6. August 2013
Arbeitsrecht

Wenn der Chefarzt zu gierig wird…

Privatliquidationen stellen seit jeher einen großen Teil des Einkommens von Chefärzten dar. Denn Patienten sind häufig bereit, für herausragende Kompetenz und jahrzehntelange Erfahrung aus eigener Tasche zu bezahlen. Leider scheinen allerdings manche Mediziner der Versuchung zu erliegen, diese Einkünfte durch eine rechtswidrige Abrechnungspraxis zu „optimieren“.

So musste sich das LAG Niedersachsen kürzlich mit der außerordentlichen Kündigung eines Chefarztes durch ein Klinikum befassen, nachdem dieser mindestens sieben Herzschrittmacher-Operationen als Wahlleistungen gegenüber Patienten privat abgerechnet hatte (LAG Niedersachsen – Urteil vom 17. April 2013 – 2 Sa 179/12). Problematisch war dabei, dass er die Eingriffe nicht selbst durchgeführt hatte.

Die private Liquidation einer Behandlung ist nach § 4 Abs. 2 S. 1 der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) jedoch nur möglich, wenn die Leistung selbst oder unter eigener Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht wurde. Anders ist es nur bei einer unvorhergesehenen Verhinderung oder der wirksamen (schriftlichen!) Vereinbarung einer Stellvertreterregelung.

Diese Voraussetzungen waren jedoch im vorliegenden Fall nicht gegeben. Denn die fraglichen Operationen wurden von dem üblicherweise zuständigen Arzt erbracht, ohne dass der abrechnende Chefarzt anwesend war oder eine der genannten Ausnahmen vorlag. Er hatte sich somit Operationen von den Patienten privat liquidieren lassen, auf die diese wegen ihres allgemeinen Behandlungsvertrages mit dem Klinikum ohnehin schon einen Anspruch hatten.

Damit nahm das LAG einen Abrechnungsbetrug an, da der Chefarzt die Patienten über Tatsachen getäuscht habe, die den Zahlungsanspruch wegen einer vermeintlich persönlich erbrachten Leistung nach § 4 GOÄ begründen (so auch der BGH in einem anderen Fall: Urteil vom 25. Februar 2012 – 1 StR 45/11).

In der Gesamtheit der Abrechnungsverstöße sah das LAG den für die außerordentliche Kündigung erforderlichen „wichtigen Grund“. Die Interessenabwägung fiel zulasten des Arztes aus, da dessen „planvolles und zielgerichtetes Handeln“ zur Schädigung der Patienten auch den Vertrauensvorrat aus seiner längeren beanstandungsfreien Beschäftigung überwog. Von einem Flüchtigkeitsfehler oder „Ausrutscher“ könne wegen der Vielzahl der fehlerhaften Abrechnungen nicht ausgegangen werden. Zudem müsse auch angenommen werden, dass der langjährig praktizierende Arzt mit den Voraussetzungen der Vorschriften der GOÄ vertraut sei.

Die außerordentliche Kündigung hatte damit nach Auffassung des LAG Bestand.

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