Die EU plant, Profifußballvereine in den Kreis der geldwäscherechtlich Verpflichteten aufzunehmen. Was bedeutet das für die Vereine?
Jeder Fußballer* und Funktionär wird sie kennen – die „goldenen Regeln“ im Fußball: „Der Ball ist rund und das Spiel dauert 90 Minuten“, „Abseits ist, wenn der Schiri pfeift“ und „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“.
In Anbetracht neuster Bestrebungen auf EU-Ebene könnten sich hierzu künftig weitere Regeln gesellen, nämlich solche, die der Prävention gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung dienen. Hintergrund ist, dass die EU derzeit zur Schaffung eines einheitlichen EU-Regelwerks zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung an einer Geldwäscheverordnung arbeitet.
Vor den anstehenden Triologverhandlungen hat das Europäische Parlament den Vorschlag der Kommission für eine Verordnung zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems für Zwecke der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung (nachfolgend: „Verordnung“) angenommen und in seinem Bericht vom 14. April 2023 Änderungsvorschläge veröffentlicht. Zuvor, am 7. Dezember 2022, hatte bereits der Europäische Rat seinen Standpunkt veröffentlicht.
Der Vorschlag des Parlaments sieht erstmals vor, dass
- Berater aus dem Bereich des Profifußballs (Art. 3 Abs. 1 Unterabschnitt 3 Buchstabe la Verordnung),
- Profifußballvereine (Art. 3 Abs. 1 Unterabschnitt 3 Buchstabe lb Verordnung) und
- Fußballverbände in den Mitgliedstaaten, die Mitglied der UEFA sind (Art. 3 Abs. 1 Unterabschnitt 3 Buchstabe lc Verordnung)
zu den Verpflichteten nach der Verordnung zählen sollen.
Mit Spannung wird erwartet, wie sich Kommission und Rat zu dieser geplanten Änderung in den anstehenden Triologverhandlungen äußern. Angesichts der Warnungen seitens Expertengremien und des zweifellos bestehenden Risikos, dem der Profifußballbereich ausgesetzt ist, dürfte es – aus Sicht der Geldwäscheprävention – wohl wenige Argumente gegen die Aufnahme dieser neuen Verpflichteten geben.
Geldwäscherisiken im Profifußball
Wettskandale, Korruptionsvorwürfe, Ermittlungen gegen Funktionäre, Anklagen wegen Betrug und Steuerhinterziehungen – die Liste der Negativschlagzeilen im Zusammenhang mit dem Profifußball scheint in jüngster Vergangenheit immer länger zu werden.
Dies zeigt nicht nur das Risikopotential des Profifußballs, sondern auch, dass die wirtschaftliche Bedeutung und die mediale Aufmerksamkeit des Profifußballs stetig zunehmen.
Im Profifußball geht es regelmäßig um enorm hohe Geldbeträge, sei es in Bezug auf Ablösesummen, Investitionen, Sponsoring oder die Gehälter für Spieler. So wird man gewiss auch in diesem Sommer wieder von Ablösesummen in Millionenhöhe und von Investoren bei Top-Clubs lesen, die es sich nicht nehmen lassen werden, „ihren“ Verein personell zu verstärken. Es ist wenig überraschend, dass hohe Geldsummen und ein rascher Ablösemarkt den Profifußball auch für Kriminelle attraktiv erscheinen lassen. Schon seit Jahren warnen daher Expertengremien, wie die überstaatliche Organisation zur Bekämpfung von Finanzkriminalität Financial Action Task Force (FATF) bereits 2009, vor der Anfälligkeit des Profifußballs, für Zwecke der Geldwäsche missbraucht zu werden (s. FATF-Bericht Money Laundering through the Football Sector, Juli 2009).
Die FATF erachtet vor allem komplizierte Netzwerke, viele unterschiedliche Finanzkanäle sowie die ungeheure Vielzahl der beteiligten Personen als Einfallstore für Geldwäsche im Profifußball. Ebenso seien die Preise für Spielertransfers teils irrational, intransparent und schwer zu kontrollieren.
Diverse Konstellationen eignen sich besonders gut für Zwecke der Geldwäsche im Profifußball
1. Investitionen in Vereine:
Der Kauf von Beteiligungen an Profifußballvereinen eignet sich, um hohe Summen aus illegalen Aktivitäten in den legalen Wirtschaftskreislauf einzuschleusen. Zudem sind solche Investitionen geeignet, um die eigene Reputation zu fördern, indem man als „Sponsor“ oder „Mäzen“ des Sports gilt.
2. Spielertransfers:
Ebenso könnten Spielertransfers in verschiedener Ausgestaltung zur Geldwäsche missbraucht werden. Höhe und Intransparenz von Ablösesummen begünstigen es z.B., Spieler – wie in anderem Zusammenhang Güter – zu überhöhten Preisen zu transferieren und auf diese Weise den überhöhten (inkriminierten) Anteil der Ablösesumme mit dem Anschein der Legalität zu versehen.
In Anbetracht der Transfersummen, die für manchen „Bankdrücker“ gezahlt werden, und der Einkaufsstrategie mancher Vereine dürfte diese Praxis für unbeteiligte Dritte kaum Aufsehen erregen. So wird sich schon so mancher Fußball-Fan beim eigenen Verein gefragt haben, wieso für den ein oder anderen Spieler eine solche Summe aufgeboten wird, er aber dann doch „kein Scheunentor trifft“.
3. Sponsoring:
Ebenso eignen sich Sponsoring-Verträge für Geldwäsche-Zwecke. So könnten Vereine bspw. einen Vertrag mit einem Scheinunternehmen abschließen oder Verträge zu für den Verein ungünstigen Konditionen abschließen und das überschüssige Geld als legalen Gewinn deklarieren.
4. Ticketverkäufe oder Merchandise-Aktivitäten:
Eine weitere Möglichkeit, um Gelder in den legalen Wirtschaftskreislauf einzuschleusen, besteht im Scheinverkauf von Tickets oder (oftmals hochpreisigen) Merchandise-Artikeln.
Angesichts dieser „Traumpässe“, die den Kriminellen zugespielt werden, verwundert es wenig, dass der EU-Gesetzgeber nunmehr „dazwischengrätschen“ und der Geldwäsche Einhalt gebieten möchte.
Sollten Profifußballvereine in den Kreis der Verpflichteten aufgenommen werden, könnten die folgenden – nicht abschließend aufgeführten – Pflichten auf sie zukommen:
- Etablierung interner Strategien, Kontrollen und Verfahren: Als Verpflichtete nach der Verordnung müssten die Profifußballvereine sicherstellen, dass sie die Regelungen der Verordnung einhalten. Gem. Art. 7 Abs. 2 Buchstabe c des Verordnungs-Parlamentsentwurfs müssten Profifußballvereine hierfür sogar intern eine unabhängige Audit-Funktion vorhalten.
- Schulung von Mitarbeitern: Gem. Art. 10 des Verordnungs-Parlamentsentwurfs müssen u.a. Maßnahmen getroffen werden, um sicherzustellen, dass Mitarbeiter, deren Funktion dies erfordert, die aus der Verordnung resultierenden Anforderungen sowie die internen Strategien, Kontrollen und Verfahren kennen. Dies wird in der Praxis nur durch entsprechende Schulungen erreicht werden können, weshalb sich aus dieser Regelung eine Schulungspflicht für Mitarbeiter ergibt.
- Erfüllung von KYC-Pflichten: Ebenso würde die Erfüllung geldwäscherechtlicher Sorgfaltspflichten (sog. KYC-Pflichten) auf dem „Trainingsprogramm“ der Fußballvereine stehen. Diese müssten u.a. die Identität ihrer Geschäftspartner feststellen und überprüfen (Art. 16 Abs. 1 Buchstabe a des Verordnungs-Parlamentsentwurf).
- Meldepflichten bei Verdachtsfällen: Zu den wichtigsten Pflichten würde auch die Pflicht zählen, verdächtige Transaktionen oder Transaktionsversuche als Verdachtsmeldungen an die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (Financial Intelligence Unit, FIU) zu melden (Art. 50 Abs. 1 des Verordnungs-Parlamentsentwurfs)
Nach dem aktuellen Entwurf des Europäischen Parlaments würden diese Pflichten nur Profifußballvereinetreffen. Gem. Art. 2 Abs. 14 Buchstabe a des Vorschlags des Europäischen Parlaments für die Verordnung versteht man unter „Profifußballverein“ eine in einem Mitgliedstaat niedergelassene juristische Person, die Eigentümer oder Manager eines Profifußballvereins ist, von dem mind. eine Mannschaft in der Meisterschaft oder den Meisterschaften der beiden höchsten Wettbewerbsebenen in diesem Mitgliedstaat spielt und einen Jahresumsatz von mind. EUR 7.000.000 erzielt.
Mithin dürften alle Vereine aus der 1. Bundesliga (Finanzzahlen der DFL: Hohe Verluste bei BVB und Hertha | sportschau.de) und der 2. Bundesliga (2. Bundesliga: Das große Gefälle | sportschau.de) als Verpflichtete gelten, sollte der Vorschlag des Europäischen Parlaments so übernommen werden.
Die Entwicklungen im Fußball dürften Strahlkraft für andere Marktteilnehmer haben
Kaum ein anderer Sport steht so im Fokus der Öffentlichkeit wie der Fußball. Schon längst geht es nicht nur um den Sport, sondern auch um die Vermarktung der Vereine und der einzelnen Spieler. Meinungen und Einstellungen von Fußballern werden in der medialen Öffentlichkeit diskutiert und häufig wird den Spielern eine Vorbildfunktion in der Gesellschaft zugesprochen.
In diesem Zusammenhang möge man sich etwa an die Impfdiskussionen im Rahmen der Corona-Pandemie und insbesondere an die Debatte rund um den Impfstatus eines Spielers aus dem Süden der Republik erinnern. Diese Strahlwirkung des Fußballs ist zum einen eine Chance, aber auch eine Gefahr.
Die Gefahr dieser Strahlwirkung ist, wie die FATF schon 2009 zutreffend erkannte, dass Kriminelle diesen Markt nicht nur nutzen wollen, weil er besonders lukrativ ist, sondern weil mit dem Fußball ein gewisses Prestige einhergeht.
Die finanzielle Förderung eines Vereins eignet sich wunderbar zum „Networken“ mit einflussreichen Persönlichkeiten, Gönnern und Berühmtheiten. Fußball kann daher das Einfallstor in eine neue, attraktive und sozial angesehene Welt für so manchen (Kriminellen) sein.
Andererseits sollte man die Strahlkraft auch als Chance sehen. Wenn Fußballvereine mit gutem Beispiel vorangehen und effektiv bei der Geldwäschebekämpfung mitwirken, könnte dies der Öffentlichkeit die Wichtigkeit der Geldwäscheprävention vor Augen führen. Möglicherweise könnte dies für so manchen der Anreiz sein, eigene Sicherungsmaßnahmen zu implementieren oder zu verbessern.
Bereits jetzt gilt: Eigentore vermeiden durch Geldwäsche-Compliance
Es wird noch einige Zeit ins Land gehen, bis die finale Fassung der EU-Geldwäscheverordnung feststeht, und einige mehr, bis diese dann in Kraft tritt.
Hiervon unabhängig sollte ein (Profi-)Fußballverein bereits heute interne Sicherungsmaßnahmen vorhalten, um seine Risiken, für Zwecke der Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung missbraucht zu werden, zu reduzieren. Dies gilt bereits deshalb, weil auch Vereine im Rahmen ihrer Legalitätspflicht zur Einhaltung anwendbarer Gesetze verpflichtet sind. Vereinsvorstände sind daher angehalten, Vorkehrungen zu treffen, um Straftaten, wie z.B. Geldwäsche, die aus dem Verein heraus begangen werden, zu verhindern. Wer bereits jetzt seine eigenen Risiken im Blick hat, der ist für eine bevorstehende Aufnahme in den Kreis der geldwäscherechtlich Verpflichteten gewappnet und hält den späteren Erfüllungsaufwand überschaubar.
Im Ergebnis gilt: Compliance, Geldwäscheprävention und risikoorientierte Maßnahmen sind nie ein Eigentor. Um Lothar Matthäus das letzte Wort zu überlassen, sollte man nun „nicht den Sand in den Kopf stecken“, sondern Maßnahmen ergreifen und „vorwärtsverteidigen“.