6. März 2020
RAPEX löschen
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„Ausradiert“ – Hersteller können Löschung einer RAPEX-Meldung verlangen

Erstmals hat ein Verwaltungsgericht festgestellt, dass Hersteller gegen eine unzutreffende RAPEX-Warnung vorgehen und die Löschung durchsetzen können.

Das europäische Schnellwarnsystem „Rapid Exchange Information System”, kurz RAPEX, wurde 2001 durch die EU-Richtlinie zur Produktsicherheit eingeführt. RAPEX ermöglicht den schnellen behördlichen Austausch von Informationen über unsichere Produkte, insbesondere Konsumgüter mit der Ausnahme von Nahrungs- und Arzneimitteln sowie medizinischen Geräten. Die von der Europäischen Kommission erstellten „RAPEX-Leitlinien“ wurden zuletzt Ende 2018 aktualisiert und der Anwendungsbereich unter anderem auch auf Produkte ausgedehnt, die gewerblich genutzt werden.

RAPEX-Warnungen: Funktionsweise und Ziele

Das RAPEX-System funktioniert dabei wie folgt: Die nationalen Marktüberwachungsbehörden melden – in Deutschland über die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) – der Europäischen Kommission Informationen über gefährliche Produkte, wenn diese ein „ernstes Risiko“ darstellen und einen Rückruf oder eine Rücknahme der Produkte erforderlich machen, §§ 30, 26 ProdSG.

Die Risikobewertung berücksichtigt insofern die Art der Gefahr und den Schweregrad einer möglichen Verletzung von Leib und Leben sowie die Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Verletzung. Die Kommission prüft die Meldungen auf die Übereinstimmung mit den RAPEX-Leitlinien und leitet diese anschließend an die Behörden der am RAPEX-System teilnehmenden Staaten weiter. Zudem veröffentlicht die Kommission wöchentlich die Produkte, um insbesondere die Verbraucher vor den Gefahren dieser Produkte zu warnen.

Fehlerhafte RAPEX-Meldungen lösen große Schäden bei Unternehmen aus

In der Vergangenheit ist es jedoch immer wieder vorgekommen, dass von den gemeldeten Produkten tatsächlich keine Gefahren ausgingen und die RAPEX-Meldungen unzutreffend waren. Eine solche unzutreffende Warnung kann dem Hersteller erheblichen – finanziellen und auch immateriellen – Schaden zufügen. Bereits ein notwendiger Rückruf ist für den Ruf eines Unternehmens eine große Belastung; mehr noch gilt dies aber, wenn ein Produkt öffentlich „angeprangert“ wird, welches tatsächlich gar nicht unsicher ist.

Sehr verständlich ist daher, dass Hersteller bemüht sind, sich gegen diese falschen Meldungen zu wehren. Bislang hatten die Hersteller der gelisteten Produkte aber kaum Chancen, die Beseitigung der unzutreffenden Warnung vor ungefährlichen Produkten zu erzwingen, da sich weder die Europäische Kommission noch die Behörden auf Bundes- und Landesebene zuständig fühlten.

Entscheidung des Verwaltungsgerichts Münster

Das Verwaltungsgericht Münster entschied nun mit Urteil vom 13. November 2019 (Az.: 9 K 2514/16) – soweit ersichtlich erstmals – dass die Hersteller eines zu Unrecht gemeldeten Produkts die Beseitigung der RAPEX-Meldung erzwingen können, wenn der Meldung eine fehlerhafte Risikobewertung zugrunde liege.

Geklagt hatte ein Hersteller von Radiergummis in Gestalt von Golfschlägern oder Tierfiguren, die als Spielzeug für Kinder über drei Jahre deklariert waren. Das Produkt wurde bereits seit Jahren ohne besondere Vorkommnisse verkauft. Auf der Website der Kommission war der Radiergummi als „ernstes Risiko“ gemeldet worden. Dagegen wendete sich der Hersteller mit Erfolg.

Das Verwaltungsgericht urteilte, dass die nach dem Landesrecht zuständige Marktüberwachungsbehörde, die das Produkt beanstandet hat und die Meldung zur Liste veranlasst hat, für die Beseitigung verantwortlich sei. Denn auch wenn die BAuA die von der Marktüberwachungsbehörde mitgeteilten Meldungen auf Vollständigkeit zu prüfen und zu validieren hat, bleibe die Fachverantwortung bei der Marktüberwachungsbehörde. Wenn die Einschätzung der Behörde zum vom Produkt ausgehenden Risiko falsch ist, habe sie zur Durchsetzung des sogenannten Folgenbeseitigungsanspruchs des Herstellers bei der Europäischen Kommission einen Antrag auf dauerhafte Entfernung der RAPEX-Meldung aus dem RAPEX-System und von der Website der Europäischen Kommission zu stellen.

Auswirkung auf die Praxis: Gegen zweifelhafte RAPEX-Meldungen vorgehen!

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Münster ist zu begrüßen und ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem effizienteren Warnsystem. Bislang hatten Hersteller trotz einer unzutreffenden Risikobewertung ihres Produktes durch die Behörde und einer daher unzutreffenden Warnung kaum Chancen, sich gegen die erfolgte Veröffentlichung durch die Europäische Kommission zu wehren.

Das nun veröffentlichte Urteil eröffnet den Herstellern die Chance, die Beanstandung ihres Produkts zu überprüfen und im Fall der unzutreffenden Risikobewertung die Löschung der Meldung durchzusetzen. Zugleich wird durch die Entscheidung auch das Vertrauen in die RAPEX-Meldungen gestärkt, da wieder stärker davon ausgegangen werden kann, dass von den als gefährlich gemeldeten Produkten auch tatsächlich eine Gefahr ausgeht.

Das Verwaltungsgericht hat die Berufung zugelassen. Es dürfte allerdings schon jetzt anzunehmen sein, dass Behörden künftig verstärkt auf belastbare Einschätzungen achten. Aus praktischer Sicht ist Unternehmen daher noch dringender zu empfehlen, bei dem Verdacht eines unsicheren Produktes eine eigene umfangreiche Risikobewertung vorzunehmen und der Behörde zur Verfügung zu stellen. Das wird die Behörde nicht hindern, selbst eine Bewertung vorzunehmen; sie wird sich aber schwerer tun, aufgrund möglicherweise widersprechender Bewertungen „leichtfertig“ eine Meldung an die BAuA abzugeben.

Tags: Eintrag Hersteller Löschung Meldung RAPEX Warnung