Die Mitglieder des Managements von angeschlagenen Unternehmen verzichten dieser Zeit teilweise auf ihre Vergütung. Was ist dabei zu beachten? Wir klären auf.
Die Corona-Pandemie hat viele Unternehmen in eine wirtschaftliche Schieflage gebracht – die Zahl der Kurzarbeit-Anmeldungen ist in die Höhe geschnellt. Die davon betroffenen Mitarbeiter* mussten und müssen in aller Regel Einkommenseinbußen einstecken.
Es überrascht daher nicht, dass vielerorts auch das Management beschließt, auf Teile der Vergütung zu verzichten, um Solidarität mit den betroffenen Mitarbeitern zu zeigen bzw. das Unternehmen finanziell zu entlasten. Laut der Umfrage einer Personal- und Organisationsberatung zu Beginn der Corona-bedingten Einschränkungen haben im obersten Management der befragten Unternehmen 67 % der Mitglieder auf Gehalt verzichtet, im mittleren Management immerhin noch 44 %.
Bei der rechtlichen Ausgestaltung ist danach zu unterscheiden, ob Mitglieder des Vorstandes bzw. Geschäftsführer oder des Aufsichtsrats auf ihre Vergütung verzichten, da der Vergütungsanspruch ggf. unterschiedlichen rechtlichen Regeln folgt.
Freiwilliger (Teil-)Verzicht von Vorstandsmitgliedern oder Geschäftsführern sollte schriftlich fixiert werden
Der Verzicht stellt einen (zweiseitigen) Erlassvertrag im Sinne des § 397 BGB dar, der grundsätzlich formlos zwischen dem Vorstandsmitglied bzw. Geschäftsführer und der Gesellschaft geschlossen werden kann. Aus Beweis- und Dokumentationsgründen sollte der Vertrag dennoch schriftlich geschlossen werden. Dies ist insbesondere im Fall von – in der Praxis weit verbreiteten – Schriftformklauseln in den Anstellungsverträgen rechtlich zwingend.
Darüber hinaus sollte der Erlassvertrag die wesentlichen Punkte für den Verzicht, insbesondere die Dauer und den Umfang, enthalten. Verzichtserklärungen „bis auf Weiteres″ sind zwar möglich und vor dem unsicheren Hintergrund, wie lange die Corona-Pandemie die Gesellschaft noch beschäftigt, auf den ersten Blick naheliegend – eine solche Regelung bedarf allerdings bei Unklarheiten im Zweifel einer besonderen Auslegung und ist daher ungeeignet, die Rechtssicherheit zu schaffen. Unklarheiten dürften im Zweifel zu Lasten der Gesellschaft gehen.
Schließlich sollten die Parteien genau festhalten, auf welche Art der Vergütung verzichtet wird; also ob auf eine feste Vergütung oder variable Sonderzahlungen oder eine Kombination aus Beidem. Daraus können sich Folgeprobleme ergeben, wie beispielsweise bei einem Bonus, der sich prozentual am Jahresgehalt bemisst. Auch hier sollte im Erlassvertrag bestimmt werden, ob sich die Sonderzahlung, sofern sie nicht vom Verzicht betroffen ist, am vollen oder am reduzierten Gehalt bemisst.
Verpflichtung zur Anpassung der Vergütung bei Vorstandsmitgliedern
In Krisenzeiten kann bei Aktiengesellschaften gemäß § 87 Abs. 2 S. 1 AktG die Pflicht zur Herabsetzung der Vergütung der Vorstandsmitglieder bestehen. Nach dieser Vorschrift soll der Aufsichtsrat die Bezüge für Vorstandsmitglieder auf eine angemessene Höhe herabsetzen, wenn sich die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft nach der ursprünglichen Festsetzung der Vergütung derart verschlechtert, dass die Weitergewährung der Bezüge nach in dieser Höhe unbillig wäre.
Wann genau die Grenze zur Unbilligkeit überschritten ist und welche Höhe der Bezüge angemessen ist, muss für die jeweiligen Gesellschaft unter Abwägung aller Umstände im Einzelfall entschieden werden. Der Aufsichtsrat wäre in diesem Fall zu einer Handlung verpflichtet, um sich nicht gegenüber der Gesellschaft schadenersatzpflichtig zu machen. Im Falle einer derartigen Herabsetzung kann das Vorstandsmitglied den Vertrag allerdings mit einer Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Schluss des nächsten Kalendervierteljahres kündigen.
Freiwilliger (Teil-)Verzicht von Aufsichtsratsmitgliedern bedarf eines Erlassvertrages
Auch Aufsichtsratsmitglieder, die für ihre Tätigkeit eine Vergütung nach § 113 Abs. 1 AktG bekommen, können freiwillig auf ihre Vergütung bzw. Teile davon verzichten. Die Erklärung muss jedes Aufsichtsratsmitglied eigenständig abgeben – der Aufsichtsrat kann als Organ den Verzicht nicht allgemein mit bindender Wirkung für seine Mitglieder erklären, da individuelle Ansprüche betroffen sind.
Da die Verzichtserklärung einen Verzicht auf einen schuldrechtlichen Anspruch darstellt, der nicht durch eine einseitige Willenserklärung wirksam erklärt werden kann, bedarf es eines Erlassvertrags zwischen den einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern und der Gesellschaft.
Der Erlassvertrag bedarf keiner bestimmten Form. Es ist allerdings aus Beweis- und Dokumentationsgründen wiederum zu empfehlen, den Vertrag schriftlich zu fassen. Zudem können sich möglicherweise Schriftformerfordernisse etwa aus Vergütungsvereinbarung mit dem jeweiligen Aufsichtsratsmitglied ergeben, die ebenfalls zu beachten sind.
In a nutshell: Was ist bei Vergütungsverzicht zu beachten?
Für die praktische Umsetzung von Vergütungsverzichten gibt es einige Aspekte, die von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern beachtet werden sollten:
- Zum einen bestimmen in formeller Hinsicht die bereits getroffenen vertraglichen Vereinbarungen (insbesondere der Anstellungsvertrag) das weitere Vorgehen zwischen den Parteien. Es ist insbesondere zu prüfen, ob eventuell ein (doppeltes) Schriftformerfordernis besteht.
- Aus Gründen der Rechtssicherheit empfiehlt sich in jedem Fall die schriftliche Dokumentation des Verzichts.
- Der Erlassvertrag sollte die wesentlichen Punkte für den Verzicht, insbesondere dessen Umfang (etwa Verzicht auf einen Teil der festen/variablen Vergütung) und Dauer enthalten.
- Der Höhe des Verzichts sind durch das Mindestlohngesetz keine Grenzen gesetzt. Für Organmitglieder findet es bereits keine Anwendung. Für Fremdgeschäftsführer mag dies im Einzelfall anders sein, jedoch werden die Bezüge auch in diesen Fällen in der Regel nicht im mindestlohnrelevanten Bereich sein. Begrenzt werden Verzichtsvereinbarungen jedoch durch das allgemeine Prinzip der Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB). Eine allgemeingültige Aussage, wann diese Grenze erreicht ist, bietet die Rechtsprechung nicht. Einen Anhaltspunkt kann die Rechtsprechung zur Wirksamkeit von Widerrufsvorbehalten bieten, wonach bis zu 25% der Gesamtvergütung erfasst werden können. Auch hier ist allerdings zu beachten, dass bei sehr hohen Bezügen ggfs. andere Maßstäbe anzusetzen sind.
- Im Einzelfall sind stets etwaige sozialversicherungsrechtliche- und steuerliche Auswirkungen des Gehaltsverzichts zu prüfen. So ist z.B. der Zeitpunkt des Verzichts stets relevant. Bei einem Verzicht für die Zukunft entsteht keine Lohnsteuerpflicht, da es dann an einem steuerpflichtigen Zufluss fehlt. Bei einem nachträglichen Verzicht ist der lohnsteuerpflichtige Zufluss bereits erfolgt. Ähnliches gilt für den Beitragsanspruch in der Sozialversicherung, wobei dort nicht auf den tatsächlichen Zufluss, sondern die Entstehung des Anspruchs abgestellt wird.
*Gemeint sind Beschäftigte jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.