Die Herausforderungen für Geflüchtete sind groß. CMS mit Mitarbeitenden und die CMS Stiftung unterstützen: finanziell und durch persönlichen Einsatz.
Seit einem knappen halben Jahr sind die beiden Mädchen nun da. 12 und 17 Jahre sind sie alt. Sie hatten ein paar Klamotten dabei, sonst nichts. So, als würden sie nur ein paar Tage bleiben. In der Berliner Wohnung von Evgeni Abramovych, seiner Frau und ihrer vierjährigen Tochter bewohnen die beiden ukrainischen Mädchen gemeinsam ein Zimmer. „Es ist kompliziert, so ohne Vorwarnung die Verantwortung für zwei Teenager zu übernehmen“, sagt Evgeni Abramovych. „Aber wir kommen klar.“
Die beiden Mädchen sind Halbschwestern seiner Frau und stammen, wie Evgeni Abramovych selbst, aus Dnipro, der viertgrößten Stadt in der Ukraine. „Wir telefonierten gerade mit ihrer Mutter“, erzählt Abramovych, „als Sirenen losheulten und Beschuss zu hören war.“ Die Abramovychs hätten sofort die gesamte Familie nach Berlin geholt und bei sich aufgenommen, doch die Mutter wollte in der Ukraine bleiben – der Vater musste. „Für uns ist es selbstverständlich, dass wir die Mädchen aufnehmen“, sagt Evgeni Abramovych.
Seit 1998 lebt er in Berlin, arbeitet seit vier Jahren bei CMS in der Business Administration. Eher zufällig bekam der IT-Spezialist mit, dass die CMS Stiftung ein „Welcome-Programm“ gestartet hatte. Damit unterstützt die Stiftung das persönliche Engagement von Menschen, die Geflüchteten aus der Ukraine unbürokratisch helfen wollen, sie bei sich aufnehmen oder ihnen als Patin oder Pate bei der Bewältigung ihres neuen Alltags zur Seite stehen. Evgeni Abramovych bekam einen Kostenzuschuss von EUR 500 für jedes der beiden Mädchen. Über das „Welcome-Programm“ wurde bereits über 100 Geflüchteten der Start in Deutschland ein wenig erleichtert.
Zugang zum Recht ist das Leitmotiv der CMS Stiftung – und Nachhaltigkeitsziel der UN
Es ist nur eine von mehreren Initiativen, die die CMS Stiftung mit Unterstützung von CMS bereits kurz nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine gestartet hat. Der Gedanke: Das bürgerschaftliche Engagement stärken, uns mit den Menschen aus der Ukraine solidarisieren, Flüchtenden eine sichere Bleibe bieten. Das ist einerseits menschlich – andererseits steckt hinter diesem Engagement der feste Glaube, dass eine nachhaltige Entwicklung nur möglich ist, wenn Gesellschaften friedlich und solidarisch miteinander umgehen. Sozietät und Stiftung leisten so einen Beitrag zur Umsetzung des UN-Nachhaltigkeitsziels Nummer 16: Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen. Das Recht eines jeden Menschen auf Zugang zum Recht wird in Social Development Goal (SDG) 16 explizit erwähnt – es ist das Leitmotiv der CMS Stiftung.
Bereits unmittelbar nach Ausbruch des Krieges rief die CMS Stiftung die Sozietätsmitarbeitenden zu einer Spendenaktion für drei Organisationen auf: Arrival Aid, International Justice Mission (IJM) Deutschland und „Freunde helfen! Konvoi“. Den Spendenbetrag stockte die Stiftung auf EUR 100.000 auf. Das war der Anfang. Dann taten sich CMS und die CMS Stiftung mit den Kooperationspartnern Pro Bono Deutschland e. V. und dem Corporate Citizenship- und CSR-Netzwerk UPJ sowie weiteren Kanzleien zusammen, um die junge Legal-Aid-Initiative „Immigration4Ukraine“ auf stabile Beine zu stellen. Inzwischen hat sich daraus eine kanzlei- und organisationsübergreifende Pro-bono-Initiative entwickelt mit dem Ziel, Menschen, die aus der Ukraine flüchten wollen oder schon geflüchtet sind, eine erste rechtliche Orientierung und Beratung zu bieten.
CMS hat seinen Mitarbeitenden deutlich gemacht: Engagement ist willkommen
Eine, die durch die Initiativen von CMS und der CMS Stiftung Unterstützung erhalten hat, ist Bohdana Kutsenko, eine ehemalige Mitarbeiterin von CMS in Kiew. Zusammen mit ihrer Mutter ist sie geflohen. Sie spricht gut Deutsch, da sie eine Zeit lang in Deutschland gelebt hat. In Köln angekommen, hatte sie das Bedürfnis, ihren geflüchteten Landsleuten zu helfen. Sie nahm Kontakt zu CMS auf, unterstützte beim Aufbau der Immigration4Ukraine-Plattform auf Russisch und Ukrainisch und übersetzte auch bei einigen individuellen Rechtsberatungen. „Viele Menschen, die aus der Ukraine herkommen, sprechen kein Englisch“, sagt sie. „Da ist diese Website sehr wichtig. Sie stellt alle Informationen zur Verfügung, die Geflüchtete benötigen.“ Kutsenko kennt die Problematik von ihrer eigenen Mutter, die ohne ihre Tochter ziemlich hilflos wäre. Ein Besuch beim Arzt, Medikamente aus der Apotheke holen, Behördengänge – all das kann die Mutter nicht allein (Lesen Sie das ausführliche Interview mit Bohdana Kutsenko über ihre Fluchterfahrung und das Ankommen in Deutschland hier.).
Mit dieser Realität sind auch Inka Knappertsbusch und Julia Tänzler-Motzek vertraut, beide Arbeitsrechtlerinnen bei CMS. Sie unterstützen Immigration4Ukraine mit Pro-bono-Beratung von Geflüchteten sowie der Bereitstellung von rechtlichen Informationen auf der Plattform. „Es kommt nicht so oft vor, dass man mit juristischen Kenntnissen etwas so Sinnvolles für eine so große Menge von Menschen tun kann“, sagt Inka Knappertsbusch, die gleich in der Anfangsphase der Legal-Aid-Plattform erste Fälle übernommen hat. Die beiden sind froh darüber, dass ihr Arbeitgeber von Anfang an deutlich gemacht hat, dass er das Engagement seiner Mitarbeitenden für die Ukraine-Projekte unterstützt. „Das ist ein tolles Signal“, sagt Knappertsbusch.
Etwas zu tun hilft auch den Engagierten im Umgang mit dem Krieg
Und trotzdem können die rund 140 auf der Plattform registrierten Anwältinnen und Anwälte, darunter knapp 20 von CMS, nicht immer alle Anfragen direkt bearbeiten. „Zu Anfang ging es ums Aufenthaltsrecht, ums Ankommen“, sagt Julia Tänzler-Motzek, Expertin im Aufenthaltsrecht. Welche Behörde ist zuständig? Was steht einem Geflüchteten zu, was nicht? Dann sei es um die Wohnungssuche gegangen und schließlich um Arbeitsrecht. Jetzt kommen viele Alltagsfragen hinzu. „Es geht hier oft um Einzelschicksale. Das kann emotional herausfordernd sein“, merkt Tänzler-Motzek an. „Aber es ist auch unheimlich motivierend, den Menschen mit solchen Erlebnissen und Schicksalen zur Seite zu stehen.“
Ähnliches berichten alle, die sich über die Plattform für den Rechtszugang Geflüchteter einsetzen: dass ihr Engagement motiviert und der Ohnmacht, die der russische Angriffskrieg im ersten Moment ausgelöst hat, etwas entgegensetzt.
Daria Singer, gebürtig aus der Ukraine und als externe Mitarbeiterin Teil des Projektmanagement-Teams von UPJ, drückt es so aus: „Ich war nach Kriegsausbruch erstmal geschockt, fühlte mich wie gelähmt. Das Engagement hat mir auch persönlich geholfen, aus diesem Tief herauszukommen.“
Einen wichtigen Schritt hat auch Bohdana Kutsenko gemacht. Sie wird die Plattform weiter begleiten, aber sie hat auch eine weitere neue Aufgabe: Sie arbeitet wieder für CMS. Nicht in Kiew. In Köln, als Teamassistentin.
Der Beitrag wurde in Zusammenarbeit mit Bastian Henrichs erstellt.