8. September 2025
H2 Hochlauf Wasserstoffhochlauf Wasserstoffnetze
Dekarbonisierung der Industrie

Planungsrechtliche Voraussetzungen für H2-Hochlauf

Der Wasserstoffhochlauf ist für die Dekarbonisierung der Industrie entscheidend. Von hoher Relevanz ist dabei das geplante Wasserstoffbeschleunigungsgesetz.

Die Bundesregierung sieht Wasserstoff als eine Schlüsseltechnologie auf dem Weg zur Netto-Treibhausgasneutralität im Jahr 2045 an. Die sichere Versorgung von Verbrauchszentren mit Wasserstoff sowie der Im- und Export von Wasserstoff erfordern ausreichende Transport- und Speicherkapazitäten. Wir erläutern in diesem Beitrag kurz die legislativen Entwicklungen seit 2021, bevor wir auf die wesentlichen Neuerungen des derzeit geplanten Gesetzespakets mit dem Wasserstoffbeschleunigungsgesetz (WasserstoffBG-E) und weiteren wasserstoffrelevanten Änderungen eingehen.

Neuer Genehmigungsrahmen für Wasserstoffnetze

Bis 2021 erfasste das EnWG Wasserstoff nicht als Energieträger und sah keine Regelungen für reine Wasserstoffnetze vor. Daher war es auf dem Weg zur Errichtung einer Wasserstoff-Infrastruktur ein bedeutender Schritt, dass in der EnWG-Novelle von 2021 erstmals ein planungsrechtlicher Genehmigungsrahmen für eine Wasserstoffinfrastruktur eingeführt wurde. Diese Novelle nahm Wasserstoff als Energieträger in das EnWG auf (§ 1 EnWG) und enthielt u.a. regulatorische Vorschriften (heutige §§ 28j–28p EnWG), Vorschriften zum Auf- und Ausbau von Wasserstoffnetzen (§ 43l EnWG) sowie den Verweis auf Sicherheitsanforderungen (§ 113c EnWG). 

Die Errichtung, der Betrieb und die Änderung von Wasserstoffleitungen mit einem Durchmesser von mehr als 300 mm sind planfeststellungspflichtig (§ 43l Abs. 2 Satz 1 EnWG). Zur Gewährleistung der technischen Sicherheit sind die Sicherheitsvorgaben des § 49 EnWG zu berücksichtigen (§ 113c Abs. 2 EnWG). Die bisherigen behördlichen Zulassungen für Gasversorgungsleitungen gelten für den Wasserstofftransport fort (§ 43l Abs. 4 Satz 1 EnWG). Ein erneutes Planfeststellungsverfahren ist für die bloße Umstellung von einer Gasversorgungsleitung auf eine Wasserstoffleitung somit nicht mehr erforderlich.

Genehmigung von Elektrolyseuren 

Hinsichtlich der Erzeugung von Wasserstoff war bei der Errichtung eines Elektrolyseurs nach früherer Rechtslage regelmäßig ein förmliches Genehmigungsverfahren nach § 10 BImSchG zu durchlaufen. 

Elektrolyseure unterliegen nunmehr seit 2024 nach Anhang I Nr. 6.6 der Industrieemissions-Richtlinie 2010/75/EU erst dann der Genehmigungspflicht und nach Nr. 10.26.1 der 4. BImSchV erst dann dem förmlichen Genehmigungsverfahren, wenn die Produktionskapazität mehr als 50 t pro Tag beträgt. Für Elektrolyseure unterhalb dieser Schwelle, aber mit einer elektrischen Nennleistung größer als 5 MW greift das vereinfachte Verfahren ohne Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 19 BImSchG (Nr. 10.26.2 der 4. BImSchV).

Im Hinblick auf die UVP-Vorprüfung gilt für kleine Elektrolyseure mit einer elektrischen Nennleistung bis 5 MW keine Vorprüfungspflicht mehr. Mittelgroße Elektrolyseure zwischen 5 MW und weniger als 50 MW bedürfen ebenfalls seit 2024 nach Anlage 1 Nr. 10.8 UVPG einer standortbezogenen Vorprüfung gemäß § 7 Abs. 2 UVPG; ab 50 MW gilt eine allgemeine Vorprüfung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 UVPG.

Wasserstoff-Kernnetz

Essentieller Bestandteil einer Wasserstoffinfrastruktur soll das mittlerweile durch die BNetzA genehmigte Wasserstoff-Kernnetz werden. Das Wasserstoff-Kernnetz verbindet als ersten Schritt wesentliche Wasserstoffstandorte. Im zweiten Schritt wird das Kernnetz in eine fortlaufende integrierte Netzentwicklungsplanung für Gas und Wasserstoff überführt. Die Leitungen des Kernnetzes sollen sukzessive bis 2032 in Betrieb genommen werden.

Eine größtenteils Ende 2023 in Kraft getretene EnWG-Novelle hat zur Regelung eines Wasserstoff-Kernnetzes den heutigen § 28q EnWG eingeführt. Die Fernleitungsnetzbetreiber mussten einen gemeinsamen Antrag zur Genehmigung eines Wasserstoff-Kernnetzes bei der BNetzA stellen (§ 28q Abs. 2 Satz 1 EnWG). Sind die Anforderungen des § 28q EnWG erfüllt, ist die BNetzA verpflichtet, das Wasserstoff-Kernnetz zu genehmigen (§ 28q Abs. 8 Satz 1 EnWG). Die Genehmigung des Wasserstoff-Kernnetzes hat zur Folge, dass die betreffenden Projekte unabhängig von einer Prüfung der Bedarfsgerechtigkeit der zwingenden Regulierung unterfallen (§ 28j Abs. 1 Satz 1 EnWG). Den Antrag der Fernleitungsnetzbetreiber an die BNetzA vom 22.7.2024 zur Genehmigung eines Wasserstoff-Kernnetzes hat die BNetzA am 22.10.2024 mit Änderungen genehmigt.

Referentenentwurf Wasserstoffbeschleunigungsgesetz

Von hoher Relevanz für den H2-Hochlauf ist das geplante Gesetzespaket, das den Erlass eines WasserstoffBG und weitere wasserstoffrelevante Änderungen beinhaltet. Der im Juli 2025 veröffentlichte Referentenentwurf wird derzeit (Stand August 2025) überarbeitet, bevor der Kabinettsbeschluss erfolgt und das parlamentarische Verfahren beginnt. Im Vergleich zum Ampel-Gesetzentwurf von 2024 beinhaltet der WasserstoffBG-E u.a. die wichtige Änderung, dass er mit der Abstellung auf den „klimaneutral produzierten Wasserstoff“ grünen und blauen Wasserstoff gleichbehandelt.

Vereinfachung und Beschleunigung des H2-Hochlaufs

Das WasserstoffBG bezweckt, den Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur zu vereinfachen und zu beschleunigen. Ziel ist zum einen die Sicherstellung der Wasserstoffversorgung, zum anderen die Sicherung einer treibhausgasneutralen, sicheren und umweltverträglichen Erzeugung. Der WasserstoffBG-E adressiert mit Elektrolyseuren zur Erzeugung von Wasserstoff und Anlagen zum Import von Wasserstoff und Wasserstoffderivaten wie Ammoniak und Methanol sowie zur ober- sowie unterirdischen Speicherung und zum Transport von Wasserstoff Vorhaben der gesamten Wasserstoff-Lieferkette.

Überragendes öffentliches Interesse und kürzere behördliche Fristen

Die Errichtung, der Betrieb oder die Änderung eines in § 2 Abs. 1 WasserstoffBG-E genannten Vorhabens (Wasserstoffvorhaben) liegen gemäß § 4 Abs. 1 WasserstoffBG-E im überragenden öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Sicherheit. In Schutzgüterabwägungen sollen sie als vorrangiger Belang eingebracht werden. Dies gilt nicht in wasserrechtlichen Zulassungsverfahren über die Wasserentnahme durch Elektrolyseure und Anlagen zur Wasserstoffspeicherung, wenn durch die Wasserentnahme die öffentliche Wasserversorgung oder der Wasserhaushalt erheblich beeinträchtigt werden kann. Anders als im Ampel-Gesetzentwurf gilt das überragende öffentliche Interesse auch bei Elektrolyseuren unabhängig vom genutzten Strom.

Der WasserstoffBG-E beinhaltet ferner Digitalisierungsvorgaben und die Einführung oder Verkürzung behördlicher Fristen bei der Bearbeitung der Antragsunterlagen. Bei UVP-pflichtigen Wasserstoffvorhaben endet gemäß § 5 WasserstoffBG-E die Einwendungsfrist des § 12 Abs. 1 Satz 2 der 9. BImSchV und endet gemäß § 7 WasserstoffBG-E die Äußerungsfrist des § 21 Abs. 2 UVPG im jeweiligen Fall bereits zwei Wochen nach Ablauf der Frist für die Auslegung der Unterlagen. Zudem hat der Vorhabenträger bei Wasserstoffvorhaben den UVP-Bericht gemäß § 16 Abs. 9 UVPG ausschließlich elektronisch vorzulegen (§ 6 WasserstoffBG-E).

Die Regelungen des WasserstoffBG sind auf Verwaltungsverfahren über die Zulassung eines Wasserstoffvorhabens anzuwenden, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes begonnen, aber nicht abgeschlossen wurden (§ 11 WasserstoffBG-E).

Geändertes Zulassungsregime im Immissionsschutz-, Wasser- und Energierecht

Das Gesetzespaket adressiert mit dem immissionsschutzrechtlichen, dem wasserrechtlichen und dem Planfeststellungsverfahren nach dem EnWG die für die Genehmigung von Wasserstoffvorhaben maßgeblichen Zulassungsregime.

Die Regelungen zu immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren in §§ 10 und 23b BImSchG sind bei der Genehmigung eines Wasserstoffvorhabens mit den Maßgaben anzuwenden, dass das Genehmigungsverfahren elektronisch durchzuführen ist, Einwendungen, die nicht von der betroffenen Öffentlichkeit erhoben werden, ausgeschlossen sind und ein Erörterungstermin nicht stattfindet (§ 16c Abs. 1 BImSchG-E). Bei der Zulassung vorzeitigen Beginns besteht für ein Wasserstoffvorhaben ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG.

In wasserrechtlichen Verfahren wird die Nutzung einer einheitlichen Stelle für Wasserstoffvorhaben ermöglicht, das elektronische Verfahren angeordnet und eine Frist für die behördliche Prüfung der Antragsunterlagen normiert (§ 11c Abs. 1 WHG-E). Die zuständige Behörde entscheidet bei Wasserstoffvorhaben über die Erteilung der Erlaubnis oder Bewilligung innerhalb von sieben Monaten nach Bestätigung der Vollständigkeit der Antragsunterlagen (§ 11c Abs. 2-3 WHG-E). Ferner enthält § 70b WHG-E Modifikationen der Vorschriften zur Planfeststellung/Plangenehmigung. Es findet kein Erörterungstermin statt und die Entscheidung über den Planfeststellungsbeschluss erfolgt innerhalb einer Frist von zwölf Monaten, die Entscheidung über die Plangenehmigung nach sieben Monaten ab Bestätigung der Vollständigkeit der Antragsunterlagen (§ 70b Abs. 2-3 WHG-E).

Die §§ 43a, 43l EnWG-E sehen Modifikationen der Vorschriften zur Planfeststellung/Plangenehmigung und UVP vor. Im Anhörungsverfahren reicht der Vorhabenträger den Plan elektronisch bei der Anhörungsbehörde ein (§ 43a Abs. 2 EnWG-E) und wird der Plan jeder Behörde sowie jedem betroffenen Träger öffentlicher Belange elektronisch zugänglich gemacht (§ 43a Abs. 4 EnWG-E). Ein Erörterungstermin findet nicht statt (§ 43a Abs. 9 EnWG-E). Ferner bedürfen Wasserstoffleitungen einschließlich der Anbindungsleitungen von Anlagen zur Erzeugung, zur Speicherung und zum Import von Wasserstoff – nach geltendem Recht sind lediglich Anbindungsleitungen von Anlandungsterminals für Wasserstoff erfasst – mit einem Durchmesser von mehr als 300 Millimetern der Planfeststellung (§ 43l Abs. 2 EnWG-E). Ferner ist die Umstellung einer Gasspeicheranlage auf eine Wasserstoffspeicheranlage der zuständigen Behörde nur noch anzuzeigen (§ 35 Abs. 8 EnWG-E); eine Genehmigung ist nicht mehr erforderlich.

Neuerungen im Straßen-, Berg- und Verwaltungsprozessrecht 

Das geplante Gesetzespaket sieht ferner u.a. straßen- und bergrechtliche Änderungen sowie Änderungen der erstinstanzlichen gerichtlichen Zuständigkeit vor.

Bei Anlagen zur Erzeugung, zur Speicherung und zum Import von Wasserstoff bedürfen Baugenehmigungen oder sonstige notwendige Genehmigungen an Bundesfernstraßen nicht der Zustimmung der obersten Landesstraßenbaubehörde oder des Fernstraßen-Bundesamts; vielmehr sind diese Behörden unter bestimmten Voraussetzungen zu beteiligen (§ 9 Abs. 2d FStrG-E). Die Gewinnung von natürlichem Wasserstoff soll erleichtert werden, indem dieser, anders als noch im Ampel-Gesetzentwurf, als bergfreier Bodenschatz in § 3 BBergG-E definiert wird.

Erstinstanzlich zuständig ist das Oberverwaltungsgericht in Streitigkeiten über Elektrolyseure mit einer Leistung von mindestens 30 MW und Anlagen zur Wasserstoffspeicherung mit einer Speicherkapazität von mindestens 25 Tonnen Wasserstoff (§ 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3b VwGO-E) und das Bundesverwaltungsgericht in Streitigkeiten über Anlagen zum Import von Wasserstoff, Ammoniak, Methanol und von flüssigen organischen Wasserstoffträgern (§ 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO-E).

Es bleibt Luft nach oben bei der Beschleunigung des Wasserstoffhochlaufs

Der Gesetzgeber ist seit 2021 wichtige Schritte zum Wasserstoffhochlauf gegangen. Hinsichtlich des Wasserstoff-Kernnetzes erfolgte im März 2025 die erste Auszahlung der KfW auf das Amortisationskonto, die an die Wasserstoff-Kernnetzbetreiber weitergeleitet wird. Es bleibt abzuwarten, ob die Privatwirtschaft die notwendigen Investitionen tätigt. Für Elektrolyseure wurden problemadäquat erstmals gestufte Verfahrenszuordnungen normiert. Mehr als reine Anpassungen der Verfahrensregeln und des Prozessrechts als das derzeit gängige gesetzgeberische Beschleunigungsmittel sind weitere Änderungen des materiellen Prüfprogramms ratsam. Kritikwürdig ist ferner, dass die für Wasserstoffvorhaben notwendige Begleitinfrastruktur wie Gewerbeflächen oder Netzanschlüsse und die erforderliche Verfügbarkeit bauplanungsrechtlich bebaubarer Flächen im WasserstoffBG-E bisher nicht berücksichtigt wird.

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Tags: Dekarbonisierung der Industrie H2-Hochlauf Wasserstoff Wasserstoffbeschleunigungsgesetz