10. Mai 2013
Haftung Betriebsrat
Arbeitsrecht

Wer nicht aufpasst, zahlt die Zeche – persönliche Haftung des Betriebsrats für Beraterkosten

BGH: Arbeitgeber kann überzogene Beraterkosten unter bestimmten Voraussetzungen auf den Betriebsratsvorsitzenden abwälzen.

In der Praxis kommt es häufig vor, dass Betriebsräte hohe Kosten für externe Berater generieren. Die Rechnung wird dann an den Arbeitgeber weitergereicht, der die Zeche – nicht selten zähneknirschend – zahlt. Denn schließlich ist er hierzu gesetzlich verpflichtet. 

Bisher umstritten: Haften Betriebsratsmitglieder persönlich für Beraterkosten?

Nach deutschem Recht ist der Arbeitgeber verpflichtet, die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten zu tragen. Zu diesen Kosten gehören auch die Kosten für einen Berater, den der Betriebsrat bei einer geplanten Betriebsänderung (z. B. Stilllegung, Einschränkung oder Verlegung eines Betriebs) zu seiner Unterstützung hinzuzieht.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erwirbt der Betriebsrat in diesem Fall einen Freistellungs- und Kostenerstattungsanspruch gegen den Arbeitgeber in Höhe der entstandenen Beratungskosten, so dass der Berater nach Abtretung durch den Betriebsrat von dem Arbeitgeber unmittelbar die Bezahlung seiner Rechnung verlangen kann.

In diesem Zusammenhang war lange umstritten, ob der Betriebsrat überhaupt wirksam Verträge mit Dritten abschließen kann und vor allem, ob Betriebsratsmitglieder persönlich für Beraterkosten haften. Diese Fragen sind durch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25. Oktober 2012 (III ZR 266/11) nunmehr erstmals höchstrichterlich geklärt worden.

Der Fall des BGH zur Haftung des Betriebsrates

Anlässlich verschiedener Umstrukturierungsmaßnahmen, die zum Abbau und zur Verlegung zahlreicher Arbeitsplätze ins Ausland führen sollten, beauftragte der Betriebsrat eine auf die Beratung von Betriebsräten spezialisierte Gesellschaft. Diese rechnete ihre Beratungsleistungen gegenüber dem Betriebsrat in einer Gesamthöhe von rund 87.000 Euro ab.

Der Arbeitgeber weigerte sich, die Rechnung zu begleichen. Daraufhin erhob die Beratungsgesellschaft sowohl gegen den Betriebsrat als Gremium als auch gegen den Betriebsratsvorsitzenden sowie die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Klage auf Zahlung ihres Honorars.

Nachdem die Klage in den beiden Vorinstanzen noch abgewiesen worden war, hob der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.

Eine eigene Sachentscheidung war den Bundesrichtern mangels hinreichender Sachverhaltsaufklärung durch die Vorinstanzen zwar nicht möglich. Die in ihrem Urteil für die Hinzuziehung von Beratern durch Betriebsräte aufgestellten Grundsätze haben jedoch Bedeutung weit über den entschiedenen Einzelfall hinaus.

Vermögens- und Rechtsfähigkeit des Betriebsrats

Zunächst stellte der Bundesgerichtshof erstmals fest, dass der Betriebsrat wirksam Verträge mit Dritten schließen kann. Die Richter gehen in ihrer Entscheidung von einer Vermögens- und daraus folgend auch Rechtsfähigkeit des Betriebsrats im Verhältnis zu Dritten aus, wenn und soweit die mit dem Dritten getroffene Vereinbarung innerhalb des gesetzlichen Aufgabenbereichs des Betriebsrats liegt.

Der Anspruch des Betriebsrats gegenüber dem Arbeitgeber auf Kostenfreistellung setzt notwendigerweise das Bestehen einer eigenen Verpflichtung des Betriebsrats gegenüber dem Dritten voraus. Die Vermögens- und Rechtsfähigkeit des Betriebsrats besteht nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs aber nur, soweit der (Berater-)Vertrag wirksam ist.

Erforderlichkeit der Beraterkosten

Der Betriebsrat hat nur dann einen Kostenerstattungs- und Freistellungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber, wenn die vereinbarte Beratung zur Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrats erforderlich und das versprochene Entgelt marktüblich ist. Bei der Beurteilung der Erforderlichkeit der Beratung steht dem Betriebsrat zwar ein weiter Einschätzungsspielraum zu. Soweit diese Grenzen von dem Betriebsratsvorsitzenden aber überschritten werden, ist der von ihm für den Betriebsrat geschlossene Vertrag nicht wirksam.

Persönliche Haftung des Betriebsrats für unwirksamen Vertragsteil

Für den die Grenze der Erforderlichkeit überschreitenden und damit unwirksamen Teil des Vertrags kann das jeweilige den Vertrag abschließende Betriebsratsmitglied, im Regelfall also der Betriebsratsvorsitzende oder sein Stellvertreter, grundsätzlich persönlich wie ein Vertreter ohne Vertretungsmacht in Haftung genommen werden. Die Haftung ist jedoch ausgeschlossen, wenn das Beratungsunternehmen die mangelnde Erforderlichkeit der Beratung kannte oder sie kennen musste.

Darüber hinaus ist die Haftung des Betriebsrates – wie der Bundesgerichtshof ausdrücklich klargestellt hat – auf den nicht erforderlichen Teil der Beraterkosten begrenzt. Soweit die Hinzuziehung des Beraters erforderlich ist, bleibt es dabei, dass der Betriebsrat einen Freistellungs- und Kostenerstattungsanspruch gegen den Arbeitgeber hat, den der Berater nach Abtretung eigenständig geltend machen kann.

Für eine weitergehende, den gesamten Honoraranspruch der Beratungsgesellschaft umfassende Haftung der Betriebsratsmitglieder besteht insofern kein Bedarf. Insbesondere haften die Betriebsratsmitglieder nicht akzessorisch für die vertragliche Verpflichtung des Betriebsrats.

Fazit: Haftung des Betriebsrates hat erhebliche Bedeutung für Praxis

Es wird zum ersten Mal höchstrichterlich festgestellt, dass Betriebsmitglieder grundsätzlich in Haftung genommen werden können, soweit die rechtsgeschäftliche Verpflichtung eines Beraters nicht erforderlich war.

Betriebsräte müssen damit zukünftig noch sorgfältiger prüfen, ob und in welchem Umfang sie Beratungsaufträge vergeben. Die bislang insbesondere in größeren Unternehmen weit verbreitete Praxis, einen Berater erst zu mandatieren und die entstehenden Kosten danach mit dem Arbeitgeber zu besprechen, ist für Betriebsräte nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs deutlich riskanter geworden. Hier empfiehlt sich eine vorherige Abstimmung mit dem Arbeitgeber.

Für die Arbeitgeber eröffnet die Entscheidung die Möglichkeit, nicht erforderliche Beratungskosten ihrer Betriebsräte auf das handelnde Betriebsratsmitglied persönlich abzuwälzen. Insofern ist zu erwarten, dass die Verschiebung des Haftungsrisikos auch Auswirkungen auf die teilweise beliebte Taktik von Betriebsräten haben wird, die Umsetzung von Betriebsänderungen durch zeitaufwändige Berateraufträge zu verzögern.

Ob damit auch die tatsächlichen Kosten der Arbeitgeber sinken werden, ist indes fraglich. Denn nach Auffassung des Bundesgerichtshofs kann der Betriebsrat in Zweifelsfällen auch Rechtsrat über die Erforderlichkeit der Beratungstätigkeit selbst einholen. Soweit die damit verbundenen Kosten marktüblich sind und für diese Fragen betriebsratsinterner Sachverstand nicht vorhanden ist, sind die entsprechenden Beratungskosten regelmäßig erforderlich. Sie müssen vom Arbeitgeber daher übernommen werden. In diesem Fall bedeutet die Entscheidung des Bundesgerichtshofs für den Arbeitgeber dann im Ergebnis „Steine statt Brot“.

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