17. Juni 2016
Herstellergarantie Tuning Tacho-Manipulation
Commercial

Fehlende Herstellergarantie ist Sachmangel

Der BGH hat entschieden, dass der Wegfall der Herstellergarantie bei Tacho-Manipulation und Tuning den Gebrauchtwagenkäufer zur Rückabwicklung berechtige.

Nach Schätzungen des ADAC ist bei jedem dritten in Deutschland verkauften Gebrauchtwagen der Tachostand manipuliert worden, um einen höheren Kaufpreis zu erzielen. Gebrauchtwagenkäufern entsteht dadurch jährlich ein geschätzter Schaden von 6 Milliarden Euro. Der BGH verdeutlicht, dass die fehlende Herstellergarantie nach einer Tacho-Manipulation ein Sachmangel ist, der den Gebrauchtwagenkäufer zum Rücktritt berechtigt.

Der BGH hatte erst jüngst die Revision gegen ein Urteil des OLG Köln verworfen, wonach der Gebrauchtwagenkäufer wegen möglicher Schwierigkeiten bei der Geltendmachung von Garantieansprüchen den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten kann, wenn er nicht über das Tuning des Fahrzeugs informiert wurde.

Die Stärkung der Käuferrechte durch den BGH dürfte Tacho-Manipulationen und Tuning bei neuen Fahrzeugen deutlich unattraktiver machen.

BGH: Wegfall der Herstellergarantie ist Sachmangel

Das Landgericht Ingolstadt und das Oberlandesgericht München hatten in den Vorinstanzen ein Rücktrittsrecht des Gebrauchtwagenkäufers abgelehnt, weil das Fehlen der Herstellergarantie kein Sachmangel im Rechtssinne sei. Bei der Herstellergarantie handele es sich nicht um ein Beschaffenheitsmerkmal eines Gebrauchtwagens.

Der BGH (VIII ZR 134/15) versteht den Sachmangelbegriff nach dem neuen Schuldrecht deutlich weiter. Das Fehlen der Herstellergarantie sei ein Faktor, der nach der Verkehrsauffassung erheblichen Einfluss auf die Wertschätzung des Fahrzeugs habe. Der Herstellergarantie komme bei Fahrzeugen sogar ein erhebliches wirtschaftliches Gewicht zu.

OLG Köln: Verschweigen von Chip-Tuning berechtigt zur Anfechtung

Das OLG Köln (16 U 23/15) hat in einem anderen Fall jüngst entschieden, dass ein Gebrauchtwagenkäufer wegen arglistiger Täuschung den Kauf anfechten könne, wenn er nicht über das Tuning des Fahrzeugs informiert worden sei.

Das Tuning sei eine für den Käufer relevante Eigenschaft der Kaufsache, weil es jedenfalls die Durchsetzung von Garantieansprüchen gegen den Hersteller erschwere. Die vom OLG zugelassene Revision wurde vom BGH verworfen (VIII ZR 286/15).

Auswirkungen auf den Gebrauchtwagenhandel

Schon vor der Entscheidung des BGH war klar, dass ein manipulierter Kilometerstand unter bestimmten Voraussetzungen einen Sachmangel darstellen kann, der den Käufer zum Rücktritt berechtigt. In der Praxis scheiterte die Durchsetzung des Rücktrittsrechts jedoch vielfach an der schweren Nachweisbarkeit der Manipulation.

Deswegen ist die Entscheidung des BGH wichtig. Gebrauchtwagenkäufern, denen aufgrund einer Manipulation der Laufleistung Garantieansprüche seitens des Herstellers verweigert werden, können allein gestützt auf die fehlende Herstellergarantie vom Kaufvertrag zurücktreten. Natürlich gilt dies nur für Gebrauchtwagen, die mit vermeintlicher Herstellergarantie verkauft werden – also insbesondere „junge Gebrauchtwagen″, die noch keine zwei Jahre alt sind.

Doch die Auswirkungen des Urteils dürften über die Rechte von Gebrauchtwagenkäufern bei Tacho-Manipulationen hinausgehen. Die Herstellergarantie erlischt regelmäßig bei jedem nachträglichen Eingriff in den Motor, d.h. insbesondere auch beim sog. Chip-Tuning und anderen Tuning-Leistungen, die gerade auch für Neuwagen vielfach angeboten werden. Werden entsprechend getunte Fahrzeuge innerhalb der ersten zwei Jahre als Gebrauchtwagen angeboten, muss zukünftig darauf hingewiesen werden, dass keine Herstellergarantie besteht. Anderenfalls wird der Käufer unter Hinweis auf die fehlende Garantie vom Vertrag zurücktreten können.

Tags: Herstellergarantie Tacho-Manipulation Tuning