Bauen soll durch das Gebäudetyp-E-Gesetz einfacher, günstiger und innovativer werden. Der neue Koalitionsvertrag lässt erahnen, wohin die Reise gehen könnte.
Mit dem bereits seit langer Zeit geplanten Gebäudetyp-E-Gesetz soll das Bau-/Werkvertragsrecht angepasst werden, um das Planen und Bauen einfacher, innovativer und kostengünstiger zu gestalten. Nach dem am 29. Juli 2024 veröffentlichten Referentenentwurf und dem Regierungsentwurf vom 4. November 2024 lässt der zwischen CDU, CSU und SPD am 9. April 2025 geschlossene Koalitionsvertrag nunmehr erneute Anpassungen erahnen.
Das Gesetzesvorhaben befasst sich mit dem Problem, dass aufgrund stetig steigender Baustandards und damit verbundenen höheren Baukosten insbesondere der Wohnungsbau in den letzten Jahren komplexer und vor allem teurer geworden ist. Der vom Bundesministerium der Justiz am 29. Juli 2024 veröffentlichte Referentenentwurf eines Gesetzes zur zivilrechtlichen Erleichterung des Gebäudebaus (Gebäudetyp-E-Gesetz) sollte zur Lösung dieses Problems beitragen. Durch das Gebäudetyp-E-Gesetz wird eine gesetzliche Grundlage angestrebt, um in bestimmten Bereichen ein Abweichen von den allgemein anerkannten Regeln der Technik rechtssicher zu ermöglichen. Nach nahezu einstimmiger Kritik an der Umsetzung der geplanten Änderungen, wurde der Referentenentwurf, durch den am 4. November 2024 veröffentlichten und am 6. November 2024 vom Kabinett beschlossenen Regierungsentwurf teilweise grundlegend überarbeitet. Gleichwohl ist das Gesetz in der 20. Legislaturperiode nicht mehr zustande gekommen. Der nunmehr geschlossene Koalitionsvertrag bietet Anlass, die Änderungen zwischen Referentenentwurf und Regierungsentwurf darzustellen und einen Ausblick zu geben.

Statt Konkretisierung der allgemeinen Regeln der Technik nur Klarstellung des Umfangs der vertraglichen Leistungspflicht
Um die Rechtsicherheit zu erhöhen, setzte sich der Referentenentwurf zum Ziel, im Rahmen des § 650a Abs. 3 S. 1 BGB-E erstmals eine Regelung zu den anerkannten Regeln der Technik zu schaffen. So war eine Vermutungsregelung angedacht, wonach bautechnische Normungen, die sicherheitstechnische Festlegungen enthalten, stets anerkannte Regeln der Technik darstellen. Demgegenüber sollte die Vermutung gelten, dass bautechnische Normungen, die reine Ausstattungs- und Komfortmerkmale abbilden, keine anerkannten Regeln der Technik sind.
Diese Regelungsdogmatik wurde im Regierungsentwurf verworfen. Nach dessen § 650a Abs. 3 S. 1 BGB-E finden dort lediglich solche technischen Normen und Regeln Erwähnung, die ausschließlich Komfort- oder Ausstattungsmerkmale betreffen. Diese sollen ohne ausdrückliche Vereinbarung nicht Gegenstand der vertraglichen Leistungspflicht werden.
Gleiches soll auch für technische Normen und Regeln gemäß § 650a Abs. 4 BGB-E gelten; danach wäre die Bundesregierung ermächtigt, mittels Rechtsverordnung Normen und Regeln zu bestimmen, die die Nutzung von innovativen, nachhaltigen oder kostengünstigen Bauweisen oder Baustoffen erheblich erschweren. Diese Regelung soll dabei jedoch nur solche technischen Normen und Regeln umfassen, die die Länder nicht bereits gemäß § 85 Musterbauordnung zum Gegenstand des Bauordnungsrechts gemacht haben.
Im Sinne des Verbraucherschutzes sieht der Regierungsentwurf in § 650a Abs. 3 S. 2 BGB-E einschränkend vor, dass ein Verbraucher als Besteller rechtzeitig vor Vertragsschluss in geeigneter Weise darauf hinzuweisen ist, in welchen Baubereichen ohne ausdrückliche Vereinbarung von den in § 650a Abs. 3 S. 1 BGB-E genannten technischen Normen und Regeln abgewichen wird. Durch diesen Hinweis soll der Verbraucher die Möglichkeit erhalten, sich mit bestimmten Standards auseinanderzusetzen und deren Einhaltung im Bedarfsfall gegen entsprechende Vergütung ausdrücklich zu vereinbaren. Der Regierungsentwurf stellt dabei ausdrücklich klar, dass andernfalls Schadensersatzansprüche wegen vorvertraglicher Pflichtverletzung in Betracht kommen.
Konkretisierter Maßstab für die Sachmangelfreiheit und neue Kostenaufklärungspflicht bei Gebäudeverträgen zwischen fachkundigen Unternehmen
Für „Gebäudebauverträge zwischen fachkundigen Unternehmern“ soll ein neues Kapitel 4 eingefügt werden: Durch den neuen § 650o BGB-E soll explizit für Gebäudeverträge zwischen fachkundigen Unternehmern die Abweichung von den anerkannten Regeln der Technik erleichtert werde. Die Regelung ist dabei insbesondere relevant für Abweichungen von den technischen Normen und Regeln, die nicht bereits unter § 650a Abs. 3 S. 1 BGB-E fallen; mithin insbesondere auch für Sicherheitsstandards. Dabei soll künftig keine Verpflichtung mehr bestehen, über Risiken und Konsequenzen eines Abweichens von den anerkannten Regeln der Technik aufzuklären.
Der bisherige Referentenentwurf wurde durch den Regierungsentwurf in zweierlei Hinsicht ergänzt. So wurde § 650o Abs. 3 Nr. 1 BGB-E dahingehend konkretisiert, dass bei fehlender Beschaffenheitsvereinbarung und Abweichung von den anerkannten Regeln der Technik nur dann kein Sachmangel im Sinne des § 633 Abs. 2 S. 2 BGB vorliegt, wenn unter anderem die Ausführungsqualität durch eine gleichwertige Leistung gewährleistet ist. Im Referentenentwurf war lediglich von der Gewährleistung einer gleichwertigen Ausführung die Rede. Der Regierungsentwurf stellt dabei als Maßstab auf den „Stand der Technik“ ab. Werde dieser eingehalten, sei regelmäßig davon auszugehen, dass eine gleichwertige Ausführung vorliege. Der „Stand der Technik“ bildet den Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren ab, der nach herrschender Auffassung führender Fachleute das Erreichen des vorgegebenen Zieles gesichert erscheinen lässt.
§ 650o Abs. 3 Nr. 2 BGB-E wurde durch den Regierungsentwurf zudem um eine Anzeigepflicht des Unternehmers ergänzt. Hiernach muss der Unternehmer den Besteller über die Abweichung von den allgemeinen Regeln der Technik einschließlich damit verbundener Kostenauswirkungen vor Ausführung der Leistung informieren.
Koalitionsvertrag lässt erneute Überarbeitung des Gebäudetyp-E-Gesetzes erwarten
Der zwischen CDU, CSU und SPD am 09. April 2025 geschlossene Koalitionsvertrag führt demgegenüber zunächst allgemein aus, dass Baustandards vereinfacht und der Gebäudetyp E abgesichert werden sollen. Hierfür werde die Bindungswirkung von Normsetzung durch Selbstverwaltungsorganisationen überprüft und auf ein sicherheitsrelevantes Maß zurückgeführt. Zudem wird durch den Koalitionsvertrag erneut in Aussicht gestellt, dass ein Abweichen von den anerkannten Regeln der Technik künftig keinen Mangel mehr darstellen soll. Insoweit lassen sich mithin noch keine Abweichungen zum bisherigen Stand erkennen.
Des Weiteren führt der Koalitionsvertrag jedoch aus, dass künftig eine gesetzliche Verknüpfung mit den technischen Baubestimmungen der Länder vorgenommen werden soll, um den Gebäudetyp E zivilrechtlich zu ermöglichen. Eine entsprechende Regelung lässt sich in den bislang vorliegenden Entwürfen nicht wiederfinden. Es bleibt daher offen, was mit dieser Ankündigung konkret gemeint ist. Erwartbar ist, dass durch die neue Bundesregierung im weiteren Gesetzgebungsverfahren insbesondere die einstige Vermutungsregelung und spätere Konkretisierung des Umfangs der vertraglichen Leistungspflicht im Sinne des § 650a Abs. 3 S. 1 BGB-E noch einmal neu justiert wird. Unabhängig davon dürften in jedem Fall auch Anpassungen auf Ebene der technischen Baubestimmungen der Länder zu erwarten sein.
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