5. Juni 2023
Markenverletzung Modellspielzeug
Markenrecht

Keine Markenverletzung bei detailgetreuem Modellspielzeug

Gute Zeiten für Modellspielzeughersteller: Die Benutzung einer fremden Marke auf detailgetreuem Modellspielzeug stellt keine Markenverletzung dar.

Im Kinderzimmer oder im Hobbyraum eines Modellspielzeugsammlers* findet man nachgebaute Autos bekannter Marken – wie Opel – und auch nachgebaute Lastwagen und Lagerhallen, die im Original von Logistikunternehmen – wie Dachser – betrieben werden. Auf diesem Modellspielzeug sind regelmäßig die Marken in identischer Weise wie auch auf den großen Vorbildern angebracht. Teilweise stammt das Modellspielzeug aus den Häusern der großen Vorbilder selbst, teils bestehen Kooperationen / Lizenzverträge zwischen den großen Vorbildern und dem Modellspielzeughersteller.

Aber was ist, wenn ein Modellspielzeughersteller ohne Genehmigung Marken der großen Vorbilder auf dem Modellspielzeug anbringt?

Benutzung eines identischen Zeichens auf identischen Waren stellt bei detailgetreuen Modellspielzeugautos keine Markenverletzung dar

Die Benutzung von Marken auf Modellspielzeug war bereits Gegenstand der Rechtsprechung und hat es bis in die höchsten Instanzen geschafft. So hat der BGH nach jahrelangem Rechtsstreit im Jahr 2010 entschieden, dass die Anbringung des Opel Blitzes auf Modellspielzeug im konkreten Fall keine Markenverletzung darstellte (BGH, Urteil v. 14. Januar 2010 – I ZR 88/08). 

Ein Modellspielzeughersteller hatte ein Opelmodell detailgetreu nachgebildet und eben auch den Opel Blitz am Kühlergrill wie auf dem großen Vorbild angebracht. Hiergegen hatte der Autohersteller Opel aus seiner Marke des Opel Blitzes, die nicht nur für ‚große‘ Autos, sondern auch für Spielzeugautos geschützt ist, geklagt. Es lag also die Situation sogenannter Doppelidentität – sowohl Zeichen als auch Ware (Spielzeug) identisch – vor. Man hätte meinen können, dass dies doch ein klarer Fall einer Markenverletzung sein müsse. 

Dem war nicht so, das Landgericht hatte sogar den Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingeschaltet. Dieser entschied, dass eine Markenverletzung nur vorliege, wenn die Benutzung auf dem Spielzeugfahrzeug die Hauptfunktion der als für Spielzeug eingetragenen Marke beeinträchtigt. Das bedeutet, dass Opel die Benutzung des Opel Blitzes nur untersagen kann, wenn die angesprochenen Verkehrskreise davon ausgehen, dass das Spielzeugfahrzeug vom Autohersteller Opel stammt. Der EuGH gab den Instanzgerichten auf, eben dieses Verkehrsverständnis zu prüfen. 

Der BGH kam, wie die Vorinstanzen, zu dem Ergebnis, dass der auf dem Modellspielzeug angebrachte Opel Blitz von den Verbrauchern aufgrund der jahrzehntelangen Üblichkeit detailgetreuer Nachbildungen als originalgetreues Nachbildungselement des Original Opel Modells angesehen werde, nicht aber als Hinweis auf die Herkunft des Modellspielzeugs. Ferner sei auch die Qualitäts-, Werbe-, Kommunikations- oder Investitionsfunktion durch die Verwendung des Opel Blitzes auf dem Modellauto nicht beeinträchtigt, weil der Opel Blitz vom Verkehr schon nicht mit von Opel hergestellten Spielzeugautos in Verbindung gebracht werde.

Benutzung eines identischen bekannten Zeichens für andere Waren stellt bei Modell LKW und Modelllagerhalle keine Markenverletzung dar

Der BGH hatte in der damaligen Entscheidung auch bereits angerissen, dass auch keine Markenverletzung aufgrund dessen bestehe, dass es sich bei dem Opel Blitz um eine bekannte Marke handelt. Der BGH hat erneut die Rechte der Modellspielzeughersteller gestärkt (BGH, Urteil v. 12. Januar 2023 – I ZR 86/22). 

Vorliegend hatte ein Modellspielzeughersteller einen LKW sowie eine Lagerhalle des Logistikunternehmens Dachser nachgebaut und auf diesen die Marke „DACHSER Food Logistics“ bzw. „DACHSER“ angebracht. 

Hieran störte sich das Logistikunternehmen Dachser, das Markenschutz für die Zeichen DACHSER (Wort/Bild) und DACHSER Food Logistics (Wort/Bild)) hat, die aber nur für Waren und Dienstleistungen im Logistik- und Transportbereich geschützt sind, nicht aber für Modellspielzeug. Anders als im Opel Blitz Fall schied eine Markenverletzung aufgrund von Identität bereits aus. Ferner läge auch keine Verwechslungsgefahr vor, da Spielzeug auf der einen Seite und die Waren und Dienstleistungen im Logistik- und Transportbereich auf der anderen Seite unähnlich seien.

In Betracht kam aber eine Markenverletzung aufgrund der Ausnutzung und Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft und Wertschätzung einer bekannten Marke. Der BGH bejahte zwar eine rechtsverletzende Benutzung, also die Benutzung eines mit einer bekannten Marke identischen oder ähnlichen Zeichens, die die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der bekannten Marke ausnutzt. Allerdings scheiterte die Markenverletzung an der mangelnden Benutzung in unlauterer Weise. So liege keine Ausnutzung des Rufs in unlauterer Weise vor, wenn auf dem detailgetreu nachgebildeten Spielzeugauto die Marke an der entsprechenden Stelle angebracht ist und nicht in anderer Weise versucht wird, die Wertschätzung der bekannten Marke werblich zu nutzen. Auch hier – wie in der Opel Blitz Entscheidung – begründete der BGH dies mit der der jahrzehntelangen Üblichkeit detailgetreuer Nachbildungen im Modellspielzeugbau. Deshalb bestehe ein Interesse, ein in der Realität vorkommendes Fahrzeug nachzubauen und auf diesem auch Kennzeichen anzubringen, die in der Realität auf den Fahrzeugen abgebildet sind. Dies gelte ebenfalls für Gebäude, wie die Dachser Lagerhalle. In Bezug auf diese war es auch ausreichend, dass das Modell nicht eine konkrete Lagerhalle von Dachser nachbildete, sondern die für die Unternehmensidentität entscheidenden Gestaltungsmerkmale einschließlich des Logos übernahm.

Zusammenfassung: Erlaubt / Verboten

Nachfolgend werden die erwähnten und weitere Konstellationen noch einmal kurz dahingehend zusammengefasst, was erlaubt ist und was nicht.

Erlaubt

  • Anbringung einer identischen Marke auf detailgetreuem Modellspielzeug, sofern die ältere Marke für identische Waren eingetragen ist (BGH, Urteil v. 14. Januar 2010 – I ZR 88/08)
  • Anbringung einer identischen oder ähnlichen bekannten Marke auf detailgetreuem Modellspielzeug in Bezug auf unähnliche Waren / Dienstleistungen, wobei die Übernahme der für die Unternehmensidentität entscheidenden Gestaltungsmerkmale ausreichend ist (BGH, Urteil v. 12. Januar 2023 – I ZR 86/22)

Verboten

Anbringung einer identischen oder ähnlichen Marke auf nicht detailgetreuem Modellspielzeug, bspw.

  • abweichende Form des Modells vom Original, bspw. Anbringung auf Phantasierennwagen
  • Nachbildung von minderwertiger Qualität
  • abweichende Gestaltung der wiedergegebenen Marke, bspw. abgewandeltes Zeichen oder Anbringung an anderer Stelle
  • Hinzufügung weiterer Marken, bspw. Anbringen der Marke des Spielzeugherstellers an prominenter Stelle

(vgl. LG Düsseldorf, Urteil v. 5. Februar 2014 – 2a O 145/13; OLG Frankfurt, Urteil v. 9. Mai 2019 – 6 U 98/18)

Übertragung auf andere Fallkonstellationen wie Onlinegames

Es bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung im Bereich des Markenschutzes bei Modellspielzeug noch weiterentwickelt. Zudem ist auch mit Spannung zu erwarten, inwiefern die vorgenannten Grundsätze auf andere Situationen übertragen werden.

Im Bereich der Onlinegames und dem immer größer werdenden Bereich des Metaverse werden ganze reale Welten mit realen Gebäuden und anderen Gegenständen nachgestellt, auf denen auch die Originalmarken abgebildet sind. Auch hier dürfte entscheidend sein, wie genau die Benutzung erfolgt und ob diese die Funktionen der Marke beeinträchtigt. Auch der Markenschutz für digitale Produkte im Metaverse wird immer wichtiger.

Im Ergebnis ist es generell ratsam, vor der Benutzung fremder Marken – egal in welchem Kontext – rechtlichen Rat einzuholen.

* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

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