14. März 2023
Markenrecht

Kein Ausräumen der Wiederholungsgefahr durch abgelehnte Unterlassungserklärung

Der BGH musste klären, ob eine Unterlassungserklärung nach dem Hamburger Brauch auch nach einem identischen Verstoß geeignet ist, die Wiederholungsgefahr zu beseitigen.

Unterlassungserklärungen können nur dann vor einer gerichtlichen Inanspruchnahme durch den Unterlassungsgläubiger schützen, wenn sie geeignet sind, die Wiederholungsgefahr für einen erneuten Rechtsverstoß auszuräumen. Der BGH hatte nun Gelegenheit zu klären, ob dies der Fall ist, wenn bei einer erneuten (identischen) Rechtsverletzung eine weitere Unterlassungserklärung nach dem „Hamburger Brauch″ ohne Mindeststrafe abgegeben, diese aber vom Unterlassungsgläubiger abgelehnt wird (Versäumnisurteil vom 1. Dezember 2022 – I ZR 144/21).

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt hatte die Beklagte im Jahr 2016 Türlichter vertrieben, die ein Inlay mit den beiden Unionsmarken „AUDI″ und „„ (beide u. a. eingetragen für Teile von Landfahrzeugen) der Klägerin aufwiesen. Auf eine Abmahnung der Klägerin hin gab die Beklagte im selben Jahr eine auf die konkrete Verletzungshandlung bezogene Unterlassungserklärung ohne bezifferte Vertragsstrafe nach dem „Hamburger Brauch″ ab. Die Klägerin nahm diese an. Im Jahr 2019 musste die Klägerin feststellen, dass die Beklagte weiterhin Türlichter vertreibt, bei denen die beiden vorgenannten Unionsmarken im Inlay abgebildet waren. Auf eine erneute Abmahnung der Klägerin gab die Beklagte noch einmal eine auf die konkrete Verletzungshandlung bezogene Unterlassungserklärung ohne bezifferte Vertragsstrafe nach dem „Hamburger Brauch″ ab. Diese wurde von der Klägerin aufgrund fehlender Bezifferung der Vertragsstrafe abgelehnt. Die Klägerin verfolgte ihre Ansprüche daraufhin gerichtlich. Während das LG Braunschweig den Unterlassungsantrag mangels Wiederholungsgefahr vollständig abwies, gab das OLG Braunschweig dem Unterlassungsantrag „mit Blick auf kerngleiche Verletzungshandlungen″ statt. Der BGH entschied nun, dass das Unterlassungsbegehren der Klägerin auch hinsichtlich identischer Verstöße begründet ist.

Strafbewehrte Unterlassungserklärung kann besonderen Grund nach Art. 130 Abs. 1 S. 1 UMV darstellen

Nach kurzer Feststellung, dass die Wiedergabe der beiden Marken eine Rechtsverletzung nach Art. 9 Abs. 2 lit. a UMV darstellt, was u. a. Unterlassungsansprüche nach Art. 9 Abs. 3 lit. b UMV begründet, erläutert der I. Senat, dass ein Unionsmarkengericht die Fortsetzung von Handlungen, die die Unionsmarke verletzen oder zu verletzen drohen gem. Art. 130 Abs. 1 S. 1 UMV verbieten muss, sofern einer solchen Anordnung nicht besondere Gründe entgegenstehen. Im Einklang mit seiner bisherigen Rechtsprechung stellt das Gericht fest, dass die vom EuGH geforderte enge Auslegung des Bestehens von besonderen Gründen mit den nach nationalem Recht geltenden strengen Anforderungen an den Wegfall der Wiederholungsgefahr übereinstimmt. Besondere Gründe lägen daher vor, soweit nach den Anforderungen der deutschen Rechtsprechung die Wiederholungsgefahr durch ein rechtskräftiges, mit einer Ordnungsmittelandrohung verbundenes Unterlassungsurteil oder eine ernst gemeinte, den Anspruchsgegenstand uneingeschränkt abdeckende, eindeutige und unwiderrufliche Unterlassungserklärung unter Übernahme einer angemessenen Vertragsstrafe für den Fall zukünftiger Zuwiderhandlung entfällt.

Dem „Hamburger Brauch″ sei eine höhere Strafbewehrung immanent

Dem Wegfall der Wiederholungsgefahr stehe es nach Auffassung des BGH jedenfalls nicht entgegen, dass auch bei erneuter identischer Rechtsverletzung eine Unterlassungserklärung ohne beziffertes (Mindest-)Vertragsstrafeversprechen nach dem „Hamburger Brauch″ abgegeben wird. Zwar würde durch einen erneuten Rechtsverstoß die zuvor durch Abgabe einer hinreichenden Unterlassungserklärung entfallene Wiederholungsgefahr grds. wieder aufleben und könne allgemein nur durch eine weitere Unterwerfungserklärung mit einer gegenüber der ersten Unterwerfungserklärung erheblich höheren Strafbewehrung ausgeräumt werden. Allerdings bedürfe es bei einem Strafgedinge nach dem „Hamburger Brauch″ zur erforderlichen Verschärfung der Vertragsstrafe bei erneuter Zuwiderhandlung regelmäßig keiner Mindeststrafe. Denn einem Vertragsstrafeversprechen nach dem „Hamburger Brauch″ sei die für den Wiederholungsfall geforderte höhere Strafbewehrung immanent. Die Vertragsstrafe könne nämlich in zuvor nicht absehbarer Höhe festgesetzt werden, wobei der Umstand der wiederholten Zuwiderhandlung bei einer gerichtlichen Überprüfung der Angemessenheit der Vertragsstrafe zu berücksichtigen sei.

Was den Einwand betrifft, der Gläubiger sei durch eine Verpflichtung nach dem „Hamburger Brauch″ ohne eine Mindeststrafe in unzumutbarer Weise benachteiligt, weil ihm damit das Risiko der Bestimmung einer angemessenen Vertragsstrafe gem. §§ 315 ff. BGB sowie eines nachfolgenden Rechtsstreits darüber aufgebürdet werde, weicht der Senat von seiner bisherigen Rechtsprechung nicht ab. Die mit einem unbegrenzten Vertragsstrafeversprechen verbundenen Vorteile würden etwaige Nachteile überwiegen und der Unterlassungsgläubiger sei ohnehin nicht schlechter gestellt als bei einem vollstreckbaren, mit einer Ordnungsmittelandrohung verbundenen Unterlassungstitel. Denn auch im Falle des Letzteren könne der Gläubiger nur mit der Angabe eines bestimmten Ordnungsgelds oder eines Mindestbetrags eine Beschwer und damit eine Rechtsmittelmöglichkeit schaffen, was dann jedoch – wie bei einem Rechtsstreit über eine i. S. d. §§ 315 ff. BGB angemessene Vertragsstrafe – ein Kostenrisiko gem. § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO i. V. m. § 891 S. 3 ZPO mit sich bringen würde.

Abgelehnte Unterlassungserklärung räumt Wiederholungsgefahr nicht aus

Indes scheitere die Ausräumung der Wiederholungsgefahr nach Ansicht des Gerichts daran, dass die Klägerin die abgegebene Unterlassungserklärung abgelehnt hat.

Der Senat hält zunächst an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, dass die Wiederholungsgefahr grds. bereits durch Zugang einer einseitig vom Schuldner abgegebenen strafbewehrten Unterlassungserklärung entfalle. Für den Wegfall der Wiederholungsgefahr genüge es im Allgemeinen, dass die Erklärung sich als Ausdruck eines ernsthaften Unterlassungswillens darstellt. Soweit die Unterlassungserklärung bis zu ihrer Annahme oder Ablehnung durch den Gläubiger für den Schuldner bindend ist, könne sie regelmäßig vom Zeitpunkt ihres Zugangs an die erforderliche Abschreckungswirkung entfalten.

Jedoch sei zwischen dem Wegfall der Wiederholungsgefahr als materiell-rechtlicher Anspruchsvoraussetzung des Unterlassungsanspruchs und dem Abschluss eines Unterlassungsvertrags zu differenzieren. Lehne der Gläubiger die Annahme einer strafbewehrten Unterlassungserklärung gegenüber dem Schuldner ab, komme kein Unterlassungsvertrag zustande und es fehle ab diesem Zeitpunkt an der für den Wegfall der Wiederholungsgefahr erforderlichen Abschreckungswirkung durch eine (drohende) Vertragsstrafeverpflichtung. An seiner bisherigen Rechtsprechung, wonach allein der Zugang der strafbewehrten Unterlassungserklärung auch dann zum Wegfall der Wiederholungsgefahr führte, wenn der Gläubiger deren Annahme gegenüber dem Schuldner ablehnte, halte der Senat nicht mehr fest.

Vielmehr sei der endgültige Wegfall der Wiederholungsgefahr grds. von einem Willensakt des Gläubigers abhängig. Bei einer gerichtlichen Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs könne sich der Schuldner durch ein sofortiges Anerkenntnis gem. § 93 ZPO der Kostentragung zu entziehen.

Weiter könne der Gläubiger zwar mit der Ablehnung einer auf den Abschluss einer angemessenen Vertragsstrafevereinbarung gerichteten Unterlassungserklärung des Schuldners den endgültigen Wegfall der Wiederholungsgefahr gegenüber der Gesamtheit aller Gläubiger verhindern. Bis zum Zugang der Ablehnung könne der Schuldner die auch gegenüber Drittgläubigern begründete Vermutung der Wiederholungsgefahr aber durch einen Verweis auf seine einseitig abgegebene strafbewehrte Unterwerfungserklärung widerlegen. Auch der Gefahr einer Mehrfachabmahnung durch Drittgläubiger und einer damit einhergehenden Belastung mit zusätzlichen Abmahnkosten könne sich der Schuldner dadurch entziehen, dass er sich nach Ablehnung der Unterlassungserklärung durch den Erstgläubiger unaufgefordert einem Dritten unterwirft und mit diesem einen strafbewehrten Unterlassungsvertrag abschließt. In einer solchen Konstellation könne der Schuldner regelmäßig ein berechtigtes Interesse an einer Drittunterwerfung und damit die Ernsthaftigkeit seines Unterlassungswillens darlegen.

Keine Mindeststrafe, aber Mitwirkung des Gläubigers erforderlich

Die Entscheidung bringt zwei für die Praxis interessante Aspekte mit sich: Zum einem wurde nun endlich höchstrichterlich festgestellt, dass es auch bei erneutem Rechtsverstoß und einer diesbezüglich abgegebenen weiteren Unterwerfungserklärung keiner bezifferten Mindestvertragsstrafe bedarf, soweit die weitere Unterlassungserklärung nach dem „Hamburger Brauch″ ausgestaltet ist.

Zum anderen kehrt der BGH von seiner bisherigen Rechtsprechung ab und erklärt, dass die Wiederholungsgefahr nur durch einen wirksamen Unterlassungsvertrag mit hinreichender Vertragsstrafe ausgeräumt werden kann. Wird das Vertragsangebot des Unterlassungsschuldners vom Unterlassungsgläubiger abgelehnt, kommt eine solcher Unterlassungsvertrag nicht zustande. Unterlassungsgläubiger sollten das Vertragsangebot jedoch nur nach umsichtiger Überlegung ablehnen, da sie bei einer nachfolgenden gerichtlichen Geltendmachung des Unterlassungsbegehrens mit den Verfahrenskosten belastet werden können (§ 93 ZPO).

Tags: Hamburger Brauch Wegfall Wiederholungsgefahr