Der Zivilprozess zieht sich und zieht sich und zieht sich. Trotz Beweisbeschluss sind die Einzelheiten der Angelegenheit immer noch nicht aufgeklärt, es hängt am Sachverständigen. Also Geduld haben und Tee trinken und nichts tun? Das OLG Frankfurt hat in seinem Beschluss vom 09.06.2011 (Az. 1 W 30/11) klargestellt, dass die Verfahrensbeteiligten in solchen Situationen den richtigen Zeitpunkt für eine Untätigkeitsbeschwerde nicht verpassen dürfen.
Der Beschluss des OLG Frankfurt bezieht sich auf ein Beweisverfahren, das seit Jahren beim Landgericht in der Schwebe hing: Der Beweisbeschluss stammte bereits aus dem Dezember 2008. Allerdings wurde der erste Sachverständige, der mit den Beweisfragen betraut wurde, mit Beschluss vom 15.07.2009 von seiner Aufgabe entbunden. Damit war auch der Antragsteller der späteren Untätigkeitsbeschwerde einverstanden. Der zweite Sachverständige gab seinen Auftrag zurück, da er das Gutachten aus Zeitgründen nicht erstatten konnte. Also kam ein dritter Sachverständiger ins Spiel. Gegen dessen Bestellung wendete sich allerdings die Gegenpartei. Mitte August 2010 wurde schließlich der vierte Sachverständige bestellt. Nachdem auch nach Monaten noch kein Gutachten vorlag, regte der Antragsteller der späteren Untätigkeitsbeschwerde Anfang April 2011 an, dem Sachverständigen zur Erstellung des Gutachtens eine Frist zu setzen. Wenige Tage nach diesem Antrag hakte die Dezernentin, die zwischenzeitlich für das Verfahren bei dem Landgericht zuständig war, bei dem Sachverständigen nach: Die ernüchternde Auskunft lautete, dass das Gutachten erst in zwölf Monaten erstattet werden könne. Der Antragsteller wollte allerdings nicht mehr warten. Noch bevor ihm die Antwort des Sachverständigen vorlag, erhob er am 09.05.2011 Untätigkeitsbeschwerde. Ein Selbstläufer nach nunmehr fast zweieinhalb Jahren des ins Stocken gekommenen Beweisverfahrens?
Das OLG Frankfurt hegte zwar keine grundsätzlichen Bedenken gegen den Rechtsbehelf einer Untätigkeitsbeschwerde. Zwar sei die Untätigkeitsbeschwerde nicht in der ZPO geregelt. Aus verfassungsrechtlichen Gründen sei dieser „Tu was-Rechtsbehelf″ allerdings in besonderen Konstellationen statthaft. Solche außerordentliche Rechtsbehelfe könnten aber nur unter äußerst engen Voraussetzungen eröffnet sein. Voraussetzung für eine zulässige Untätigkeitsbeschwerde sei daher, dass die Untätigkeit auch tatsächlich noch bei Einlegung der Untätigkeitsbeschwerde vorgelegen habe (aktuelle Untätigkeit). Denn im Rahmen einer Untätigkeitsbeschwerde sei nicht auf eine Gesamtbetrachtung des Verfahrens abzustellen. Untätigkeitsbeschwerden mit dem Ziel, eine Untätigkeit in der Vergangenheit festzustellen, seien somit unzulässig.
An einer aktuellen Untätigkeit fehle es jedoch vorliegend. Die neue Dezernentin habe auf die Anregung des Antragstellers im April 2011 unverzüglich bei dem vierten Sachverständigen nach dem Sachstand nachgefragt. Nach Auffassung des OLG Frankfurt hätten zu einem früheren Zeitpunkt für die Notwendigkeit eines solchen Nachhakens auch noch keinerlei Anhaltspunkt bestanden. Denn dass der Sachverständige innerhalb von 6 Monaten nach seiner Bestellung gänzlich untätig geblieben sei, sei nach Auffassung des OLG Frankfurt bei einem öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen nicht ohne Weiteres zu erwarten.
Insofern sieht das OLG Frankfurt also keine aktuelle Pflichtverletzung des Landgerichts durch eine mangelnde Anleitung oder Überwachung des Sachverständigen. Geduld zu haben, mag eine Tugend sein. Allerdings zahlt sich dies nicht immer aus: Der richtige Zeitpunkt für eine Untätigkeitsbeschwerde darf dadurch jedenfalls nicht versäumt werden.