14. Oktober 2021
Musterfeststellungsklausel Zinsklausel Sparvertrag
Dispute Resolution

Musterfeststellungsklage zu Zinsklauseln in Sparverträgen

Der BGH bestätigt in einem ersten Musterfeststellungsverfahren die Unwirksamkeit von Zinsänderungsklauseln in Prämiensparverträgen.

Mit Urteil vom 6. Oktober 2021 gab der BGH (XI ZR 508/1) einer von der Verbraucherzentrale Sachsen initiierten Musterfeststellungsklage gegen die Sparkasse Leipzig in wesentlichen Punkten statt. 

Derzeit sind insgesamt neun Musterfeststellungsverfahren anhängig, bei denen Verbraucherzentralen insbesondere die Feststellung der Unwirksamkeit von Zinsänderungsklauseln in Sparverträgen begehren. 

Variable Zinsen – variabel nach unten korrigierbar?

Insbesondere die in den in den 1990er bis 2000er Jahren von zahlreichen Sparkassen an Verbraucher ausgereichten Prämiensparverträge sind betroffen. Hierbei zahlt der Sparer monatlich eine bestimmte Sparrate ein. Im Gegenzug erhält er von der Bank einen variablen, laufenden Zins sowie eine laufzeitabhängige, der Höhe nach gestaffelte, Sparprämie.

Die in den Formularen der Prämiensparverträge der Sparkasse Leipzig enthaltene Klausel lautete:

Die Spareinlage wird variabel, z. Zt. mit … % p.a. verzinst.

Diese und ähnliche Formulierungen haben zahlreiche Banken in den Formularen ihrer Sparverträge verwendet. 

Aufgrund des in den letzten Jahren allgemein stark gesunkenen Zinsniveaus sahen sich Banken dazu gezwungen, die Zinsen stetig nach unten anzupassen – zuletzt auf nur noch bis zu 0,01 % bzw. 0,001 %. Der Wortlaut der variablen Zinsänderungsklauseln ließ dies auch zu. 

BGH fordert Mindestmaß an Kalkulierbarkeit der Zinsanpassung

In seinem Urteil stellt der BGH (erneut) die Unwirksamkeit der Zinsänderungsklausel wegen Verstoßes gegen § 308 Nr. 4 BGB fest und gab damit dem ersten Feststellungsantrag der Musterfeststellungsklage statt.

Unproblematisch ist zwar die Vereinbarung der Zinsvariabilität an sich. Die Ausgestaltung in der Form, dass die Banken es in der Hand haben, den variablen Zins einseitig und nach freiem Ermessen anzupassen, sieht der BGH allerdings als unzulässig an. 

Denn die Regelung des § 308 Nr. 4 BGB verlange – so der BGH – ein Mindestmaß an Kalkulierbarkeit möglicher Zinsänderungen. Dies sei bei Klauseln der zuvor zitierten Art nicht der Fall, da weder Voraussetzungen noch Umfang der Zinsänderung erkennbar sind. Eine solche Zinsvereinbarung sei Bankkunden jedenfalls bei einem auf längere Laufzeit angelegten Vertrag – wie dem Prämiensparvertrag, der aufgrund der an die Vertragslaufzeit gekoppelten Höhe der Sparprämie gerade einen Anreiz für eine lange Vertragslaufzeit setzt – nicht zumutbar. Die infolge der Unwirksamkeit der Zinsänderungsklausel entstandene Regelungslücke sei im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB zu schließen.

Musterfeststellungsklage soll Druck auf Banken erhöhen

Diese BGH-Rechtsprechung ist nicht neu. Schon seit dem Jahr 2004 hatte der BGH in mehreren Urteilen variable Zinsänderungsklauseln für unwirksam erklärt. 

Die Banken haben daraufhin die betreffenden Klauseln – vorwiegend in Neuverträgen – angepasst, Zinsnachzahlungen jedoch nicht oder nur in Ausnahmefällen vorgenommen. Die Verbraucherzentralen wollen daher mit den aktuellen Musterfeststellungsverfahren den Druck auf die Banken erhöhen, nachträglich weitere Zinszahlungen an die Sparer vorzunehmen.

Verjährungshemmung möglicher Nachforderungsansprüche 

Mit Hilfe der eingeleiteten Musterfeststellungsverfahren soll zudem verhindert werden, dass Nachzahlungsansprüche, die der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist unterliegen, verjähren. Die Frage einer möglichen Verjährung von Ansprüchen stellt sich insbesondere dann, wenn Verbraucher ihre in den 1990er Jahren abgeschlossenen Prämiensparverträge mittlerweile gekündigt haben. 

Denn der BGH hat nunmehr – insoweit verbraucherfreundlich – entschieden, dass die dreijährige Verjährungsfrist frühstens ab dem Zeitpunkt der Vertragsbeendigung beginnt – und nicht etwa schon ab dem Zeitpunkt der jährlichen Zinsgutschrift. Ansprüche aus im Jahr 2018 beendeten Prämiensparverträgen könnten daher zum Ende dieses Jahres verjähren, soweit keine verjährungshemmenden Maßnahmen getroffen werden. 

Die Eintragung der Ansprüche in das Klageregister zur Musterfeststellungsklage ist eine Möglichkeit, wie betroffene Verbraucher die Verjährung ihrer Ansprüche hemmen können, vgl. § 204 Abs. 1 Nr. 1a ZPO. Darüber hinaus würde auch eine individuelle Klage auf Zahlung die Verjährung hemmen, vgl. 204 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Konkrete Zinsberechnung noch offen

Die entscheidende Frage, in welcher Höhe Verbrauchern ein Anspruch auf Zinsnachzahlungen zusteht, ist noch offen. Der BGH hat darüber nicht entschieden, sondern lediglich Vorgaben für die Berechnung gemacht.  

Der geschuldete Zins sei an einen Referenzzinssatz als Bezugsgröße zu koppeln. Zugrunde zu legen sei der Referenzzinssatz der Bundesbank für langfristige Spareinlagen. Die Zinsanpassungen müssen schließlich monatlich und unter Beibehaltung des anfänglichen relativen Abstands des Vertragszinssatzes zum Referenzzinssatz vorgenommen werden. 

Zur genauen Berechnung hat der BGH die Sache an das Oberlandesgericht Dresden zurückverwiesen. Die Verbraucherzentrale Sachsen geht nach eigenen Berechnungen davon aus, dass den Kunden der Sparkasse Leipzig Nachzahlungen von im Schnitt EUR 3.100 pro Vertrag zustehen. 

Zahlungsansprüche auf weitere Zinsen müssen separat geltend gemacht werden

Von dem aktuellen Musterfeststellungsurteil werden unmittelbar nur die rund 1.300 Betroffenen profitieren, die sich der Musterfeststellungsklage gegen die Sparkasse Leipzig angeschlossen hatten. Darüber hinaus dürfte das Urteil aber auch für Kunden anderer Sparkassen und Volksbanken, die dort ebenso Sparverträge mit gleichen oder ähnlichen Zinsänderungsklauseln abgeschlossen haben, eine Signalwirkung entfalten. 

Ein Anspruch der Verbraucher auf eine konkrete Zinsnachzahlung ergibt sich durch das Musterfeststellungsurteil unmittelbar aber nicht. Denn mit Hilfe der Musterfeststellungsklage kann zwar gebündelt geklagt werden, jedoch lediglich auf Feststellung und nicht direkt auf Leistung.

Sollten die Banken daher nicht freiwillig an ihre Kunden Zinsen nachzahlen, müssen selbst diejenigen Verbraucher, die sich der Musterfeststellungklage angeschlossen haben, einen weiteren Prozess – gerichtet auf Zahlung weiterer Zinsen – führen. Es bleibt dann abzuwarten, wie genau die Gerichte Nachzahlungsansprüche berechnen und in welcher Höhe sie den Kunden Nachzahlungen zusprechen. 

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