Befindet sich ein Unternehmen in der Krise, kann eine Entlastung der Geschäftsführer durch externe Berater sinnvoll - mit Einschränkungen.
Befindet sich ein Unternehmen in der Krise, haben es die Geschäftsführer in Deutschland nicht leicht. Sie sind verpflichtet, die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft in der Krise laufend zu überwachen und bei Vorliegen eines Insolvenzgrundes unverzüglich einen Insolvenzantrag zu stellen. Die Einschaltung externer fachkundiger Berater liegt deshalb nahe.
Der BGH hat sich jüngst zu den Anforderungen einer solchen Beauftragung im Hinblick auf die Exkulpation der Geschäftsführung geäußert.
BGH ermöglicht Geschäftsführer eine Entlastung durch „Outsourcing″ seiner Prüfungsaufgaben
Die Frage ist relevant: Denn die Feststellung der Insolvenzgründe Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) oder Überschuldung (§ 19 InsO) verlangt selbst einem fachkundigen Geschäftsführer viel ab, geht sie doch regelmäßig mit einer Vielzahl von komplexen rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Überlegungen einher.
Angesichts der strengen Insolvenzverschleppungshaftung der Geschäftsführer und der umfassenden Zahlungsverbote ist die Einbindung eines qualifizierten Beraters auch bei einem fachkundigen Geschäftsführer ohnehin dringend zu empfehlen. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund einer Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2007 (BGH, 14.05.2007 – II ZR 48/06). Darin hatte das Gericht festgestellt, dass ein organschaftlicher Vertreter einer Gesellschaft seine Insolvenzantragspflicht nicht schuldhaft verletzt, wenn er bei fehlender eigener Sachkunde zur Klärung des Bestehens der Insolvenzreife der Gesellschaft den Rat eines unabhängigen, fachlich qualifizierten Berufsträgers einholt. Dies gilt allerdings nur, wenn der organschaftliche Vertreter diesen über sämtliche für die Beurteilung erheblichen Umstände informiert und nach eigener Plausibilitätskontrolle der ihm daraufhin erteilten Antwort dem Rat folgt und von der Stellung eines Insolvenzantrags absieht.
Mit dieser Entscheidung hat der BGH dem Geschäftsführer die Möglichkeit eröffnet, durch „Outsourcing“ seiner Prüfungsaufgaben auf einen externen qualifizierten Berater der Insolvenzverschleppungshaftung und der Erstattungspflicht wegen Verletzung von Zahlungsverboten zu entgehen.
Vorsicht: nicht jeder externer Berater erfüllt Voraussetzungen
Dabei blieb jedoch ungeklärt, wer als externer qualifizierter Berater in Betracht kommt und wie der Prüfungsauftrag ausgestaltet sein muss, damit der Geschäftsführer neben einer Entlastung in den Genuss der Exkulpationsmöglichkeit kommt. Unter anderem diese Fragen beantwortet der BGH nunmehr mit seiner Entscheidung vom 27. März 2012 (BGH, 27.03.2012 – II ZR 171/10).
In dem zu Grunde liegenden Sachverhalt hat der Geschäftsführer einer kriselnden GmbH auf Veranlassung seiner Hausbank im August 2008 eine Unternehmensberaterin mit der Prüfung der Vermögenslage der Gesellschaft und etwaiger Sanierungsmöglichkeiten beauftragt. Am 09. November 2008 überreichte die beauftragte Unternehmensberaterin eine gutachterliche Stellungnahme, welche der Gesellschaft eine positive Fortführungsprognose bescheinigte. Am 12.12.2003 stellte der Geschäftsführer einen Insolvenzantrag, wobei sich im Insolvenzverfahren herausstellte, dass die Gesellschaft bereits zum Ende August 2008 zahlungsunfähig war. Daraufhin verlangte der Insolvenzverwalter vom Geschäftsführer alle seit Ende August 2008 getätigten Zahlungen zurück.
Der BGH stellte fest, dass die gutachterliche Stellungnahme der Unternehmensberaterin im vorliegenden Fall nicht geeignet war, den Geschäftsführer aus seiner Haftung zu entlassen. Dies begründete er unter anderem damit, dass der Geschäftsführer bereits im August 2008 die Zahlungsunfähigkeit selbst erkennen konnte und sich daher nicht ohne Weiteres auf das Ergebnis der gutachterlichen Stellungnahme verlassen durfte.
Zudem stellte das Gericht fest, dass der Prüfungsauftrag an die Unternehmensberaterin nicht hinreichend konkret war und der Geschäftsführer auf eine unverzügliche Erstellung der gutachterlichen Stellungnahme hätte hinwirken müssen. Die bloße unverzügliche Auftragserteilung genüge für die Exkulpation nicht.
In Anknüpfung an die Entscheidung aus dem Jahr 2007 präzisiert der BGH die Voraussetzungen der Exkulpationsmöglichkeit des Geschäftsführers bei Einschaltung externer Berater nun weiter:
-
Klargestellt hat das Gericht, dass die Einschaltung eines Wirtschaftsprüfers nicht zwingend erforderlich ist, um den Geschäftsführer zu entlasten. Auch andere Berufsgruppen, die über eine angemessene fachliche Qualifikation verfügen, können als Gutachter herangezogen werden. Damit kommen neben Wirtschaftsprüfern, auch Rechtsanwälte, Steuerberater oder Unternehmensberater als potentielle externe Gutachter in Betracht. Das Gericht deutet auch an, dass sich die fachliche Qualifikation für den Einzelfall anhand konkreter Umstände des Einzelfalls beurteilen kann z.B. anhand der Größe und der Komplexität der wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens.
-
Stellt der Geschäftsführer erste Anzeichen einer Krise fest und entschließt er sich, einen externen Berater einzuschalten, so muss der Prüfungsauftrag konkret die Prüfung der Insolvenzreife der Gesellschaft zum Gegenstand haben, um in den Genuss der Haftungserleichterung zu gelangen. Etwas anderes gilt nur, wenn der Geschäftsführer berechtigt erwarten kann, dass der beauftragte Berater im Zuge seines Prüfungsauftrags ohne spezifischen Auftrag auch die Insolvenzgründe beleuchten wird.
-
Der Geschäftsführer darf sich überdies nicht damit begnügen, den Prüfungsauftrag unverzüglich nach Feststellung von Anzeichen einer Krise zu erteilen. Vielmehr obliegt es ihm auch, die zügige Erstellung des Gutachtens oder der Stellungnahme voranzutreiben. Dabei muss der Geschäftsführer auch alle erforderlichen Unterlagen und Informationen zur Verfügung stellen, damit der externe Berater sich ein umfassendes Bild über die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft machen und auf dieser Grundlage eine Bewertung vornehmen kann.
-
Schließlich hat der BGH bestätigt, dass eine Prüfung durch einen externen Berater den Geschäftsführer nicht von einer eigenen Plausibilitätsprüfung des Ergebnisses entbindet. Kommt der externe Berater zum Ergebnis, dass eine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung nicht besteht, darf der Geschäftsführer dieses Ergebnis nicht ohne Weiteres hinnehmen, sondern muss eine gebotene Plausibilitätskontrolle durchführen.
Fazit: Entlastung der Geschäftsführer sinnvoll – mit Einschränkung
Die Entscheidung des BGH trägt zur Klärung einer wichtigen Frage für die Geschäftsführer bei. Diese können durch den richtigen Einsatz qualifizierter externer Berater ihr Haftungsrisiko erheblich reduzieren. Es ist zu erwarten, dass angesichts dieser Entscheidung die Rolle der externen Gutachter in Zukunft weiter zunehmen wird.
Allerdings können und dürfen externe Gutachter die Verantwortung der Unternehmensführung nicht ersetzen. Vielmehr sollten Gutachten ein effektives Hilfsmittel in Zeiten der Krise sein, um der Geschäftsführung bei der komplexen Beurteilung der Insolvenzreife unter die Arme zu greifen. Die Entscheidung über den Insolvenzantrag und die damit verbundenen Konsequenzen liegen weiterhin im Verantwortungsbereich der geschäftsführenden Organe.