Das seit 1. Januar 2022 geltende Lobbyregistergesetz des Bundes hat einen sehr weiten Anwendungsbereich und kann empfindliche Rechtsfolgen mit sich bringen.
Das Lobbyregistergesetz wurde am 25. März 2021 vom Deutschen Bundestag beschlossen und am 16. April 2021 im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl. 2021 I S. 818, Anhang 1). Es ist seit dem 1. Januar 2022 in Kraft. Wenn Anmeldungen zum Register bis Ende Februar 2022 erfolgen, gelten sie in jedem Falle als rechtzeitig.
Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich
In persönlicher Hinsicht ist das Lobbyregistergesetz weit gefasst. Interessenvertreter* sind demnach
alle natürlichen oder juristischen Personen, Personengesellschaften oder sonstigen Organisationen, auch in Form von Netzwerken, Plattformen oder anderen Formen kollektiver Tätigkeiten,
die Interessenvertretung i.S.d. Lobbyregistergesetzes betreiben oder in Auftrag geben. Der Ansatz, wonach „sonstige Organisationen“, die nicht bereits juristische Person oder Personengesellschaft sind, mithin nicht einmal die Hürde zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts nehmen, durch das Lobbyregistergesetz gleichwohl als solche rechtlich verpflichtet werden können, wirft etliche Fragen auf.
Auch die Interessenvertretung ist als
jede Kontaktaufnahme zum Zweck der unmittelbaren oder mittelbaren Einflussnahme auf den Willensbildungs- oder Entscheidungsprozess der Organe, Mitglieder, Fraktionen oder Gruppen des Deutschen Bundestages
und der Bundesregierung denkbar weit definiert. Zur Bundesregierung gehören über die grundgesetzliche Definition hinaus nicht nur Bundeskanzler und Minister, sondern auch Personen auf den Arbeitsebenen darunter bis einschließlich zum Unterabteilungsleiter. Bereits der Versuch einer Kontaktaufnahme gilt als „Kontaktaufnahme“.
Pflicht zur Eintragung ins Lobbyregister
Interessenvertreter unterliegen der Pflicht zur Eintragung ins Lobbyregister, wenn die Interessenvertretung regelmäßig betrieben wird, sie auf Dauer angelegt ist, sie geschäftsmäßig für Dritte betrieben wird oder innerhalb der jeweils letzten drei Monate mehr als 50 unterschiedliche Interessenvertretungskontakte aufgenommen wurden. Dafür soll eine E-Mail an 51 Bundestagsabgeordnete ausreichen.
„Regelmäßig“ wird die Interessenvertretung nach Auffassung der Bundestagsverwaltung bereits betrieben, wenn in einem überschaubaren Zeitraum drei Kontaktaufnahmen erfolgen. Was unter einem „überschaubaren Zeitraum“ genau zu verstehen ist, bleibt unklar. Wenn ein Unternehmen über eine in Berlin ansässige Public Affairs-Abteilung verfügt, dürfte unstreitig sein, dass dort Interessenvertretung „auf Dauer“ erfolgt. Bei der Klärung von Fällen, die weniger eindeutig sind, soll ein Handbuch des Deutschen Bundestages mit stolzen 171 Seiten (zzgl. Anlagen) unterstützen.
Zahlreiche Ausnahmen von der Eintragungspflicht für Interessenvertreter
Die Liste der Interessenvertreter, die von einer Eintragungspflicht ausgenommen sind, ist lang. Die Ausnahmen sind grundsätzlich plausibel. Und soweit die Ausnahme über die Art des Interessenvertreters definiert wird (z.B. Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerverband, Presse, Kirche), dürfte die Gesetzesanwendung gut handhabbar sein.
Schwieriger wird es bei den Ausnahmen, die über die Art der Interessenvertretung erfolgen. Formuliert z. B. ein Unternehmer, der regelmäßig einen Bundestagsabgeordneten trifft, ausschließlich persönliche Interessen (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1 LobbyRG)? Oder wird in einem Gespräch über ein neues Windrad in der Region nicht über die Energiewende, sondern nur über ein „Anliegen von ausschließlich lokalem Charakter“ gesprochen, von dem nur „zwei Wahlkreise“ betroffen sind (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 2 LobbyRG)? Die gleiche Frage stellt sich bspw. beim Bau einer Ausfahrt für eine Bundesautobahn. Das Handbuch des Deutschen Bundestages (dort S. 21) sieht bei der Voraussetzung des lokalen Charakters gar die Voraussetzung, dass es sich um „zwei aneinandergrenzende Wahlkreise“ handeln muss, um in den Genuss des Befreiungstatbestandes zu kommen.
Wer von einer Ausnahme profitiert, kann sich gleichwohl freiwillig registrieren, muss dann aber sämtliche gesetzliche Verpflichtungen eines Interessenvertreters erfüllen und riskiert bei Versäumnissen ebenfalls Bußgelder. Wer indessen zu dem Ergebnis gelangt, dass er derzeit keine Interessenvertretung tätigt, dies aber vorhat oder derzeit unterhalb der vorbeschriebenen Schwellen agiert, kann sich nicht vorsorglich registrieren. Ein Monitoring und diszipliniertes Vorgehen in Sachen Interessenvertretung sind also auch dann gefragt, wenn man sich derzeit nicht registrieren muss.
Registrierungspflicht mit hohem Verwaltungsaufwand und Ausweitung der Transparenz
Für alle Personen und Unternehmen, die einer Registrierungspflicht unterliegen, bedeutet das Gesetz einen hohenVerwaltungsaufwand und eine Ausweitung der bisherigen Transparenz. Auch das Unternehmen, für das bislang keine handelsrechtliche Offenlegungspflicht besteht, muss dann Jahresabschlüsse veröffentlichen.
Hoher Aufwand kann, je nach Zuschnitt der Unternehmenstätigkeit, in der Zusammenstellung der Angaben zu einzelnen Zuwendungen und Zuschüssen der öffentlichen Hand (auf EU-, Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene) bestehen. Nicht alle Zuwendungen und Zuschüsse sind anzugeben. Doch schon die Ermittlung der offenzulegenden Zuwendungen kann erheblichen Aufwand und am Ende auch Rechtsunsicherheit bedeuten. So sind bspw. Zins- und Tilgungszuschüsse von Förderbanken wie der KfW regelmäßig anzugeben.
Hohen Prüfungs- und Verwaltungsaufwand bringt das Lobbyregistergesetz auch und insbesondere für Konzerne, die ihre Interessen gegenüber der Politik vertreten. Hierzu wird in den nächsten Tagen ein separater Blogbeitrag erscheinen.
Verstöße gegen Pflicht zur Eintragung ins Lobbyregister sind bußgeldbewehrt
Eine unterbliebene, unvollständige oder unzutreffende Registrierung kann bei Vorsatz ein Bußgeld von bis zu EUR 50.000, bei Fahrlässigkeit von bis zu EUR 20.000 nach sich ziehen.
Zudem wird auch im Zusammenhang mit dem Lobbyregistergesetz wieder ein „Naming and Shaming“-Ansatz verfolgt. Auf www.lobbyregister.bundestag.de besteht nicht nur die Möglichkeit der Registrierung und der Einsichtnahme in das Register. Auch „Interessenvertreter/-innen, die Angaben verweigert haben“ und ähnliche Kategorien sind einsehbar.
Akuter Prüfungs- und etwaiger Handlungsbedarf bis Ende Februar 2022
Unternehmen, insbesondere Unternehmensgruppen, sollten sich zügig ein Bild von der eigenen Interessenvertretung i.S.d. Lobbyregistergesetzes machen. Die von Seiten des Managements ungewollte und dem Management bislang unbekannte Interessenvertretung sollte unverzüglich unterbunden werden. Im Fall der festgestellten Registrierungspflicht sollte die Registrierung bis spätestens Ende Februar 2022 vorgenommen werden. Zudem sollte ein Monitoring der Aktivitäten eingerichtet werden, ggf. unterstützt durch unternehmensinterne Regelungen.
Parallel sollte, je nach Sitz und Zuschnitt des Unternehmens, geprüft werden, ob ein entsprechendes Gesetz auf Landesebene einschlägig ist.
*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.