufgrund der durch subjektives Empfinden geprägten Beurteilungen der Bewertenden der Meinungsäußerungscharakter.

Abwägung zwischen den Interessen der Parteien

Aufgrund des sogenannten offenen Tatbestandes sowohl des Unternehmenspersönlichkeitsrechts, als auch des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb war sodann eine Abwägung mit dem Meinungsäußerungsrecht der Beklagten vorzunehmen. Hierbei wertete das OLG München zulasten der Beklagten, dass der Tatsachenbestandteil der Äußerung der Beklagten unzutreffend sei.

Auch in diesem Punkt folgte das OLG München der bisherigen Rechtsprechungslinie des BGH. Die Gesamtbewertung unter Berücksichtigung nur der „empfohlenen“ Nutzer stelle ein verzerrtes Gesamtbild dar, zumal für den Nutzer nicht ohne weiteres erkennbar sei, dass nicht sämtliche auf der Plattform abgegebene Bewertungen in die Gesamtpunktzahl eingeflossen sind.

Zudem bestünde kein rechtfertigendes Interesse der Beklagten an der Aussonderung eines Großteils der Bewertungen. Dies hatte die Vorinstanz noch anders gesehen. Hiernach sei das Ziel der Beklagten, manipulierte Einträge herauszufiltern, für den Eingriff in die Rechte der Klägerin rechtfertigend. Die von der Beklagten angegebenen Kriterien, nach welchen der Algorithmus die später als „ nicht empfohlen“ bewerteten Beiträge herausfiltere, d.h. vor allem die Bewertung des Nutzers durch andere Nutzer, seine Vernetzung mit anderen Nutzern, sowie die Anzahl der geschriebenen Bewertungen, seien geeignet, das Ziel der Beklagten umzusetzen.

Dem tritt das OLG München mit der Begründung entgegen, dass zwischen den Parteien unstreitig sei, dass eine Vielzahl der herausgefilterten Beiträge nicht manipuliert seien, sondern vielmehr von Nutzern stammten, die die fraglichen Fitnessstudios tatsächlich genutzt hätten. Zudem seien einige der von der Beklagten genannten Kriterien zum Ausschluss manipulierter Einträge gerade nicht nachvollziehbar. So sage etwa die Vernetzung eines Nutzers mit anderen Nutzern nichts über die Echtheit seiner Bewertung aus.

Betreiberhaftung von Bewertungsportalen erweitert

Durch das Urteil des OLG München wird die bisherige Betreiberhaftung von Bewertungswebsites erweitert. Betreiber sollten sicherstellen, dass die von ihnen verwendeten Filteralgorithmen allein der Aussonderung manipulierter Einträge dienen und nicht den Großteil der abgegebenen Bewertungen von der Errechnung der Gesamtnote ausschließen. Filterkriterien dürfen nicht zu weitreichend die Einbeziehung von Kommentaren verhindern und müssen kritisch auf ihren Nutzen hinsichtlich der Ausfilterung von Fälschungen geprüft werden.

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