Mit dem geplanten Gebäudetyp-E-Gesetz soll das Bau-/Werkvertragsrecht angepasst werden, um das Planen und Bauen einfacher und kostengünstiger zu gestalten.
Aufgrund stetig steigender Baustandards und damit verbundenen höheren Baukosten ist insbesondere der Wohnungsbau in den letzten Jahren komplexer und vor allem teurer geworden. Mit dem vom Bundesministerium der Justiz am 29. Juli 2024 veröffentlichen Referentenentwurf eines Gesetzes zur zivilrechtlichen Erleichterung des Gebäudebaus (Gebäudetyp-E-Gesetz) soll das Bauen künftig nun einfacher, innovativer und kostengünstiger werden. Durch entsprechende Änderungen des Werkvertragsrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch soll die Grundlage für erleichtertes Planen und Bauen geschaffen werden, um rechtssicher von kostenintensiven Baustandards (insbesondere Komfort- und Ausstattungsmerkmalen) abweichen zu können.
„Gebäudetyp-E“: einfach, experimentell und effizient
Der Begriff Gebäudetyp-E bezeichnet keinen spezifischen Gebäudetypus unter technischen Gesichtspunkten, sondern steht symbolisch für den Wunsch nach einer vereinfachten, experimentellen, effizienten und damit flexiblen Planung, die sich von den als Korsett empfundenen ca. 20.000 baurelevanten Regelungen, davon über 4.000 DIN-Normen etwas befreit und damit eine größere planerische Freiheit ermöglicht. Dennoch wird dabei nicht auf die gewohnt hohen Sicherheitsstandards verzichtet.
Bislang Verstoß gegen „allgemein anerkannte Regeln der Technik“ als Mangel
Im Werkvertragsrecht zeigen sich die hohen Baustandards darin, dass die sog. „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ einzuhalten sind. Anerkannte Regeln der Technik sind diejenigen technischen Regeln für den Entwurf und die Ausführung baulicher Anlagen, die in der technischen Wissenschaft als theoretisch richtig erkannt sind und feststehen, sowie insbesondere in dem Kreis der für die Anwendung der betreffenden Regeln maßgeblichen, nach dem neuesten Erkenntnisstand vorgebildeten Techniker durchweg bekannt und aufgrund fortdauernder praktischer Erfahrung als technisch geeignet, angemessen und notwendig anerkannt sind.
Es handelt sich um standardisierte Verfahren, die sich in der Vergangenheit bewährt haben. Sie beziehen sich jedoch nicht nur auf sicherheitsrelevante Aspekte, sondern betreffen mitunter lediglich den Wohnkomfort oder bestimmte Ausstattungsmerkmale. Der Umfang dieser allgemein anerkannten Regeln der Technik hat in den letzten Jahren stetig zugenommen und damit zu einer nicht gewünschten Verteuerung der Bauvorhaben und damit Verknappung insbesondere von Wohnraum geführt. Darüber hinaus verhindert die zwingende Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik mitunter experimentelle und innovative Bauweisen, da auf bewährte Verfahren und Methoden noch nicht zurückgegriffen werden kann.
Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist ein Bauwerk jedoch grundsätzlich nur dann mangelfrei, wenn die „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ eingehalten wurden, § 633 BGB. Vereinbarungen zur Beschaffenheit, mit denen von den allgemein anerkannten Regeln der Technik abgewichen wird, sind bislang nur bei Einhaltung umfangreicher Aufklärungs- und Hinweispflichten und daher nur erschwert bzw. unter Inkaufnahme von Risiken möglich.
Konkretisierung des Begriffs „anerkannte Regeln der Technik“
Diesem Missstand will der Gesetzgeber nunmehr mit dem Gesetzesentwurf zum Gebäudetyp-E-Gesetz entgegenwirken. Dieses sieht in den Regelungen zum Bauvertrag in § 650a Abs. (3) BGB die Aufnahme einer Regelung zur Konkretisierung des Begriffs der „anerkannten Regeln der Technik“ vor. Demnach soll für bautechnische Normungen, die sicherheitstechnische Festlegungen enthalten, die Vermutung gelten, dass es sich insoweit um „anerkannte Regeln der Technik“ handelt. Im Umkehrschluss gilt die Vermutung, dass bautechnische Normungen, die reine Ausstattungs- und Komfortmerkmale bilden, keine „anerkannten Regeln der Technik“ sind. Durch diese Abstufung soll gewährleistet werden, dass sicherheitsrelevanten Normen weiterhin vollumfänglich eingehalten werden, während auf Ausstattungs- und Komfortmerkmale zugunsten einer kostensensitiven Planungs- und Bauleistung verzichtet werden kann, ohne dass das diese Planung bzw. das Bauwerk infolgedessen als mangelhaft anzusehen ist.
So ähnlich hatte sich bereits das Oberlandesgericht Düsseldorf in seinem Urteil vom 9. Februar 2023 (5 U 227/21) geäußert und ausgeführt, dass einer DIN-Norm die Vermutung einer allgemein anerkannten Regel der Technik dann nicht innewohnt, sofern diese ohne einen Bezug zum Sicherheits- oder Qualitätsniveau herzustellen lediglich ein bestimmtes Ausstattungsniveau vorgibt, also nur ein Komfort-Niveau beschreibt.
Mit Gebäudetyp-E-Gesetz ist Verzicht auf „allgemein anerkannte Regeln der Technik“ unter fachkundigen Unternehmern für Gebäudebauverträge möglich
Das Gebäudetyp-E-Gesetz will Abweichungen von den anerkannten Regeln der Technik zwischen fachkundigen Unternehmern rechtssicher ermöglichen. Hierfür sollen zielgerichtet neue Regelungen für den sog. Gebäudebauvertrag getroffen werden. Neben der neuen Vermutungsregelung zu den allgemein anerkannten Regeln der Technik in § 650a Abs. (3) BGB soll – zugeschnitten auf den „Gebäudetyp E“ – ein neues Kapitel 4 über „Gebäudebauverträge zwischen fachkundigen Unternehmern“ eingefügt werden.
Der dann neue § 650o BGB ermöglicht für Gebäudebauverträge, also Verträge über Bauleistungen an Gebäuden und Außenanlagen, zwischen fachkundigen Unternehmern den Verzicht auf die „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ bzw. eine Unterschreitung derselben. Bei Gebäudebauverträgen zwischen fachkundigen Unternehmern soll damit künftig keine Verpflichtung mehr bestehen, über Risiken und Konsequenzen eines Abweichens von den anerkannten Regeln der Technik aufzuklären. Zudem soll auch das bloße Abweichen von den anerkannten Regeln der Technik keinen Sachmangel mehr begründen, wenn dennoch
- ein funktionstaugliches Bauwerk hergestellt wurde,
- die Sicherheit und dauerhafte Gebrauchstauglichkeit des Werks auf anderem Wege in gleichwertiger Weise gewährleistet ist und
- der Unternehmer dem Besteller vor Ausführung der Bauleistung die Abweichung angezeigt hat.
Diese Regelung gelten auch für Architekten- und Ingenieurverträge sowie Bauträgerverträge. Für Verbraucher und nicht fachkundige Unternehmer gelten diese Regelungen jedoch aufgrund mangelnder Branchenkenntnis und der insoweit bestehenden Schutzbedürftigkeit nicht.
Flankierende Maßnahmen für mehr Tempo beim Bauen
Bereits im Herbst dieses Jahres soll der Gesetzesentwurf zum Gebäudetyp-E beschlossen werden. Das Gesetz soll dann Anfang 2025 in Kraft treten.
Nahezu zeitgleich zum Gebäudetyp-E-Gesetz stößt das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) derzeit weitere Gesetzesänderungen an, die Bestandteil des „Bau-Turbo-Pakts“ sind, den Bund und Ländern bereits im Herbst 2023 geschlossen haben. Um das Planen, Genehmigungen und Bauen schneller, einfacher und günstiger zu machen, wurde mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der integrierten Stadtentwicklung eine umfangreiche Novelle des Baugesetzbuchs (BauGB) angestoßen. Auch hierzu wird der Kabinettsbeschluss im September erwartet. Daneben sollen einige Anpassungen der TA-Lärm dafür sorgen, dass mehr Wohnraum geschaffen werden kann. Selbstverständlich halten wir Sie über diese Änderungen informiert!