Verbraucher erwarten, dass Hersteller von Lebensmitteln verschiedene, sich ergänzende Produkte im Sortiment haben.
Verbraucher* sind an eine große Produktvielfalt von unterschiedlichen Herstellern in Supermärkten gewöhnt. Dabei bieten Unternehmen meist mehrere Waren an, die mitunter ähnlich oder sogar miteinander kombinierbar sind. Das OLG Frankfurt setzte sich mit der Frage auseinander, ob zwischen verschiedenen Waren bereits deshalb eine Ähnlichkeit bestehen kann, weil sie häufig zusammen angeboten werden (Urteil v. 17. November 2022 – 6 U 277/21).
Im Prozess stritten sich zwei Inhaberinnen von Unionsbildmarken mit den Begriffsbestandteilen „Terra Greca“. Abseits dieses identischen Wortbestandteils waren beide Marken grafisch unterschiedlich gestaltet und in verschiedenen Klassen eingetragen. Die Marke der Klägerin war in der Klasse 30 für u.a. Nudeln und andere Teigwaren eingetragen, während die Marke der Beklagten in Klasse 29 für u.a. Speiseöle und Suppen eingetragen war. Dennoch sah sich die Beklagte in ihren Markenrechten verletzt, als eine Abnehmerin der Klägerin in einem Supermarkt Nudeln unter der klägerischen Marke vertrieb.
Die daraufhin erfolgte Abmahnung wollte sich wiederum die Klägerin nicht gefallen lassen. Sie zog vor das LG Frankfurt und verlangte von der Beklagten, es zu unterlassen, gegen ihre Abnehmer vorzugehen.
Geringe Warenähnlichkeit ist für eine Verwechslungsgefahr ausreichend
Das LG Frankfurt nahm die Seite der Klägerin ein und verneinte eine Verwechslungsgefahr der beiden Marken (Urteil v. 29. Oktober 2021 – 12 O 22/21). Denn die Waren Nudeln und andere Teigwaren einerseits und Speiseöle und Suppen andererseits seien absolut unähnlich, weshalb bereits aus diesem Grund keine Verwechslungsgefahr bestünde. In der Berufungsinstanz nahm das OLG Frankfurt jedoch eine differenziertere Position ein.
Zur Erinnerung: Eine absolute Unähnlichkeit von Waren ist gegeben, wenn die Waren so verschieden sind, dass selbst bei identischen Marken eine Verwechslungsgefahr ausgeschlossen ist. Demgegenüber kann bereits eine geringe Warenähnlichkeit eine Verwechslungsgefahr zwischen zwei Marken begründen. Maßgeblich ist, ob die Möglichkeit besteht, dass die angesprochenen Verbraucher davon ausgehen, dass die mit den Marken gekennzeichneten Waren von ein und demselben Unternehmen hergestellt und angeboten werden.
Wer Nudeln anbietet, der kann auch Suppen anbieten
Ausgehend von der eigenen Sachkunde schätzte das OLG Frankfurt die Verbrauchererwartung so ein, dass es hier tatsächlich zu einer solchen Verwechslung kommen könnte. Als Grund gab das Gericht die meist umfangreichen Produktpaletten der Hersteller an. Im Lebensmittelbereich und insbesondere bei Konserven- und Fertiggerichten sei es nicht ungewöhnlich, dass sich die Produktpaletten verschiedener Hersteller überschneiden. Das liege auch daran, dass viele Waren innerhalb dieser Produktpaletten einander ergänzen würden – wie etwa Nudeln und Nudelsoßen.
Es entspricht den Erfahrungen des Verkehrs als Durchschnittsverbraucher, der regelmäßig in Supermärkten einkauft, dass Teigwaren wie Nudeln auch von Unternehmen vertrieben werden, die gleichzeitig Zutaten für Nudelgerichte wie Speiseöle oder Suppen, für die die ältere Marke eingetragen ist, im Angebot haben.
Ähnliche Waren müssen nicht in derselben Klasse eingetragen sein
Für diese Beurteilung spielte es auch keine Rolle, dass die Marken in unterschiedlichen Klassen eingetragen waren – nämlich 29 und 30. Es ist allgemein anerkannt, dass auch Waren und Dienstleistungen aus unterschiedlichen Klassen einander ähnlich sein können. Die Klasseneinteilung dient allein Verwaltungszwecken.
Allerdings stellte das Gericht klar, dass die Maßstäbe für die Ähnlichkeit nicht zu weit gezogen werden dürfen. Die bloße Einordnung beider Waren als „Lebensmittel“ begründe demnach noch keine Ähnlichkeit. Das Gleiche gelte für willkürliche Oberbegriffe wie „mediterrane Produkte“ – diese „Clusterung“ der sich vorliegend gegenüberstehenden Lebensmittel war von der Klägerin ins Spiel gebracht worden. Dafür fehlte es dem Gericht bereits an Anhaltspunkten, was genau unter diesem Oberbegriff zu verstehen sei.
Wortbestandteil „Terra Greca“ dominiert die Marke
Anschließend bescheinigte das Gericht der Marke der Beklagten eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Die Wortkombination sei prägnant und schlagwortartig. Zwar gebe es mehrere Marken, die den Wortbestandteil „Terra“ nutzten, bei der unüberschaubaren Vielzahl an Lebensmittelmarken beeinträchtige das die Kennzeichnungskraft aber nicht.
Hinsichtlich der Zeichenähnlichkeit beschäftigte sich das Gericht nur mit einem klanglichen Vergleich und stellte diesbezüglich Identität fest. Da der Wortbestandteil in beiden Fällen die Marken deutlich dominiert, berücksichtigte das Gericht die Bildbestandteile nicht. Es verwies auf den allgemeinen Erfahrungssatz, wonach sich Verbraucher für die Aussprache eines Zeichens an der einfachsten Benennungsmöglichkeit orientierten.
Der durchschnittliche Verbraucher versteht „Terra Greca“ nicht
Darüber hinaus beurteilte das Gericht den Wortbestandteil „Terra Greca“ auch nicht als rein beschreibend. Rein beschreibende Markenbestandteile sind kennzeichnungsschwach, haben nur geringen Wiedererkennungswert und können daher hinter anderen Markenbestandteilen zurücktreten. Nach Auffassung des Gerichts ist der Begriff „griechische Erde“ an sich aber nicht zwangsläufig beschreibend. Durchaus verweise der Begriff auf den Herkunftsort eines Produkts, dieser werde zumindest subtil umschrieben.
Davon abgesehen müsse ohnehin nur auf die deutschen Verbraucher abgestellt werden, weil auch die ursprünglich ausgesprochene Abmahnung auf ein Verbot innerhalb Deutschlands abzielte. Dem deutschen Durchschnittsverbraucher, der im Regelfall nur den englischen Grundwortschatz beherrsche, erschließe sich die Bedeutung des lateinischen Wortbestandteiles „Terra Greca“ aber nicht ohne Weiteres. Nach Auffassung des Gerichts gingen die hierfür erforderlichen Lateinkenntnisse über den Horizont des Durchschnittverbrauchers hinaus.
Aufgepasst bei umfangreichen Waren- und Dienstleistungsverzeichnissen
Die Entscheidung des OLG Frankfurt ist insgesamt nachvollziehbar. Unternehmen vertreiben selten nur ein Produkt, sondern bieten häufig eine Palette miteinander kombinierbarer Produkte an – wie etwa Nudeln und Nudelsoßen. Darüber, ob eine Ähnlichkeit auch zwischen Nudeln und Suppen bzw. Speiseölen besteht, lässt sich wohl streiten. Im Ergebnis zeigt die Entscheidung aber, dass gerade bei umfangreichen Warenverzeichnissen stets die Konkurrenzmarken im Blick behalten werden müssen.
Interessant ist auch der Hinweis des LG Frankfurt, wonach die Kennzeichnungskraft des Wortbestandteils „Terra“ aufgrund der Vielzahl an Marken im Lebensmittelbereich nicht durch andere gleichlautende Marken beeinträchtigt wird. Nach dieser Auffassung tritt eine Verwässerung in solchen Branchen, in denen viele verschiedene Marken existieren, langsamer ein, als in einer Branche mit einer geringeren Markenvielfalt.
Darüber hinaus ist die Entscheidung ein gutes Beispiel dafür, dass (nicht englische) fremdsprachige Begriffe im deutschen Markt gut für Marken geeignet sind. Die beiden Marken im vorliegenden Fall waren nicht ohne Grund mit grafischen Bestandteilen versehen – als bloßes Wortzeichen hätten sie auf Unionsebene Schwierigkeiten gehabt, ins Markenregister eingetragen zu werden. Denn für Unionsmarken genügt es, wenn sie in nur einem Mitgliedstaat rein beschreibend sind. Und ob der Begriff „griechische Erde“ wirklich so subtil ist, wie vom OLG Frankfurt angenommen, darf bezweifelt werden.
*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.