Kein markenrechtlicher Unterlassungsanspruch des „Kickers“ gegen den Verkauf eines Fußballpokals im Internet unter Verwendung der Wortmarke „Torjägerkanone“.
Die Sportzeitschrift „kicker“ verleiht seit 1966 alljährlich eine Trophäe in Form einer mittelalterlichen Bürgerkriegskanone namens „Torjägerkanone“ an den Fußballer und seit 2004 auch an die Fußballerin, die in der Saison die meisten Tore in der Bundesliga erzielt haben. Rekordhalter bei den Männern mit je sieben Trophäen sind Gerd Müller und Robert Lewandowski, der zuletzt gar fünfmal in Folge Torschützenkönig wurde. Bei den Frauen gewann zuletzt die Nationalspielerin Lea Schüller die begehrte Trophäe.
Seit der Saison 2021/2022 verleiht der kicker zudem eine Torjägerkanone für jede weitere Spielklassenebene, bis zur elften und damit untersten Amateurliga. Hintergrund war eine Aufforderung von Simon Terodde, der 2019 bereits zum dritten Mal eine selbst gebastelte Torjägerkanone für seine Leistung als bester Torschütze der zweiten Liga von seiner Ehefrau erhielt. Diese aus den besten Gründen entstandene Nachahmung der Torjägerkanone ist kein Einzelfall.
„kicker Torjägerkanone“ erstinstanzlich erfolgreich
Anfang 2022 begann der Herausgeber des kickers, der Olympia-Verlag, eine Reihe von Abmahnungen gegen Pokalhersteller in ganz Deutschland zu verschicken, u.a. auch an einen Dresdner Händler, der auf seiner Website Pokale, Glastrophäen und Medaillen zum Verkauf anbietet. In seinem Angebot befindet sich auch ein laut Warenbeschreibung aus Kunstharz/Polyresin gefertigter „Fußballpokal Torjägerkanone klein“ sowie ein vergleichbares Angebot für einen „Fußballpokal Torjäger-Kanone XL“. Der Olympia-Verlag beantragte den Erlass einer einstweiligen Verfügung und berief sich dabei auf die seit 2006 eingetragenen Wortmarken „Torjägerkanone“ und „kicker Torjägerkanone“, die u.a. Schutz für die Waren der Klasse 6 „Figuren, Statuen, Trophäen aus Metall“ sowie der Klasse 16 für „Druckerzeugnisse“ beanspruchen.
Das mit dieser Sache erstinstanzlich befasste Landgericht Nürnberg-Fürth (Az. 4 HK O 3466/22) hielt den Unterlassungsanspruch des Olympia-Verlags gem. § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3, Abs. 5 MarkenG für begründet und gab dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung statt. Zur Begründung führte das Gericht u.a. aus, dass die Verwendung des Begriffs „Torjäger-Kanone“ durch den Beklagten Händler einen markenmäßigen Gebrauch darstelle und die Bezeichnung keine rein beschreibende Angabe sei. Auch eine Verwechselungsgefahr hielt das Gericht für gegeben. Ein entsprechender Anspruch ergebe sich darüber hinaus auch aus dem Lauterkeitsrecht.
OLG Nürnberg: Weder markenrechtliche noch lauterkeitsrechtliche Ansprüche
Dagegen wendet sich der Händler erfolgreich mit der Berufung. Unter Ablehnung eines herkunftshinweisenden Gebrauchs hob das OLG Nürnberg am 25. Oktober 2022 (Az. 3 U 2576/22) die Entscheidung des LG Nürnberg-Fürth auf und wies den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück. Zwar lehne sich das streitgegenständliche Produkt der Verfügungsbeklagten zweifellos an die Idee der Verfügungsklägerin – mit einer Trophäe in Form einer Kanone namens „Torjägerkanone“ sog. „Torschützenkönige“ zu prämieren – an. Vor dem Hintergrund der grds. bestehenden Nachahmungsfreiheit könne dies jedoch nicht untersagt werden, da die geltend gemachten Ansprüche weder auf § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG noch – mangels Darlegung eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 4 UWG – auf lauterkeitsrechtliche Anspruchsgrundlagen gestützt werden können.
Im Rahmen der Würdigung der Umstände des Einzelfalls kam der Senat zu dem Schluss, dass keine herkunftsbeeinträchtigende Benutzung des Zeichens „Torjägerkanone“ vorliegt. Zum einen habe die Bezeichnung „Torjägerkanone“ deutlich beschreibende Anklänge. Auch die Bekanntheit des Zeichens sei nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden. Darüber hinaus sei die konkrete Benutzung des Zeichens durch die Beklagte zu berücksichtigen, insbesondere das Verkaufsangebot in seiner Gesamtheit und die Produktgestaltung.
Bloße Eventbezeichnung oder Herkunftshinweis?
Unter markenrechtlichen Aspekten könne die umfangreiche mediale Berichterstattung über die seit vielen Jahren erfolgte Verleihung der Trophäe „Torjägerkanone“ nach Auffassung des Senates allein nicht ausreichen, um im Rahmen einer markenmäßigen Benutzung von einer Markenbekanntheit zu sprechen. Insbesondere bei „eventbezogenen“ Bezeichnungen sei zwischen der Eignung, das jeweilige Ereignis als solches zu bezeichnen, und der Eignung, als Unterscheidungsmittel Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen, zu unterscheiden. Im Rahmen der Bekanntheit einer Marke sei allein Letzteres maßgeblich. Eine „abstrakte“ Bekanntheit eines Zeichens, das weder mit bestimmten Waren und Dienstleistungen noch mit einem bestimmten Unternehmen in Verbindung gebracht wird, ist hingegen nicht ausreichend.
Im vorliegenden Fall verneinte der Senat die Bekanntheit des Zeichens „Torjägerkanone“ als Herkunftszeichen. Es sei von der Verfügungsklägerin weder dargetan noch glaubhaft gemacht, dass ein großer Teil der angesprochenen Verkehrskreise die „Torjägerkanone“ nicht nur als Bezeichnung der Auszeichnung, sondern auch als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen erkennt.
Konkretes Verkaufsangebot und Produktgestaltung zu berücksichtigen
Zudem ist nach Auffassung des Senats auch die konkrete Benutzung des Zeichens durch die Verfügungsbeklagte, insbesondere das Verkaufsangebot in seiner Gesamtheit und die Produktgestaltung, zu berücksichtigen. Demnach werde das benutzte Zeichen auf der Homepage – vor allem aufgrund des darin erkennbar assoziativen Zusammenhangs zwischen den Zeichen „Torjägerkanone“ bzw. „Torjäger-Kanone“ und dem angebotenen Produkt – auf einen eher beschreibenden Kern zurückgeführt, bei dem die angesprochenen Verkehrskreise vielmehr eine Artikel- oder Modellbezeichnung für das angebotene Produkt als einen eigenständigen Herkunftshinweis erkennen.
Zuletzt unterscheide sich die allgemein bekannte Art der Zeichenverwendung durch die Verfügungsklägerin grundlegend von dem Verkaufsangebot der Verfügungsbeklagten. Die Verfügungsklägerin bietet unstreitig selbst keine Trophäen zum Verkauf an, sondern gibt eine Sportzeitschrift heraus. Dem Teil des Verkehrs, der mit der Auszeichnung „Torjägerkanone“ vertraut ist, ist auch bekannt, dass die als „Torjägerkanone“ bezeichnete Originaltrophäe nicht eine käufliche, sondern eine verliehene Auszeichnung für den/die besten Torjäger/in der jeweiligen Liga ist. Für die angesprochenen Verkehrskreise sei daher unschwer erkennbar, dass die von der Verfügungsbeklagten angebotenen Pokale nicht von der Verfügungsklägerin oder einem mit ihr wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammen.
Diese Begründung des Gerichts wirft Fragen auf. Gerade im Bereich des Profisports ist der Verkehr an jede erdenkliche Art von Merchandise gewöhnt. Eine Replika der Torjägerkanone als vom kicker vertriebener Merchandise-Artikel ist nicht nur gut vorstellbar, sondern es verwundert, warum es diesen Artikel noch nicht gibt. Es ließe sich daher ohne weiteres argumentieren, dass die Verfügungsbeklagte im Auftrag des kickers die angebotenen Trophäen herstellt oder zumindest eine Lizenz hierfür hat.
Einwand der fehlenden rechtserhaltenden Benutzung einschlägig
Auch griff im vorliegenden Fall der Einwand der fehlenden rechtserhaltenden Benutzung der Klagemarke nach § 26 Abs. 1 MarkenG. Die Verfügungsklägerin vertreibt keine Pokale oder Trophäen. Vielmehr handelt es sich bei ihrer „Torjägerkanone“ um einen Ehrenpreis für eine besonders herausragende sportliche Leistung. Die von der Verfügungsklägerin verliehene Auszeichnung des besten Torschützen des Jahres diene daher nicht der Erschließung oder Sicherung eines Absatzmarktes für die Waren „Figuren, Statuen, Skulpturen und Trophäen aus Metall“. Soweit die Verfügungsklägerin vorgetragen habe, dass sie sich als Verleiherin der „Torjägerkanonen“-Trophäe behaupten möchte, genüge dies ebenfalls nicht den Anforderungen an die Darlegung einer rechtserhaltenden Benutzung der klägerischen Wortmarken.
Gleiches Schicksal wie der „BALLON D’OR“
Nach dem „BALLON D’OR“ der französischen Fußballfachzeitschrift „France Football“ wird mit der „Torjägerkanone“ erneut einer bekannten Auszeichnung des Profifußballs aus diesem Grund der Markenschutz verwehrt. Bereits der EuG entschied in seinem Urteil vom 6. Juli 2022 (Az. T-478/21), dass die Marke, die zugleich den Namen einer Auszeichnung darstelle, zwar ernsthaft für Unterhaltungsdienstleistungen benutzt werde, wenn umfangreich medial über die Verleihungszeremonie berichtet werde und im Rahmen der Zeremonie Wort- und Filmbeiträge gesendet würden, die das Thema ergänzen. Es fehle aber an der rechtserhaltenden Benutzung für weitere Dienstleistungen in der Klasse 38, wie bspw. die „Ausstrahlung von Fernsehprogrammen“, weil die dortige Markeninhaberin diese – auch mangels eines eigenen Telekommunikationsnetzwerkes – nicht selbst erbringe. Auch im vorliegenden Fall bot der kicker selbst keine Waren der Klasse 6 an, weshalb insoweit nach Auffassung des Senats eine rechtserhaltende Benutzung nicht vorlag.
Obwohl die Entscheidung – gerade im Hinblick auf die Ablehnung eines Herkunftshinweises – fragwürdig erscheint, verdeutlicht sie auch, dass selbst Größen der Sport- und Entertainmentbranche genau darauf achten sollten, ob ihre Kerntätigkeit markenrechtlich abgesichert ist. Sonst kann selbst bei offensichtlichen Anleihen Dritter ein böses Erwachen drohen. Ohne weiteres sollten die Markeninhaber hingegen nicht auf ihre Bekanntheit vertrauen. Das Gericht hat, wohl zurecht, drauf hingewiesen, dass die Bekanntheit der Auszeichnung „Torjägerkanone“ nicht ohne weitere Begründung auf die Bekanntheit der Bezeichnung als Marke zu übertragen ist.
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