9. Dezember 2010
Kanzleialltag

Liebe Redaktion der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung!

Jüngst plagten uns ernste Sorgen um den Seelenzustand unserer Standeskollegen in der exquisiten Rechtsabteilung Ihres Verlages: Wir sind es in unserer beruflichen Tätigkeit ja gewohnt, gewissen Vorurteilen gegenüber Juristen im Allgemeinen und Rechtsanwälten im Besonderen zu begegnen. Gelegentlich wird es dann aber doch etwas zu persönlich mit den Klischees – so wie neulich bei Ihrer ansonsten hoch geschätzten Publikation.

Unter der Überschrift „Vorzeigequartier wartet auf Anschluss″ berichten Sie im Immobilienteil über den Kölner Rheinauhafen. Im dortigen Kranhaus 1 befindet sich unser Kölner Büro.

Der Autor Ihres Artikels scheint beim Flanieren durch das Areal ob der versprochenen Verbindung von urbanem Leben mit Arbeiten und Lifestyle ziemlich enttäuscht gewesen zu sein und stellt fest:

„eineinhalb Jahre vor dem Ende der Bauarbeiten ist klar: Ein pulsierendes Viertel wird sich hier wohl nie entwickeln.″

Das mag als persönliche Prognose taugen (wiewohl wir uns als Anrheiner fragen, ob das Herbeizaubern des anderswo über Jahrzehnte entwickelten urban-pulsierenden Lebens ausschließlich mit den Mitteln von Stadtentwicklung und Architektur nicht eine etwas übersteigerte Erwartung wäre) – indes überraschen die folgenden Sätze:

„Stattdessen huschen morgens blasse Männer in anthrazitgrauen Anzügen in die Bürobauten, danach herrscht Leere auf den zubetonierten Flächen. Von Leben zeugen einzig ein paar Palmen, die in Blumenkübeln gefangen sind. Statt Bäume zu pflanzen, haben die Entwickler das Areal mit der größten Tiefgarage Europas unterkellert. Allein 14 Anwaltskanzleien haben sich im Rheinauhafen angesiedelt.″

Wir waren zunächst irritiert. Dass eine gewisse Dichte von Anwaltskanzleien die Entwicklung eines pulsierenden Viertels per se verhindern soll – geschenkt. Aber dass unsere geschätzten Kolleginnen und Mitarbeiterinnen, unsere die Farbpalette jenseits des Anthrazit ausnutzende Bekleidung und die aktuell nochmals ausdrücklich geprüfte gesunde Gesichtsfarbe der Belegschaft so komplett ignoriert werden, hat uns auch persönlich getroffen.

Dann aber fiel uns auf, dass es im Umfeld des FAZ-Verlages ja bekanntlich so ganz und gar anders zugeht: Dort promeniert jeden Morgen die gesamte Redaktion in quietschbunten Hawaiihemden, mit konstant seychellenbraunen Gesichtern und unter Musikbegleitung zur Freude der Anwohner an ihren Arbeitsplatz, und auch für den Rest des Tages herrscht (bis in die späte Nacht) pralles Leben – Musiker, Zauberer und andere Gaukler ziehen ohne  Unterlass um den Verlagskomplex, und Marketenderinnen bieten allerlei Spezereien feil:

Wie konnten wir das nur vergessen? Sorry! – Dafür gibts beim nächsten Ausflug zu den grauen Herren in der tristen Betonöde am Rheinufer Kaffee und Kuchen, Anruf genügt.

Mit herzlichen Grüßen

Michael Kamps, CMS Hasche Sigle

Tags: Anwaltsklischees Architektur Klischees Köln Rheinauhafen Vorurteile