Die Kirche ist – ähnlich wie das Internet – kein rechtsfreier Raum. Auch ein Bischof muss daher in seiner Predigt seiner Pflicht zur Sorgfalt, Sachlichkeit und Wahrhaftigkeit genügen und die Persönlichkeitsrechte derer achten, über die er sich äußert. Banale Erkenntnis? Immerhin musste nun das Bundesverwaltungsgericht einen mehr als drei Jahre schwelenden Streit zwischen dem Bistum Regensburg und einem Philosophen endgültig beenden.
Die religiöse Äußerungsfreiheit genießt demnach, auch soweit es um eine Predigt geht, keinen absoluten Vorrang vor den Belangen des Persönlichkeits- und Ehrenschutzes (BVerwG, Beschl. v. 08.08.2011, 7 B 41.11). Das Bundesverwaltungsgericht hat mit der Entscheidung die Nichtzulassung der Revision gegen ein Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 24.02.2011 (7 B 10.1272) gebilligt.
Stein des Anstoßes: Der Bischof der Diözese Regensburg hatte in einer Predigt vom 25.05.2008 den Kläger und dessen kirchenkritische Thesen angegriffen. Dieser würde Kindstötungen beim Menschen legitimieren, da dies bei Berggorillas eine natürliche Verhaltensweise sei. Diese Aussagen aus der Predigt, so der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, seien Tatsachenbehauptungen, die den Eindruck erwecken, der Kläger habe das Verbot der Kindstötung in Frage gestellt. Tatsächlich stehe diese Behauptung aber gerade im Widerspruch zu den Veröffentlichungen des Klägers, in denen das Verhalten der Berggorillas als „für unsere Vorstellungen als zutiefst unethisch″ bezeichnet wird.
Nachdem der Kläger die Diözese abgemahnt und aufgefordert hatte, den Text der Predigt von ihrer Homepage zu nehmen, wurde der Text der Internetseite völlig geändert und stattdessen aus dem Werk des Klägers zitiert.
Einer Unterlassungserklärung verweigerten sich Bistum und Bischof jedoch hartnäckig. Offenbar empfand man es als „unerträgliche Einschränkung der Freiheit in der Religionsausübung und der Freiheit bei der Verkündung des Wort Gottes″ dass der Bischof sich nur noch „unter dem Damoklesschwert einer äußerungsrechtlichen Inanspruchnahme in einer Predigt über kontroverse Themen äußern könnte.″
Das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg hatte in seinem erstinstanzlichen Urteil (RO 3 K 08.1989 v. 23.09.2009) noch allen Ernstes die Auffassung vertreten, Unterlassungsansprüche scheiterten an der fehlenden Wiederholungsgefahr, weil der Bischof bzw. die Diözese, die eine Unterlassungserklärung verweigert hatte, die Äußerung „in absehbarer Zeit″ wohl nicht wiederholen werde.
Das Bundesverwaltungsgericht machte nun „kurzen Prozess″ und wies die Beschwerde des Bistums gegen die Nichtzulassung der Revision zurück: Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) werde zwar durch das Recht der Freiheit der Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG und das Grundrecht der Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG, das auch die Äußerungen in einer Predigt umfasse, beschränkt. Die Annahme der Kirchenvertreter, dass die religiöse Äußerungsfreiheit im Rahmen einer Predigt absoluten Vorrang vor den Belangen des Persönlichkeits- und Ehrenschutzes genieße, bezeichnet das BVerwG aber – zur Recht – als „verfehlt″.