Als Alternative zum klassischen Regelinsolvenzverfahren sieht das Insolvenzrecht die Eigenverwaltung (§§ 270 ff. InsO) als Sanierungsmöglichkeit für Unternehmen vor.
Im Regelverfahren verliert der Schuldner spätestens mit Insolvenzeröffnung die Verfügungsbefugnis über sein Vermögen an einen Insolvenzverwalter (§ 80 InsO). Bei der Eigenverwaltung wird hingegen auf die Einsetzung eines (vorläufigen) Insolvenzverwalters verzichtet, die Geschäftsführung bleibt im Amt und führt – zumeist unter Hinzuziehung eines erfahrenen Insolvenz- und Sanierungsberaters – weiterhin die Geschäfte des Schuldners. Das Insolvenzgericht bestellt in der Eigenverwaltung lediglich einen (vorläufigen) Sachwalter, der nicht an die Stelle des Schuldners tritt, sondern diesen und dessen Berater „nur“ intern beaufsichtigt. Die Befugnisse des Sachwalters sind im Vergleich zu denen des Insolvenzverwalters erheblich eingeschränkt.
Das Gesagte gilt bereits für den Zeitraum zwischen Insolvenzantrag und Insolvenzeröffnung, dem sog. Insolvenzantrags oder -eröffnungsverfahren. Man spricht hier von der vorläufigen Eigenverwaltung nach §§ 270a/b InsO bzw. dem Schutzschirmverfahren (als besondere Form der vorläufigen Eigenverwaltung nach § 270d InsO) und dem vorläufigen Sachwalter. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens endet das Schutzschirmverfahren bzw. die vorläufige Eigenverwaltung und münden schließlich in dem Eigenverwaltungsverfahren.
Voraussetzungen der (vorläufigen) Eigenverwaltung
Die §§ 270a ff. InsO, die mit dem ESUG (Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen) eingeführt worden sind, sehen die Möglichkeit eines vorläufigen Eigenverwaltungsverfahrens vor. Die vorläufige Eigenverwaltung kann nur vom Schuldner beantragt werden. Auch der Antrag auf Eigenverwaltung hat sich auf einen Insolvenzgrund (Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) zu beziehen. Ein Schutzschirmantrag setzt hingegen voraus, dass (noch) keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt (siehe unten).
Ein vorläufiger Sachwalter, auf den die §§ 274 und 275 InsO anzuwenden sind, wird gemäß § 270b InsO vom Gericht insbesondere dann bestellt, wenn
- die Eigenverwaltungsplanung (vgl. § 270a Nr. 1-5 InsO) des Schuldners vollständig und schlüssig ist und
- keine Umstände bekannt sind, aus denen sich ergibt, dass die Eigenverwaltungsplanung in wesentlichen Punkten auf unzutreffenden Tatsachen beruht.
Das Kernelement der Eigenverwaltungsplanung ist nach § 270a Abs. 1 Nr. 1 InsO
ein Finanzplan, der den Zeitraum von sechs Monaten abdeckt und eine fundierte Darstellung der Finanzierungsquellen enthält, durch welche die Fortführung des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes und die Deckung der Kosten des Verfahrens in diesem Zeitraum sichergestellt werden soll.
Erforderlich ist also eine positive Liquiditätsplanung, durch die nachgewiesen werden muss, dass die Durchfinanzierung des Schuldners für mindestens sechs Monate gesichert ist. Im Übrigen bedarf es eines Konzeptes für die Durchführung des Insolvenzverfahrens, einer Darstellung des Stands der Verhandlungen mit den wesentlichen Gläubigern, einer Darstellung der Vorkehrungen zur Sicherstellung der Einhaltung insolvenzrechtlicher Vorgaben sowie eine begründete Darstellung etwaiger Mehr- oder Minderkosten im Vergleich zum Regelverfahren.
In der Praxis wird der Antrag auf Eigenverwaltung regelmäßig mit der Aufnahme eines Sanierungsexperten („chief restructuring officer“ – CRO) in die Geschäftsleitung verbunden, um so das Vertrauen der Gläubiger in eine ordnungsgemäße Verfahrensabwicklung zu gewährleisten. Bei dem Sanierungsexperten handelt es sich zumeist um Insolvenzpraktiker (etwa Rechtsanwälte oder Wirtschaftsprüfer), welche mit der Sanierung und der Restrukturierung von Unternehmen einschlägige Erfahrung haben und zumeist auch als Insolvenzverwalter tätig sind.
Die Rechtsstellung des vorläufigen Sachwalters
Der Schuldner soll sowohl im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren als auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung selbstständig handlungsfähig bleiben. Die Geschäftsführung bleibt also im Amt und wird durch einen vorläufigen Sachwalter überwacht. Das Gericht kann dem Schuldner folglich kein Verfügungsverbot oder einen allgemeinen Zustimmungsvorbehalt (vgl. § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO) – wie im vorläufigen Regelverfahren üblich – auferlegen.
Der vorläufige Sachwalter hat vor allem interne Prüfungs- und Aufsichtspflichten (§ 274 Abs. 2 InsO) und tritt in der Regel nicht nach außen gegenüber den Vertragspartnern des Schuldners auf. Er hat die wirtschaftliche Lage des Schuldners zu prüfen und die Geschäftsführung zu überwachen. Ein Betretungs- und Einsichtsrecht in Geschäftsräume und Unterlagen ist ihm (wie auch dem vorläufigen Insolvenzverwalter) gewährt (vgl. § 274 Abs. 2 S. 3 i.V.m. § 22 Abs. 3 InsO). Darüber hinaus hat der vorläufige Sachwalter die Pflicht, dem vorläufigen Gläubigerausschuss und dem Insolvenzgericht etwaige für die Gläubiger drohende Nachteile anzuzeigen (§ 274 Abs. 3 InsO), die in dem Verbleiben der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis bei der Geschäftsleitung begründet sein können. Dies gilt etwa dann, wenn der Schuldner für die Masse nachteilige Rechtsgeschäfte eingeht oder Altverbindlichkeiten befriedigt. Verbindlichkeiten, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören, dürfen nur mit Zustimmung des vorläufigen Sachwalters begründet werden. Bei Verbindlichkeiten, die zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören, hat der vorläufige Sachwalter nur ein Widerspruchsrecht, vgl. §§ 270b Abs. 1, 275 Abs. 1 InsO. In der Praxis stimmen eigenverwaltender Schuldner und (vorläufiger) Sachwalter in aller Regel ein internes Prüfungs- und Freigabewesen ab.
Zur Prüfung der Eröffnungsvoraussetzungen bedient sich das Insolvenzgericht regelmäßig eines Gutachters. Im Regelverfahren wird der vorläufige Insolvenzverwalter vom Gericht als Gutachter mit der Frage beauftragt, ob die Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegeben sind. Im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren kann das Gericht den vorläufigen Sachwalter gemäß § 270c InsO beauftragen, über die vom Schuldner vorgelegte Eigenverwaltungsplanung, die Vollständigkeit und Geeignetheit der Rechnungslegung und Buchführung sowie das Bestehen von Haftungsansprüchen des Schuldners gegen amtierende oder ehemalige Mitglieder der Organe Bericht zu erstatten.
Besonderheiten des Schutzschirmverfahrens
Auf Antrag des Schuldners kann diesem im Rahmen der vorläufigen Eigenverwaltung ein sog. „Schutzschirm“ (Schutz vor dem Zugriff seiner Gläubiger) nach § 270d InsO gewährt werden.
Voraussetzung hierfür ist, dass
- ein Insolvenzantrag des Schuldners in Eigenverwaltung nach § 270a Abs. 1 S. 1 InsO gestellt wird/worden ist;
- dem Antrag zusätzlich zu den bei einer einfachen Eigenverwaltung erforderlichen Angaben (siehe oben) eine Bescheinigung eines in Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers oder Rechtsanwalts oder einer Person mit vergleichbarer Qualifikation beigefügt wird, aus der sich das Vorliegen einer drohenden Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung aber keine Zahlungsunfähigkeit ergibt;
- dargelegt wird, dass die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist und
- eine Frist zur Vorlage eines Insolvenzplanes beantragt wird. In diesem Fall ordnet das Insolvenzgericht neben der Eigenverwaltung eine Frist von bis zu drei Monaten für die Vorlage eines Insolvenzplans an, § 270d Abs. 1 InsO.
Im Vergleich zum vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren stehen dem Schuldner im Schutzschirmverfahren zusätzliche Rechte zu: So hat er zum Beispiel die Möglichkeit dem Insolvenzgericht einen Vorschlag für die als vorläufigen Sachwalter zu bestellende Person zu unterbreiten (§ 270d Abs. 2 S. 2 InsO), damit ihm eine enge Zusammenarbeit mit dem vorläufigen Sachwalter, der das Sanierungskonzept des Schuldners unterstützt, ermöglicht wird. Außerdem muss dem Schuldner im Schutzschirmverfahren das Eingehen von Masseverbindlichkeiten seitens des Insolvenzgericht stetszugestanden werden wodurch ihm das Eingehen/Halten von Lieferbeziehungen deutlich vereinfacht wird.
Das Schutzschirmverfahren gewinnt insbesondere in größeren Insolvenzverfahren mit einem noch laufenden Geschäftsbetrieb immer mehr an Bedeutung, auch wenn es von der Anzahl der Verfahren in der Insolvenzpraxis geringe Relevanz zu haben scheint.
Vorteile der Eigenverwaltung/des Schutzschirmverfahrens
Die Anteilseigner des Insolvenzschuldners haben im Rahmen des Schutzschirmverfahrens bzw. der Eigenverwaltung deutlich umfassendere Möglichkeiten das Verfahren mitzubestimmen und zu lenken und das schuldnerische Unternehmen in Eigenregie zu restrukturieren. Vorteile dabei sind daher, dass die vorhandene Erfahrung, die Marktkenntnis sowie die Kenntnis des schuldnerischen Geschäftsbetriebs der Geschäftsführung erhalten bleiben. Im Gegensatz hierzu hat ein Insolvenzverwalter regelmäßig nur geringe Kenntnisse und Einblicke in das Geschäft des Schuldners, welches er im Rahmen eines Insolvenzverfahrens zu verwalten hat. Auch enthält die Anordnung einer Eigenverwaltung durch das Gericht in der Außenwirkung ein Signal, dass trotz der Insolvenz eine Sanierung und Fortführung des Schuldners durch einen Insolvenzplan oder eine übertragende Sanierung möglich ist. Schließlich ist gesetzliche Grundidee, dass eine Eigenverwaltung die Verfahrenskosten zugunsten der Masse geringhält, sodass die Insolvenzgläubiger im Zusammenspiel mit den besseren Sanierungsmöglichkeiten eine höhere Insolvenzquote erhalten können.
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