Neben der Reduzierung von Emissionen werden Negativemissionen einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten müssen.
Das Europäische Klimagesetz legt fest, dass die Netto-Treibhausgasemissionen in der EU bis spätestens 2050 auf netto null reduziert werden. Nach dem Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) muss schon bis 2045 Netto-Treibhausgasneutralität erreicht werden. Über Art. 143h GG hat dieses Ziel sogar seinen Eingang ins Grundgesetz gefunden, ohne dabei jedoch als Staatsziel im Sinne des GG zu gelten. Diese Emissionsminderungsziele sollen vorrangig durch eine Senkung der Treibhausgasemissionen erreicht werden. Darüber hinaus wird es aber auch notwendig sein, der Atmosphäre CO2 zu entnehmen und dauerhaft zu speichern, um unvermeidbare Restemissionen auszugleichen und die Treibhausgas-Konzentration der Atmosphäre wieder zu senken. Sowohl die europäischen als auch die nationalen Klimaziele geben vor, dass ab 2050 negative Emissionen erreicht werden sollen (Art. 2 Abs. 1 Verordnung (EU) 2021/1119, § 3 Abs. 2 S. 2 KSG).
In diesem Beitrag erläutern wir den Begriff der Negativemissionen und geben einen Überblick zu Methoden und Technologien zur Erzielung von Negativemissionen, dem rechtlichen Rahmen auf europäischer und nationaler Ebene sowie den nächsten Meilensteinen.
Was sind Negativemissionen?
Negativemissionen werden erzielt, indem der Atmosphäre durch menschliche Aktivitäten CO2 oder andere Treibhausgase entzogen werden, die nach der Entnahme möglichst dauerhaft gespeichert oder in Produkten gebunden werden. Es wird daher auch von CO2-bzw. THG-Entnahmen (engl.: Carbon Dioxide Removal (CDR) / Greenhouse Gas Removal (GGR)) gesprochen.
Von Negativemissionen zu unterscheiden ist die Abscheidung von fossilem CO2 direkt an der Emissionsquelle und dessen Speicherung (Carbon Capture and Storage – CCS) bzw. dessen Nutzung (Carbon Capture and Utilization – CCU). Diese Technologien entziehen kein CO2 aus der Atmosphäre, sondern verhindern, dass CO2 durch menschliche Aktivitäten überhaupt erst in die Atmosphäre gelangt.
Wichtige Methoden und Technologien zur Erzielung von Negativemissionen
Die Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre kann durch biologische, geochemische oder chemische Aktivitäten erfolgen. Zu den wichtigsten Methoden und Technologien gehören insbesondere:
- Natürliche Methoden wie Aufforstung, Bodenmanagement und Wiedervernässung von Moorböden
Bäume wandeln atmosphärisches CO2 durch Photosynthese in Biomasse um und speichern dieses in Holz und im Boden. Auch in Böden und Mooren sind große Mengen von CO2 gespeichert. Durch die Erst- und Wiederaufforstung von Wäldern, eine zielgerichtete Bewirtschaftung von Böden zur Erreichung eines höheren CO2-Eintrags und die Wiedervernässung von Moorböden kann daher eine Minderung von Treibhausgasemissionen in der Atmosphäre erreicht werden. Ebenso kann die Renaturierung der Meeresböden zu einer Stärkung der CO2-Speicherkapazitäten der Ozeane führen.
- Direkte CO2-Abscheidung aus der Luft und -Speicherung bzw. -Nutzung (DACCU/S)
DACCU/S bezeichnet die Abscheidung von CO2 aus der Luft mittels chemisch-technischer Verfahren. Das abgeschiedene CO2 wird in der Regel in unterirdischen Lagerstätten gespeichert oder in Produkten dauerhaft gebunden (engl.: Direct Air Carbon Capture, Utilisation and Storage/Sequestration).
- Bioenergienutzung mit CO2– Abscheidung und -Speicherung bzw. -Nutzung (BECCU/S)
Bei BECCU/S handelt es sich um eine Kombination aus der energetischen Nutzung von Biomasse in industriellen Prozessen, Kraftwerken oder Biogasanlagen mit anschließender Abscheidung und Nutzung bzw. Speicherung des CO2. BECCU/S führt zu Negativemissionen, da Emissionen aus der Verbrennung von Biomasse bei Erfüllung bestimmter Nachhaltigkeits- und Treibhausgaseinsparungskriterien im EU-ETS bereits als sog. Nullemissionen bewertet werden (Art. 14 Abs. 1 Richtlinie 2003/87/EG, Art. 38 Abs. 5 Delegierte Verordnung (EU) 2018/2066) (engl.: Bio-Energy with Carbon Capture, Utilisation and Storage).
- Thermische Abfallbehandlung mit CO2-Abscheidung und -Speicherung bzw. – Nutzung (WACCU/S)
Entsprechend der Zusammensetzung der Restabfälle sind bis zu ca. 50 % der bei der thermischen Abfallbehandlung entstehenden CO2-Emissionen biogenen Ursprungs. Werden diese abgeschieden und gespeichert oder in Produkten genutzt, entstehen wie bei BECCU/S Negativemissionen (engl.: Waste Carbon Capture, Utilisation and Storage).
Rechtlicher und politischer Rahmen: Europäische Ebene
Die Europäische Kommission hat am 6. Februar 2024 eine Strategie für das industrielle CO2-Management vorgelegt (COM(2024) 62 final). Darin geht sie davon aus, dass die EU-Klimaziele nur erreicht werden können, wenn bereits vor 2040 industrielle CO2-Entnahmen aus biogenen und atmosphärischen Quellen erfolgen, um schwer vermeidbare Emissionen auszugleichen und anschließend negative Emissionen zu erzielen. Spezifische Ziele für Negativemissionen sollen im Rahmen der Erarbeitung der EU-Klimaziele für 2040 festgelegt werden. Die Forschung und Entwicklung neuartiger industrieller Technologien zu CO2-Entnahmen soll durch den EU-Innovationfonds und das Förderprogramm Horizont Europa gefördert werden.
Im EU-ETS werden Negativemissionen derzeit nicht anerkannt. Die Emissionshandelsrichtlinie sieht jedoch eine Verpflichtung der Kommission vor, bis zum 31. Juli 2026 einen Bericht zu der Frage vorzulegen, wie negative Emissionen im EU-ETS bilanziert und berücksichtigt werden können, ggfs. unter Beifügung eines Legislativvorschlags (Art. 30 Abs. 5 Richtlinie 2003/87/EG). In der Strategie für das industrielle CO2-Management wird die Einbeziehung industrieller CO2-Entnahmen in das EU-ETS oder ein separater Erfüllungsmechanismus für CO2-Entnahmen, der direkt oder indirekt mit dem EU-ETS verbunden ist, erwogen. Dabei wird bereits auf die Herausforderung hingewiesen, die aus der noch erheblichen Diskrepanz zwischen dem CO2-Preis des EU-ETS und den deutlich höheren Kosten für die CO2-Entnahme bspw. durch DACCU/S resultiert.
In der Strategie für das industrielle CO2-Management wird zudem hervorgehoben, dass der Nutzen der Entwicklung einer kritischen CO2-Speicherinfrastruktur über das unmittelbare Ziel der Emissionsreduktion in den nächsten Jahrzehnten hinausgeht, da sie auch nach 2050 noch zu negativen Emissionen in der gesamten Wirtschaft beitragen könnte. Damit die Klimaziele der EU erreicht werden können, hat die EU mit Verordnung (2024/1735) vom 13. Juni 2024 einen Rahmen für Maßnahmen zur Stärkung des europäischen Ökosystems der Fertigung von Netto-Null-Technologien geschaffen, damit diese privilegiert behandelt werden. Unter diesem Rahmen werden u.a. Technologien zur Abscheidung und Speicherung von CO2 sowie Technologien zum Transport und zur Nutzung von CO2 als sogenannte Netto-Null-Technologien erfasst (Art. 4. Abs. 1 lit. g und q Verordnung (EU) 2024/1735). Projekte zur CO2-Speicherung können unter Wahrung bestimmter Kriterien zudem die Qualifikation als strategisches Projekt erreichen, womit ein vorrangiger Status, wie die vorrangige Behandlung in Genehmigungsverfahren, einhergeht (vgl. Art. 13 Abs. 3 i.V.m. Art 15f. Verordnung (EU) 2024/1735). Um den Hochlauf der für die Erreichung der Klimaziele benötigten CO2-Injektions- und Speicherkapazitäten in der Union sicherzustellen, ist in Art. 20 ff. Verordnung (EU) 2024/1735 die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten, Datentransparenz und Monitoring im Zusammenhang mit CO2-Speicherung und Transport geregelt worden. Hiernach sind die Mitgliedstaaten angehalten, alle zumutbaren Anstrengungen zum Aufbau der notwendigen CO2-Transportinfrastruktur, einschließlich grenzüberschreitender Infrastruktur, vorzunehmen und Daten über alle Gebiete, in denen CO2-Speicherstätten (einschließlich saliner Aquiferen), die in ihrem Hoheitsgebiet genehmigt werden könnten, öffentlich zugänglich machen.
Mit der EU Verordnung (2024/3012) vom 27. November 2024 zur Schaffung eines Unionsrahmens für die Zertifizierung von CO2-Entnahmen (Carbon Removal Certification Framework, CRCF) wurde zudem ein Unionsrahmen für die Zertifizierung dauerhafter CO2-Entnahmen, der kohlenstoffspeichernden Landbewirtschaftung (carbon farming) und der CO2-Speicherung in Produkten geschaffen, mit dem Ziel, hochwertige CO2-Entnahmen anzureizen. Die Zertifikate können zum Nachweis klima- und anderer umweltbezogener Aussagen von Unternehmen verwendet sowie über freiwillige CO2-Märkte ausgetauscht werden (ErwG 41).
Rechtlicher und politischer Rahmen: Nationale Ebene
Nach dem KSG müssen die Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 65 % und bis 2040 um mindestens 88 % gegenüber 1990 reduziert werden (§ 3 Abs. 1 KSG). Diese Ziele sind als reine Minderungsziele ausgestaltet und müssen daher ohne den Einsatz von Negativemissionen erreicht werden (vgl. § 3b Satz 4 KSG). Die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im Februar 2024 vorgelegten Eckpunkte zur Langfriststrategie Negativemissionen sehen für Negativemissionen in Deutschland langfristig eine Doppelrolle vor. Zum einen sollen unvermeidbare Restemissionen durch Negativemissionen ausgeglichen werden, um Netto-Treibhausgasneutralität zu erreichen und zu halten (vgl. auch § 3 Abs. 2 S. 1 KSG). Zum anderen sollen nach dem Jahr 2050 weitere, die Restemissionen übersteigende Negativemissionen dazu beitragen, der Atmosphäre insgesamt mehr Treibhausgasemissionen zu entnehmen, als im selben Zeitraum freigesetzt werden (vgl. auch § 3 Abs. 2 Satz 2 KSG).
Im Rahmen der letzten Novellierung des KSG wurde (mit Wirkung zum 17.07.2024) in § 3b KSG eine Neuregelung zum Beitrag technischer Senken wie BECCS oder DACCS zur Erreichung der nationalen Klimaschutzziele nach § 3 Abs. 2 KSG eingefügt. Darin wird die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung verbindliche Ziele für technische Senken für die Jahre 2035, 2040 und 2045 zu bestimmen. Grundlage für die Festlegungen soll die aktuell in Erarbeitung befindliche Langfriststrategie Negativemissionen zum Umgang mit unvermeidbaren Restemissionen (LNe) sein (§ 3b Satz 5 KSG). Der Beitrag des Sektors Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (LULUCF) bleibt hiervon unberührt; eine Verrechnung zwischen den Beiträgen nach § 3a und § 3b KSG findet nicht statt (BT-Drucks. 20/8290, S. 20).
Neben den Zielwerten für die Jahre 2035, 2040 und 2045 soll die LNe auch eine Zielgröße für die insgesamt netto-negativen Treibhausgasemissionen in Deutschland für das Jahr 2060 vorschlagen.
Nächster Meilenstein: Langfriststrategie Negativemissionen im Einklang mit nationalem Strategiepaket
Ziel der neuen Bundesregierung ist es, zu Beginn der 21. Legislatur eine umfassende und langfristige Strategie zum Umgang mit Negativemissionen vorzulegen. Im Rahmen der LNe sollen insbesondere rechtliche Änderungsbedarfe identifiziert und Vorschläge für ein zuverlässiges Monitoring und eine transparente Zertifizierung von Negativemissionen entwickelt werden. Methoden und Technologien zur Erzielung von Negativemissionen müssen zudem rechtzeitig entwickelt und skaliert werden. Die LNe wird daher voraussichtlich auch Festlegungen zum Einsatz staatlicher Förderinstrumente für den Ausbau von Negativemissionstechnologien treffen. Soweit die Negativemissionstechnologien eine Nutzung von Biomasse vorsehen, wird zudem die Nationale Biomassestrategie zu beachten sein.
Für alle Negativemissionstechnologien, die die technische Abscheidung oder Speicherung von CO2 beinhalten und daher auf eine CO2-Leitungs- und Speicherinfrastruktur angewiesen sind, wird neben der LNe die ebenfalls in Vorbereitung befindliche Carbon Management Strategie der neuen Bundesregierung und das weitere Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes (KSpG) zu einem Kohlendioxid-Speicherungs- und Transportgesetz (KSpTG) von maßgeblicher Bedeutung sein. Mit dem Beschluss der Eckpunkte der Carbon Management-Strategie (CMS-E) hat die vorherige Bundesregierung hierfür bereits die ersten Weichen gestellt. Bisher sind CO2-Speicher in Deutschland nicht genehmigungsfähig und der Export von CO2 ins Ausland zwecks Speicherung im Meeresboden verboten. Das soll sich demnächst ändern. Die CMS-E sehen die künftige Ermöglichung für den Bau und Betrieb von Anlagen zur dauerhaften Speicherung von CO2 im industriellen Maßstab vor. Die Speicherung von CO2 im Meeresboden soll in Gebieten, die sich hierfür eignen und nicht in oder um ein Meeresschutzgebiet befinden, in größerem Umfang erlaubt werden. Die Zulässigkeit von der Speicherung auf dem deutschen Festland soll von der Erlaubnis der jeweiligen Bundesländer abhängen.
Am 6. August 2025 hat das Kabinett den Gesetzentwurf zur Änderung des KSpG beschlossen. Darin ist ein großer Teil der in den CMS-E skizzierten Punkte enthalten. Eine Neuerung dieses Gesetzentwurfs im Vergleich zum Entwurf der letzten Bundesregierung ist die Einordnung der Errichtung und des Betriebs von CO2-Speichern und -Leitungen als überragendes öffentliches Interesse, wodurch eine Behördenentscheidung im jeweiligen Planfeststellungsverfahren zugunsten entsprechender Anlagen und Leitungen erleichtert werden soll. Diese Einordnung entspricht der Vorgabe des Koalitionsvertrages zwischen Union und SPD über entsprechende Anlagen und Leitungen. Insbesondere für CO2-Leitungen, die unmittelbar an Wasserstoffleitungen verlaufen sollen, soll die Planung erheblich vereinfacht werden.
Kurz- und mittelfristig werden die Neuerungen hinsichtlich des Transports von CO2 von noch größerer Bedeutung sein. Neben der vereinheitlichten und beschleunigten Planung und Genehmigung für die Transportinfrastruktur durch das neue KSpTG soll der Export von CO2 ins Ausland, vornehmlich in weitere Nordsee-Anrainerstaaten, ermöglicht werden.
Ob die neue Bundesregierung die übrigen in den CMS-E anvisierten Pläne umsetzen wird, ohne hieran weitere Änderungen vorzunehmen, bleibt abzuwarten. Im Koalitionsvertrag ist jedenfalls vom umgehenden Beschluss eines Gesetzespaketes die Rede, welches die Abscheidung, den Transport, die Nutzung und die Speicherung von Kohlendioxid insbesondere für schwer vermeidbare Emissionen des Industriesektors und für Gaskraftwerke ermöglicht. Hinsichtlich des Transports und der Speicherung von CO2 wurde nun der erste Schritt unternommen. Weitere Maßnahmen, um die Erzielung von Negativemissionen zu unterstützen, sind zu erwarten. Laut des Koalitionsvertrags betrachte man Direct Air Capture als eine mögliche Zukunftstechnologie, um Negativemissionen zu heben.
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