12. Dezember 2016
Ombudsmann Anonymität
Compliance

Ombudsmann: Zusicherung der Anonymität für Hinweisgeber erschwert

Nach einer Entscheidung des LG Bochum können Ermittlungsbehörden unter bestimmten Voraussetzungen die Räumlichkeiten von externen Ombudsleuten durchsuchen.

Compliance-Verstöße, u.a. in Gestalt von Korruption, Untreue oder Betrug, lassen sich auch durch ausgefeilte Compliance-Management-Systeme nicht verhindern. Der Aufdeckung von Compliance-Verstößen durch anonyme Hinweise von Mitarbeitern des Unternehmens oder durch Dritte kommt daher in der Praxis eine wichtige Bedeutung zu.

Es existieren unterschiedliche Systeme und Möglichkeiten der Kommunikation des Unternehmens mit dem potentiellen Hinweisgeber. In der Praxis recht häufig ist mittlerweile das Modell des Ombudsmanns.

Externer Rechtsanwalt als Schnittstelle zwischen Unternehmen und Hinweisgeber

Meist wird ein externer Rechtsanwalt damit beauftragt, als Schnittstelle zwischen Unternehmen und Hinweisgeber zu fungieren. Er nimmt die Hinweise von dem Informanten entgegen, filtert diese und leitet sie anschließend in der Regel anonym an das Unternehmen weiter.

Häufig wird dem Hinweisgeber die Wahrung seiner Anonymität zugesichert und damit begründet, die Strafverfolgungsbehörden könnten etwaige Unterlagen des Hinweisgebers beim Rechtsanwalt nicht beschlagnahmen. Wie das LG Bochum kürzlich entschieden hat, kann dieses Versprechen nicht in jedem Fall gehalten werden.

Staatsanwaltschaft erwirkt Durchsuchungsbeschluss bei Ombudsfrau

In dem durch das LG Bochum entschiedenen Sachverhalt hatte ein Unternehmen eine Rechtsanwältin als Ombudsfrau eingesetzt, um anonyme Hinweise auf Compliance-Verstöße entgegenzunehmen. In dieser Funktion erhielt die Ombudsfrau eine anonyme Anzeige eines Hinweisgebers, in welcher dieser schwere Untreuevorwürfe gegen den Geschäftsführer eines Unternehmens erhob.

Die Staatsanwaltschaft erwirkte einen Durchsuchungsbeschluss für die Räumlichkeiten der Ombudsfrau, um Zugriff auf die anonyme Anzeige zu bekommen. Zur Abwendung der Durchsuchung übergab die Rechtsanwältin die anonyme Anzeige und legte zugleich Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss ein. Diese begründete sie damit, bei der anonymen Anzeige handle es sich um durch ihr Mandatsverhältnis geschützte und beschlagnahmefreie Unterlagen. Im Ergebnis folgte das LG der Auffassung der Staatsanwaltschaft und bejahte die Beschlagnahmefähigkeit der anonymen Anzeige bei der Ombudsfrau.

Beschlagnahme der anonymen Anzeige zulässig

Im Kern entschied das LG, dass die Beschlagnahmevorschrift des § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO Compliance-Ombudsleute im Hinblick auf die Erlangung von Informationen anonymer Hinweisgeber nicht schützt. Zwischen dem Ombudsmann und dem Hinweisgeber bestehe kein schutzwürdiges mandatsähnliches Vertrauensverhältnis.

Nach § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO dürfen Gegenstände, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht eines Rechtsanwalts erstreckt, nicht beschlagnahmt werden. Rechtsanwälte sind zur Zeugnisverweigerung über das berechtigt, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut oder bekannt geworden ist. Im entschiedenen Fall wurde die Ombudsfrau, wie in der Praxis regelmäßig der Fall, durch das Unternehmen beauftragt.

Kein Mandatsverhältnis zwischen Hinweisgeber und Ombudsfrau

An das Vorliegen eines mandatsähnlichen Vertrauensverhältnisses sind nach der Entscheidung hohe Anforderungen zu stellen. Diese seien vorliegend nicht erfüllt gewesen. Zwischen dem Hinweisgeber und der Ombudsfrau bestand demnach keine Mandatsbeziehung.

Der im Strafverfahren nicht beschuldigte und auch strafrechtlich nicht gefährdete Hinweisgeber sei gerade nicht in der Situation gewesen, sich ohne Furcht vor strafrechtlicher Verfolgung anwaltlichen Beistands bedienen zu müssen. Auch die Zusicherung einer vertraulichen Behandlung durch die Rechtsanwältin im Hinblick auf die in ihrer Funktion als Ombudsfrau erlangten Informationen genüge für die Annahme eines mandatsähnlichen Vertrauensverhältnisses zu dem anonymen Hinweisgeber nicht. Andernfalls bestehe die Gefahr der Aushebelung der gesetzlichen Vorschriften über die Zulässigkeit strafprozessualer Maßnahmen im Wege von privatrechtlichen „Zusagen“.

Auswirkungen für die Praxis: Vorteile des Ombudsmann-Systems werden hinfällig

Der Entscheidung kommt eine wichtige Bedeutung im Hinblick auf die Ausgestaltung von Hinweisgeber- und Ombudsmann-Systemen zu. Ein Kernbestandteil von Ombudsmann-Systemen besteht bislang in der Zusicherung der Anonymität oder der vertraulichen Behandlung gegenüber dem Hinweisgeber. Diese Zusicherung können das Unternehmen und der durch das Unternehmen als Ombudsmann eingesetzte Rechtsanwalt nach der Entscheidung des LGs Bochum nicht mehr uneingeschränkt geben.

Ein Schutz der Anonymität des Hinweisgebers könnte zwar theoretisch durch ein mandatsähnliches Vertrauensverhältnis zwischen dem Ombudsmann und dem Hinweisgeber gewährleistet werden. Dies scheidet in der Praxis aber in der Regel aus, da der Ombudsmann vom Unternehmen beauftragt und in dessen Interesse tätig wird.

Es ist zu befürchten, dass sich infolge der Entscheidung potentielle Hinweisgeber gegen eine anonyme Anzeige entscheiden. Damit würde die Bedeutung von Ombudsmann- und Hinweisgeber-Systemen, die bislang ein wichtiger Bestandteil wirksamer und funktionierender Compliance-Systeme sind, abnehmen.

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