Russische Gerichte haben jüngst eine ICC-Schiedsklausel wegen unzureichender Bezeichnung der Schiedsinstitution für unwirksam erklärt. Wir informieren über die Hintergründe und sagen, was jetzt zu tun ist.
In einer Entscheidung des Supreme Court of the Russian Federation bestätigte das Gericht die vorherigen Entscheidungen zweier Instanzgerichte, die die Vollstreckung eines nach der Schiedsgerichtsordnung der Internationalen Handelskammer (International Chamber of Commerce, „ICC„) ergangenen Schiedsspruchs u.a. deswegen ablehnten, weil die von den Parteien verwandte Schiedsklausel zu unbestimmt und daher unwirksam sei. Denn aus der Schiedsklausel ergab sich für die russischen Gerichte nicht eindeutig, dass sich die Parteien auf eine bestimmte Schiedsinstitution zur Administrierung des Verfahrens verständigt hatten.
Russische Gerichte hinsichtlich Vollstreckbarerklärung eher „ablehnungsfreudig″
Russland ist Vertragsstaat des New Yorker Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche, kurz „New York Convention„. Im Gegensatz zu Urteilen staatlicher Gerichte sind Schiedssprüche in Russland daher nach einer entsprechenden Vollstreckbarerklärung durch die russischen Gerichte grundsätzlich vollstreckbar.
Im Vergleich zu den Gerichten anderer Vertragsstaaten sind die russischen Gerichte allerdings eher bereit, die Vollstreckbarkeit von ausländischen Schiedssprüchen abzulehnen. Dies bestätigt auch die vorliegende Entscheidung des Supreme Court. Die Entscheidung entfaltet zwar keine unmittelbare Bindungswirkung für die russischen Instanzgerichte, sie wird aber wohl faktisch von den Gerichten bei der Beurteilung ähnlich gelagerter Fälle berücksichtigt werden und ist somit für Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen nach Russland von erheblicher Bedeutung.
Ablehnung der Vollstreckbarerklärung wegen unzureichender Bezeichnung der Schiedsinstitution
Hintergrund der Entscheidung war folgender: Eine luxemburgische Gesellschaft beantragte vor dem Moscow Commercial Court die Vollstreckbarerklärung eines ICC-Schiedsspruchs gegen ein russisches Unternehmen, mit dem dieses zur Zahlung von rund EUR 3,6 Mio. verurteilt worden war. Sowohl der Moscow Commercial Court als auch der Moscow Circuit Commercial Court als Berufungsgericht lehnten die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs ab. Der Supreme Court als oberstes Instanzgericht bestätigte die Entscheidungen der vorherigen Instanzen.
Die Gerichte begründeten die Ablehnung insbesondere damit, dass die dem Schiedsverfahren zugrunde liegende Schiedsklausel unwirksam sei, da sie die
mit der Konfliktprüfung zu befassende Schiedsinstitution
nicht hinreichend genau bezeichne.
Dieses Argument lässt aufhorchen. Denn die Parteien verwendeten eine Schiedsklausel, die sich sehr nah an der von der ICC empfohlenen Standardschiedsklausel orientiert und sich daher in dieser oder ähnlicher Form in vielen Verträgen finden dürfte. Die Schiedsklausel lautet im englischen Original:
[…] any dispute not resolved amicably shall be finally settled by international arbitration. Unless agreed otherwise by the Parties, the dispute shall be finally settled under the Rules of Arbitration of the International Chamber of Commerce […]
Folge: Unwirksamkeit der ICC-Standardschiedsklausel?
Die russischen Gerichte störten sich vor allem daran, dass die Schiedsklausel zwar darauf verwies, dass die Parteien eine Konfliktlösung durch Schiedsverfahren („shall be finally settled by international arbitration„) vereinbarten und dieses Schiedsverfahren den „Rules of Arbitration of the International Chamber of Commerce″, also der ICC-Schiedsgerichtsordnung, unterliegen sollte; allerdings enthielt die von den Parteien verwendete Klausel keine explizite Bezugnahme auf die Schiedsinstitution, in diesem Fall den ICC-Schiedsgerichtshof, die das Verfahren administrieren soll.
Die russischen Gerichte kamen zu dem Schluss, dass die Vereinbarung der Parteien nicht aus sich heraus dahingehend verstanden werden kann, die Streitigkeiten einer bestimmten Schiedsinstitution vorzulegen. Hierfür reichten die Bezugnahmen auf „International Arbitration″ und die „ICC Rules of Arbitration″ nicht aus. Nach Auffassung der russischen Gerichte müsse eine Schiedsvereinbarung, um wirksam zu sein, insbesondere den Namen der Schiedsinstitution und ggf. weitere Merkmale zur Identifizierung der Institution so genau wie möglich angeben. Eine Bezeichnung der Institution in lediglich allgemeiner Form sei unzureichend.
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass auch die von der ICC vorgeschlagene Standardschiedsklausel keinen solchen expliziten Verweis enthält und nach der Lesart der russischen Gerichte unwirksam wäre.
Anforderungen an die Bestimmtheit der Schiedsklausel werden überspannt
Die Anforderungen, die die russischen Gerichte an die Wirksamkeit einer Schiedsklausel stellen, erscheinen sehr hoch. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Parteien ausdrücklich auf die ICC-Schiedsgerichtsordnung verwiesen haben. Gemäß Art. 1 Abs. 2 der ICC- Schiedsgerichtsordnung ist der ICC-Schiedsgerichtshof
die einzige Institution, die zur Verwaltung von Schiedsverfahren nach der Schiedsgerichtsordnung […] befugt ist.
Hiermit sollte – jedenfalls im Wege der Auslegung – hinreichend klargestellt sein, dass der ICC-Schiedsgerichtshof auch zur Administrierung des Verfahrens von den Parteien ermächtigt wurde.
Zudem geht die Anforderung der russischen Gerichte, die Schiedsinstitution in die jeweilige Schiedsklausel mit aufzunehmen, auch generell zu weit. Denn der Schiedsinstitution, im konkreten Fall dem ICC-Schiedsgerichtshof, obliegt allein die Administrierung des Schiedsverfahrens. Demgegenüber wird die Entscheidung in der Sache von einem nach den jeweils anwendbaren Verfahrensregeln gebildeten, unabhängigen Schiedsgericht getroffen. Auch vor diesem Hintergrund erscheint die Entscheidung nicht sachgerecht.
Handlungsbedarf: Überprüfung Ihrer Schiedsklauseln erforderlich
Die ICC hat auf die Entscheidung der russischen Gerichte umgehend reagiert und ihre Empfehlung zur Verwendung der Standardklausel modifiziert. Parteien, die ein ICC-Schiedsverfahren in Russland durchführen wollen, sollten eine explizite Bezugnahme auf den ICC-Schiedsgerichtshof aufzunehmen. Hierfür schlägt die ICC die Verwendung der folgenden, ergänzten Schiedsklausel vor:
All disputes arising out of or in connection with the present contract shall be submitted to the International Court of Arbitration of the International Chamber of Commerce and shall be finally settled under the Rules of Arbitration of the International Chamber of Commerce by one or more arbitrators appointed in accordance with the said rules.
Vor dem Hintergrund der Entscheidungen der russischen Gerichte ist es ratsam, bestehende oder neu zu vereinbarende Verträge, die eine Schiedsklausel mit Bezug zu Russland aufweisen, entsprechend der obigen Klausel zu modifizieren und insbesondere den Namen der Schiedsinstitution explizit in die Schiedsklausel mit aufzunehmen und eindeutig zu bezeichnen.
Um darüber hinaus eine hinreichende Bestimmtheit der Schiedsklausel sicherzustellen, sind die anwendbaren Schiedsverfahrensregeln, der Schiedsort, die Anzahl der Schiedsrichter und die Sprache, in der das Schiedsverfahren geführt werden soll, anzugeben.
Berücksichtigen die Parteien bei der Vertragsgestaltung die zuvor genannten Punkte, dürften die Chancen, einen Schiedsspruch in Russland zu vollstrecken, deutlich steigen.