17. August 2022
Verwechslungsgefahr Markenrecht Bekanntheit Champagner
Markenrecht

MOËT & CHANDON gegen Müller & Chandoni – Wie sehr dürfen Nachahmer ihren Vorbildern ähneln?

Die Luxusmarke „MOËT & CHANDON“ hat sich vor dem Europäischen Markenamt erfolgreich gegen eine Nachahmer-Marke gewehrt.

Wenn Edelmarken wie Chanel und Louis Vuitton aufgrund ihrer hohen Preise unerschwinglich sind, greifen Verbraucher* gerne zu günstigen Alternativen und Imitaten. Dass 1:1-Imitate markenrechtlich problematisch sind, ist weithin bekannt; so dürften sich bspw. die meisten Touristen darüber im Klaren sein, dass sie keine gefälschten Markenartikel aus dem Sommerurlaub zurück in die Heimat bringen dürfen.

Anstatt bekannte Produkte zu fälschen und existierende Luxusmarken schlicht unberechtigterweise zu kopieren, versuchen manche Hersteller, diese Marken lediglich nachzuahmen, sodass die eigenen Produkte vom guten Ruf des Marktführers profitieren. Jedenfalls stand diese Vermutung im Zentrum des Rechtsstreits zwischen dem französischen Unternehmen MHCS, das Inhaber der weltbekannten Champagner-Marke „MOËT & CHANDON“ ist, und einem kleinen Hamburger Unternehmen, das im August 2019 die Sekt-Marke „Müller & Chandoni“ im Europäischen Markenregister anmeldete.

Verwechslungsgefahr in den identischen Warenklassen

Im Frühjahr 2020 legte MHCS Widerspruch gegen die Markenanmeldung „Müller & Chandoni“ ein. Die weltweit bekannte Edelmarke, die seit 1987 zum Luxusgüter-Konglomerat LVMH gehört, begründete ihren Widerspruch neben der Verwechslungsgefahr gem. Art. 8 Abs. 1b UMV damit, dass die neuangemeldete Marke gem. Art. 8 Abs. 5 UMV die Bekanntheit von „MOËT & CHANDON“ unlauter ausnutzen würde.

Das European Union Intellectual Property Office (EUIPO) stellte zunächst fest, dass die von der Markenanmeldung „Müller & Chandoni“ beanspruchten Waren, insbesondere alkoholische Getränke, identisch mit denen von „MOËT & CHANDON“ bzw. ihnen ähnlich sind. Somit sah die Behörde die erste notwendige Bedingung für eine Verwechslungsgefahr gem. Art. 8 Abs. 1b UMV als gegeben an. Einzig hinsichtlich der Waren „Alkoholpräparate“ sah das EUIPO keine Ähnlichkeit, da sich ihre Natur, ihre Verwendungszwecke und Anwendungsmethoden zu stark von Champagner unterscheiden würden.

Beim direkten Vergleich der beiden Zeichen stellte das EUIPO eine ähnliche Struktur sowie eine nahezu identische Länge der Wörter fest. Die einzelnen Zeichenbestandteile seien jeweils als Familiennamen zu identifizieren. Das gelte bei deutschen Verbrauchern insbesondere für den hierzulande gängigen Familiennamen „Müller“. Insofern konnte das EUIPO auch keine begriffliche Ähnlichkeit zwischen „Müller“ und „Moët“ feststellen. Insgesamt hielt es das EUIPO aber nicht für ausgeschlossen, dass durchschnittlich aufmerksame Verbraucher die Zeichen „MOËT & CHANDON“ und „Müller & Chandoni“ miteinander verwechseln würden.

Bekanntheit einer Marke kann zusätzlichen Schutz bieten

Mit diesem Ergebnis würde „Müller & Chandoni“ aber für die Warenklasse der Präparate weiterbestehen. Da MHCS nachvollziehbarerweise daran interessiert war, die Nachahmer-Marke vollständig zu beseitigen, wurde hinsichtlich der unähnlichen Warenklassen mit der Bekanntheit der eigenen Marke argumentiert. Nach Art. 8 Abs. 5 UMV kann auch gegen eine Marke mit unähnlichen Waren und Dienstleistungen vorgegangen werden, wenn diese Marke die Unterscheidungskraft oder Wertschätzung einer älteren bekannten Marke in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.

Das EUIPO hatte folglich zu untersuchen, ob die Marke „MOËT & CHANDON“ einem wesentlichen Teil des Publikums bekannt war. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bekanntheit ist das Anmeldedatum der angegriffenen Marke bzw. im hiesigen Fall das Datum der ursprünglichen Anmeldung der deutschen Marke, deren Priorität beansprucht wurde. Für seine Beurteilung zog das EUIPO Faktoren wie den Marktanteil, die geografische Ausdehnung, die Dauer der Benutzung und den Umfang getätigter Investitionen heran.

MHCS legte eine externe Marktstudie zu Champagner-Verkäufen in verschiedenen Mitgliedstaaten in den Jahren 2010 bis 2019 vor, ferner eidesstattliche Erklärungen zu den konkreten Umsatzzahlen und Werbeausgaben. Positiv wertete das EUIPO auch mehrere hundert Seiten an Zeitungsartikeln, Internetauszügen und anderen Presseberichten aus unabhängigen Quellen, aus denen sich eine marktführende Stellung und zahlreiche Kooperationen mit bekannten Persönlichkeiten ergaben. Insgesamt kam das EUIPO daher zu dem Ergebnis, dass die Marke „MOËT & CHANDON“ in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union bekannt sei.

Nachahmer-Marke nutzt den Ruf ihres Vorbilds in unlauterer Weise aus

Das EUIPO hatte sodann zu prüfen, ob die bekannte Marke durch die ähnliche Marke „Müller & Chandoni“ beeinträchtigt oder unlauter ausgenutzt wird. Das ist der Fall, wenn die maßgeblichen Verkehrskreise zwischen den beiden Marken eine gedankliche Verbindung herstellen. Eine solche Verbindung kann u.a. durch die Ähnlichkeit der Zeichen, das Ausmaß der Bekanntheit oder den Grad der Verwechslungsgefahr begründet werden.

Hier sah das EUIPO eine zumindest durchschnittliche Ähnlichkeit der Zeichen bei gleichzeitig hoher Bekanntheit der älteren Marke „MOËT & CHANDON“. Zudem befand das EUIPO, dass sich die angesprochenen Verkehrskreise trotz der Unähnlichkeit zwischen Champagner und anderen Alkoholpräparaten dennoch überschneiden würden. Denn beide Waren richteten sich an die breite Öffentlichkeit und ließen sich dem gemeinsamen Bereich der Getränke zuordnen. Daher sei nicht auszuschließen, dass Verbraucher die Zeichen gedanklich miteinander in Verbindung bringen und das Image von „MOËT & CHANDON“ auf „Müller & Chandoni“ übertragen würden.

Darüber hinaus konnte MHCS nachvollziehbar darlegen, dass eine unlautere Rufausbeutung zu befürchten sei. Eine unlautere Rufausbeutung betrifft die Fälle, in denen jemand eine Marke anmeldet, um ohne finanzielle Gegenleistung von der Bekanntheit einer anderen Marke und den Investitionen des Markeninhabers zu profitieren. Die Gefahr der Rufausbeutung sah das EUIPO hier vor allem aufgrund des hohen Bekanntheitsgrades der Marke „MOËT & CHANDON“ als gegeben an. Auch wäre es nach Auffassung des EUIPO nicht überraschend, wenn die Waren von „MOËT & CHANDON“ auf weitere Alkoholpräparate erweitert werden würde. Schließlich biete die Marke eine besondere Anziehungskraft, da sie auch außerhalb ihres natürlichen Marktsektors, z.B. im Bereich des Merchandisings, genutzt werden könne.

Als irrelevant erachtete das EUIPO das Vorbringen der Gegenseite, wonach das Zeichen „Müller & Chandoni“ lediglich aus Nachnamen bestünde, zumal eine der Geschäftsführerinnen auch tatsächlich „Müller“ heiße. Nach Auffassung des EUIPO bestehe aber allein wegen eines Familiennamens kein Anspruch darauf,

[…] diesen Namen gewerblich so zu benutzen, dass die Bekanntheit, die der Markeninhaber geschaffen hat, in unlauterer Weise ausgenutzt würde.

Frühzeitiger Markenschutz ist wichtig

Der Rechtsstreit zeigt, wie wichtig effektiver Markenschutz für die Hersteller von Luxusgütern ist. Die Exklusivität der Produkte und der gute Ruf werden primär durch die Marke transportiert. Folglich besteht ein nachvollziehbares Interesse, dieses Image zu schützen und zu verhindern, dass Nachahmer sich die herausragenden Markeneigenschaften zunutze machen. Das setzt jedoch voraus, dass auf potenziell rechtsverletzende Markenanmeldungen schnell reagiert werden kann – vorzugsweise innerhalb der dreimonatigen Widerspruchsfrist.

Der Nachweis der Bekanntheit einer Marke erfordert eine umfangreiche Dokumentation. Markeninhaber sollten daher zumindest für ihre primär genutzten Marken entsprechende Unterlagen bereithalten und regelmäßig aktualisieren. Bei diesen Nachweisen darf es sich auch um vertrauliche interne Geschäftsunterlagen handeln – beim EUIPO kann ein entsprechender Antrag auf Geheimhaltung gestellt werden. So ist auch MHCS vorgegangen, weshalb das EUIPO die Nachweise in seiner veröffentlichten Entscheidung nur zusammenfassen und nicht explizit darauf Bezug nehmen durfte. Insofern bedarf es also keiner Zurückhaltung, um die besondere Bedeutung der eigenen Marken darzulegen.

Der Beitrag wurde in Zusammenarbeit mit Neim Nguemning erstellt.

*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: Champagner Markenrecht Verwechslungsgefahr