13. März 2012
ein Hoch auf das papierlose Büro
Kanzleialltag

Der Baum der Erkenntnis

Tiefgaragen sind bemerkenswerte Orte. Nicht nur unter architektonischen Aspekten, sondern auch aus erzählerischer Perspektive: Literatur und Film leben von Tiefgaragenkomplexen, weitab von Tageslicht und belebten Straßen. Nicht zuletzt deswegen berichten die Kölner Kollegen wohl ein ums andere Mal über ihre Tiefgarage und damit im Zusammenhang stehende Ereignisse. Aber auch in Stuttgart wird seit langem schon unterirdisch geparkt.

Die Stuttgarter Tiefgarage ist uns vertraut, flackernde oder gar defekte Leuchtstoffröhren beunruhigen nicht mehr. Doch diese vermeintliche Vertrautheit alleine nimmt einer Tiefgarage noch nicht jegliches Überraschungsmoment: Spät dran war die Kollegin, die sich am Abend zügig mit ihrem Auto den vertrauten Weg aus dem zweiten Untergeschoss der Tiefgarage bahnte. Nach dem langen Bürotag jetzt schnell nach Hause! Aber die Karte, mit Hilfe derer die Schranke zur verlockenden Außenwelt geöffnet werden sollte, versagte. Die Kollegin hatte es zwar schon wieder an die Oberfläche geschafft, doch musste der Weg zum Service-Personal angetreten werden, um das Problem der defekten Parkkarte zu beheben. Rückwärtsgang einlegen, Blick in den Rückspiegel – und Tritt auf die Bremse: Auch andere Kollegen wollten hinaus und versperrten den Weg nach hinten. Also seitwärts rangieren, um auf dem schmalen Streifen zwischen Tiefgaragenein- und -ausfahrt zu parken und das Problem mit der Karte zu klären. Gesagt, getan und rums! Bremse, Blick in den Rückspiegel und: Ein Baum!

Ein Baum? Keiner der Anwälte, die dem Bericht der Kollegin lauschten, hatte diesen je bemerkt. Und tatsächlich: Beim Verlassen der Tiefgarage an diesem Tag sehen wir ihn alle, den Baum, der uns morgens treu bei dem Einfahren in die Unterwelt verabschiedet und uns abends mit Knospen, zarten grünen Blättchen oder buntem Herbstlaub wieder in Empfang nimmt. Mitten in Teer und Beton und ohne dass wir ihn bislang jemals beachtet hätten. Mit dieser Erkenntnis nehmen wir uns fest vor, uns künftig an diesem Baum zu erfreuen und ihm mehr Beachtung zu schenken. Auch wenn Auslöser dafür eine kleine Beule im Auto der Kollegin ist.

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