4. Juni 2024
CCS CCU Carbon Management-Strategie
Energiewirtschaft & Klimaschutz

Bundesregierung legt Eckpunkte für Carbon Management-Strategie vor

Die Eckpunkte bereiten den Weg für den künftigen Einsatz von CCS und CCU in Deutschland und sind ein wichtiger Schritt in Richtung Klimaneutralität.

Das Bundeskabinett hat am 29. Mai 2024 die Eckpunkte einer Carbon Management-Strategie (CMS) sowie einen Gesetzentwurf zur Änderung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes (KSpG) beschlossen. In den Eckpunkten werden maßgebliche politische Weichenstellungen für die Anwendung von Technologien zur Abscheidung und Speicherung (Carbon Capture and Storage – CCS) oder Abscheidung und Nutzung von CO2 (Carbon Capture and Usage – CCU) in Deutschland getroffen. Mit der Novelle des KSpG soll der rechtliche Rahmen für den Aufbau einer CO2-Pipelineinfrastruktur und die Offshore-Speicherung geschaffen werden. 

CCS und CCU als Bausteine der Dekarbonisierung in Deutschland

Das Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) gibt vor, dass Deutschland bis 2045 Klimaneutralität erreichen muss. Dieses Ziel soll vorrangig durch den Ausbau erneuerbarer Energien, die Steigerung der Energieeffizienz, den Hochlauf des Wasserstoffmarktes und die Reduzierung der Nutzung fossiler Energien erreicht werden.

In bestimmten Bereichen lassen sich Emissionen durch den Umstieg auf Wasserstoff oder Elektrifizierung aber nicht oder nur schwer vermeiden. Es muss daher ein Instrumenten- und Technologiemix zur Anwendung kommen, der auch CCS/CCU-Technologien umfasst. Die Bundesregierung geht davon aus, dass in Deutschland bereits ab 2030 relevante Mengen von CO2 abgeschieden und gespeichert bzw. weitergenutzt werden müssen, um bis 2045 Klimaneutralität zu erreichen.

Anwendungsgebiete für CCS und CCU

CCS/CCU-Technologien sollen nach den Eckpunkten insbesondere in Industrien Anwendung finden, in denen das CO2-Vermeidungspotenzial nach dem aktuellen Stand der Technik begrenzt ist. Dazu gehören die Zement- und Kalkindustrie, Bereiche der Grundstoffchemie und die Abfallwirtschaft. Bei der Zement- und Kalkproduktion fallen nach dem heutigen Stand der Technik prozessbedingte CO2-Emissionen (sog. Prozessemissionen) an, die auch durch den Einsatz erneuerbarer Energieträger nicht vermieden werden können. Auch bei der Abfallverbrennung entstehen Emissionen, die mangels alternativer Verwertungsprozesse Stand heute nicht vermeidbar sind. Der Einsatz von CCS/CCU soll aber auch dort, wo die Umstellung auf Wasserstoff oder Elektrifizierung absehbar noch nicht wirtschaftlich ist, in Betracht kommen. 

Im Bereich der Stromerzeugung soll Verstromungsanlagen mit gasförmigen Energieträgern oder Biomasse die Anwendung von CCS/CCU rechtlich offenstehen. Für Emissionen aus Kohle-Stromkraftwerken und Kohle-Kraft-Wärmekopplungs-Anlagen soll der Zugang zu CO2-Pipelines und CO2-Speichern dagegen im KSpG ausgeschlossen werden, um den Kohleausstieg nicht in Frage zu stellen.

Staatliche Förderung von CCS und CCU

Die staatliche Förderung für CCS/CCU soll auf schwer oder nicht vermeidbare Emissionen in der Industrie und Abfallwirtschaft fokussiert werden. Anderweitig nicht vermeidbare Emissionen sind nach den mit den Eckpunkten veröffentlichten FAQ solche, die auch beim Einsatz von Wasserstoff oder der Elektrifizierung des Produktionsprozesses nicht vermieden werden können. Schwer vermeidbar sind Emissionen, die erst auf mittlere bis lange Sicht vermeidbar sind, weil die notwendige Technik noch nicht ausgereift oder ihr Einsatz aktuell unwirtschaftlich ist. Die Anwendung von CCS/CCU in Kraftwerken, die mit fossilen Energieträgern betrieben werden, soll nicht gefördert werden.

Für die Förderung sollen auf nationaler Ebene im Wesentlichen zwei Instrumente zur Verfügung gestellt werden: Zum einen sollen CCS-/CCU-Vorhaben in künftigen Gebotsverfahren der Klimaschutzverträge unter bestimmten Voraussetzungen gefördert werden. Auch die Förderrichtlinie „Bundesförderung Industrie und Klimaschutz (BIK)“, die in Kürze verabschiedet werden soll, sieht ein Fördermodul für CCS/CCU-Vorhaben vor. Bis zum Vorliegen der Carbon-Management-Strategie sollen durch die BIK Forschungs- und Entwicklungsvorhaben sowie Investitionsvorhaben in den Sektoren Kalk, Zement und thermische Abfallbehandlung gefördert werden.

Die aktuelle Lage: Rechtliche Hürden für den Einsatz von CCS/CCU

Für den Hochlauf von CCS/CCU-Technologien ist die Schaffung einer entsprechend dimensionierten CO2-Transportinfrastruktur und die Erschließung ausreichender Speicherkapazitäten notwendig. Momentan stehen der industriellen Anwendung von CCS/CCU aber noch verschiedene rechtliche Hürden entgegen:

  • CO2-Speicher sind in Deutschland aktuell nicht genehmigungsfähig. Abgeschiedenes CO2 muss daher zur Speicherung ins Ausland verbracht werden. Allerdings verbietet das sog. London-Protokoll (Protokoll zum Londoner Übereinkommen über die Verhütung der Meeresverschmutzung durch das Einbringen von Abfällen und anderen Stoffen, 1972/1996) den Export von CO2 zur Offshore-Speicherung. Daher ist aktuell nur ein Export zu Onshore-Speichern möglich. 
  • Es fehlt zudem an einem klaren Regulierungsrahmen für die Genehmigung von Leitungen zum Transport von CO2. Die Umsetzung nationaler oder gemeinsamer europäischer Pipeline-Projekte wäre daher mit erheblichen Rechtsunsicherheiten behaftet. Eine CO2-Leitungsinfrastruktur bildet aber eine zentrale Voraussetzung für die industrielle Nutzung von CCS/CCU. Ein Transport per Zug, LKW oder Schiff zwar ist möglich, für den Transport großer Mengen aber nicht wirtschaftlich und wäre zudem mit erheblichem zusätzlichem Verkehrsaufkommen verbunden.

Diese Hürden sollen durch die ebenfalls beschlossene Anpassung des Rechtsrahmens beseitigt werden.

Anpassung des rechtlichen Rahmens für die CO2-Speicherung

Mit der Novelle des KSpG soll zum einen die Errichtung und der Betrieb von Anlagen zur dauerhaften Speicherung von CO2 in unterirdischen Gesteinsschichten zum kommerziellen Einsatz im industriellen Maßstab ermöglicht werden. Die Erschließung von Speichern soll auf das Gebiet des Festlandsockels und der ausschließlichen Wirtschaftszone (Offshore-Speicherung) beschränkt werden. Dabei werden weitreichende Vorkehrungen zugunsten des Meeresumweltschutzes vorgesehen; insbesondere sollen die Injektion von CO2 in Meeresschutzgebieten und in einer Pufferzone von 8 km um Meeresschutzgebiete herum sowie die Speicherung unter Meeresschutzgebieten ausgeschlossen werden.

Eine Speicherung an Land soll bundesgesetzlich weiterhin nicht ermöglicht werden, mit Ausnahme von Speichern zu Forschungszwecken. Der Gesetzesentwurf sieht aber eine „Opt-in-Klausel“ vor, die es den Ländern ermöglicht, durch Landesgesetz eine dauerhafte Onshore-Speicherung zum kommerziellen Einsatz auf ihrem jeweiligen Landesgebiet zuzulassen.

Der Gesetzesentwurf beinhaltet zudem verschiedene Regelungen zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren für CO2-Speicher.

Anpassung des rechtlichen Rahmens für den CO2-Transport

Mit der Novelle des KSpG soll außerdem die Errichtung einer leitungsgebundenen CO2-Transportinfrastruktur ermöglicht werden. Die Gesetzesbezeichnung soll in Kohlendioxid-Speicherungs- und Transportgesetz (KSpTG) geändert werden, um deutlich zu machen, dass der Transport von CO2 als gleichberechtigter Regelungsgegenstand neben die dauerhafte Speicherung von CO2 tritt. Es soll ein einheitliches Zulassungsregime für alle CO2-Leitungen geschaffen werden, das sowohl Leitungen für den Transport zu CO2-Speichern als auch solche für den Transport zu anderen Zwecken (insb. die Nutzung von CO2 als Rohstoffquelle) sowie gemischt genutzte CO2-Leitungen erfasst. Auch für CO2-Transportleitungen sieht der Gesetzesentwurf Regelungen zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren vor.

Solange in Deutschland geeignete CO2-Speicher nicht zur Verfügung stehen, wird eine Anbindung an Speicher im Ausland erforderlich sein. Um den CO2-Export für eine Offshore-Speicherung zu ermöglichen, soll eine entsprechende Änderung des London-Protokolls ratifiziert und die notwendigen Änderungen am nationalen Rechtsrahmen vorgenommen werden. Bis die Änderung nach Ratifizierung durch zwei Drittel der Vertragsstaaten völkerrechtlich in Kraft tritt, sollen die vorläufige Anwendung des geänderten Artikels 6 des London-Protokolls erklärt und kurzfristig bilaterale Vereinbarungen zum Zweck des CO2-Exports abgeschlossen werden.

Nächste Schritte und Blick auf die europäische Ebene

Mit den Eckpunkten für die CMS liegen die politischen Weichenstellungen für die Anwendung von CCS/CCU in Deutschland vor. Auf dieser Basis wird nun in einem nächsten Schritt die CMS erarbeitet. Parallel dazu wird der Gesetzentwurf für die Novelle des KSpG das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren durchlaufen. Die Anpassung des KSpG bildet die Grundvoraussetzung für Investitionsentscheidungen zum Bau erster CO2-Leitungen und Speicher in Deutschland. Gleichzeitig drängt mit Blick auf das Ziel, bereits ab 2030 relevante Emissionsminderungen durch CCS-/CCU-Technologien zu erreichen, die Zeit.

Die Europäische Kommission hat ihre Industrial Carbon Management Strategy bereits am 6. Februar 2024 vorgelegt. Auch auf europäischer Ebene ist daher zeitnah mit weiteren Vorschlägen zur Schaffung des notwendigen europäischen Rechtsrahmens und für die finanzielle Förderung von CCS und CCU zu rechnen.

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