Eine Bezugnahmeklausel auf kirchliche Arbeitsrechtsregelungen ist kein ausreichender Nachweis einer Ausschlussfrist.
Das Nachweisgesetz verpflichtet zu einer schriftlichen Niederlegung der „wesentlichen Arbeitsbedingungen″. Regelmäßig erfolgt dieser Nachweis durch Aushändigung eines schriftlichen Arbeitsvertrages. Für bestimmte Arbeitsbedingungen ist es dabei ausreichend, diese nicht wörtlich in den Arbeitsvertrag aufzunehmen, sondern auf ihre Geltung zu verweisen.
Das BAG hat sich nunmehr mit der Frage befasst, in welchem Umfang eine solche Verweisung für Ausschlussfristen zulässig ist, die in kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen enthalten sind (30. Oktober 2019 – 6 AZR 465/18). Die Pressemitteilung zeigt konkreten Handlungsbedarf für Arbeitgeber, die derartige kirchliche Arbeitsrechtsregelungen (z.B. KAVO, AVR) zur Anwendung bringen.
Nachweispflicht „wesentlicher Arbeitsbedingungen″
Arbeitsbedingungen, die für das Arbeitsverhältnis wesentlich sind, unterliegen der Nachweispflicht. Hierzu gehören die in § 2 Abs. 1 NachwG ausdrücklich genannten Mindestbedingungen wie insbesondere Arbeitsort, Tätigkeit, Zusammensetzung und Höhe der Vergütung, Arbeitszeit und Kündigungsfristen.
Über diese Mindestbedingungen hinaus sind auch solche Arbeitsbedingungen als „wesentlich″ nachweispflichtig, deren Kenntnis der Arbeitnehmer zur Geltendmachung seiner Rechte benötigt und deren Unkenntnis erhebliche Nachteile zur Folge haben kann.
Ausschlussfristen sind „wesentliche Arbeitsbedingungen″
Ausschlussfristen führen für beide Vertragsparteien nach Ablauf der vorgesehenen Zeitdauer zum Verfall der erfassten Ansprüche und stellen bereits aus diesem Grund eine wesentliche Arbeitsbedingung dar, die der Arbeitgeber nachweisen muss (BAG, Urteil v. 23. Januar 2002 – 4 AZR 56/01, Rn. 32, 38). Da § 2 NachwG keine Differenzierung zwischen einzelvertraglich und kollektivvertraglich geregelten Bedingungen vornimmt, gilt dies auch für Ausschlussfristen, die in Tarifverträgen oder kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen enthalten sind.
Einen erleichterten Nachweis wesentlicher Arbeitsbedingungen, die – wie Ausschlussfristen – nicht dem Mindestkatalog nach § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 9 NachwG unterfallen, ermöglicht § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 10 NachwG. Diese können bereits durch einen allgemein gehaltenen Hinweis auf Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und Dienstvereinbarungen, die für das Arbeitsverhältnis Anwendung finden, nachgewiesen werden. Die betreffenden Vorschriften des kollektiven Regelwerkes müssen im Arbeitsvertrag dann nicht nochmals einzeln dargestellt werden. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG genügt der allgemeine Hinweis auf einen anzuwendenden Tarifvertrag auch zum Nachweis der in diesem Tarifvertrag enthaltenen Ausschlussfristen (BAG, Urteil v. 23. Januar 2002 – 4 AZR 56/01, Rn. 39, 43). Dass diese erleichterte Nachweismöglichkeit nicht auf kirchliche Arbeitsrechtsregelungen erstreckt werden kann, stellt die Entscheidung des BAG nunmehr klar.
Entscheidung des BAG: Allgemeine Bezugnahme in KAVO ist für Ausschlussfristen unzureichend
Hintergrund des Rechtsstreits war ein Arbeitsverhältnis mit einer katholischen Kirchengemeinde. Der Arbeitsvertrag des als Küster und Reinigungskraft beschäftigten Arbeitnehmers enthielt eine allgemein gehaltene Bezugnahmeklausel auf die Kirchliche Arbeits- und Vergütungsordnung (KAVO) der katholischen Kirche. Die beklagte Kirchengemeinde berief sich zur Abwehr von Differenzvergütungsansprüchen des Arbeitnehmers auf die dort geregelte Ausschlussfrist.
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hatte die Klage abgewiesen und sah in der Bezugnahmeklausel auf die KAVO einen ausreichenden Nachweis der darin enthaltenen Ausschlussfrist. Der Sechste Senat des BAG ist dem nicht gefolgt, sondern hat nunmehr entschieden, dass die Kirchengemeinde die Ausschlussfrist nicht ausreichend nachgewiesen habe. Im Wege eines daraus folgenden Schadensersatzanspruchs könne der Arbeitnehmer gegebenenfalls verlangen, so gestellt zu werden, als hätte er die Ausschlussfrist nicht versäumt.
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hatte noch angenommen, dass die erleichterte Nachweismöglichkeit des § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 10 NachwG auf kirchliche Arbeitsrechtsregelungen analog anwendbar sei und hatte dies unter anderem damit begründet, dass kirchenarbeitsrechtliche Regelungen auch an anderer Stelle des Nachweisgesetzes Berücksichtigung finden. So können insbesondere nach § 2 Abs. 3 S. 1 NachwG bestimmte wesentliche Arbeitsbedingungen aus dem Mindestkatalog des § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 bis 9 und § 2 Abs. 2 Nr. 2 und 3 NachwG auch nachgewiesen werden durch einen qualifizierten Verweis auf Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen, Dienstvereinbarungen und „ähnliche Regelungen″, zu denen insbesondere kirchliche Arbeitsrechtsregelungen zählen (BAG v. 14.01.2004 – 4 AZR 10/03, Rn. 57).
Diesen „Rettungsanker″ eines vereinfachten Nachweises im Wege der Bezugnahme hat das BAG der beklagten Kirchengemeinde verwehrt. Die Pressemitteilung weist darauf hin, dass kirchliche Arbeitsrechtsregelungen nur in den Fällen zu einer erleichterten Nachweismöglichkeit führen können, für die das Nachweisgesetz dies ausdrücklich vorsieht. Dies ist bei § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 10 NachwG, der sich wörtlich nur auf Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und Dienstvereinbarungen bezieht, gerade nicht der Fall.
Anpassungsbedarf bei Anwendung kirchlicher Arbeitsrechtsregelungen
Hinsichtlich der rechtlichen Erwägungen im Einzelnen bleiben die Entscheidungsgründe abzuwarten. Klar ist gleichwohl schon jetzt, dass Arbeitgeber, die kirchliche Arbeitsrechtsregelungen anwenden, ihre Arbeitsverträge dringend prüfen und gegebenenfalls anpassen sollten.
Ausschlussfristen müssen nach der Entscheidung des Sechsten Senats durch wörtliche Wiedergabe im Arbeitsvertrag nachgewiesen werden. Dies dürfte neben der KAVO auch andere kirchliche Arbeitsrechtsregelungen in gleicher Weise betreffen (z.B. AVR). Zudem ist zu prüfen, ob die kirchlichen Regelungen weitere wesentliche Arbeitsbedingungen außerhalb des Katalogs des § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 bis 9 oder § 2 Abs. 2 Nr. 2 und 3 NachwG enthalten, die dasselbe Schicksal treffen könnte.
Für vergleichbare tarifvertragliche Ausschlussfristen scheint es nach der Pressemitteilung dagegen weiterhin bei der erleichterten Nachweismöglichkeit über § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 10 NachwG zu verbleiben.