Anwälte müssen Schriftsätze an das Gericht elektronisch übermitteln. Eine Einreichung per Fax wahrt keine Frist.
Das Oberlandesgericht Frankfurt hat eine in diesem Jahr eingereichte sofortige Beschwerde mangels Fristwahrung als unzulässig verworfen, weil der Anwalt die Beschwerde nur per Fax und Brief eingereicht hatte (Beschluss v. 27. Juli 2022 – 26 W 4/22). Richtigerweise hätte die Einreichung der Beschwerde als elektronisches Dokument erfolgen müssen, was eine Zulässigkeitsvoraussetzung sei, so das Oberlandesgericht.
Pflicht zur elektronischen Kommunikation seit dem 1. Januar 2022
Seine Entscheidung stützt das Oberlandesgericht auf die seit dem 1. Januar 2022 geltende, sich aus § 130d ZPO ergebende Pflicht zur elektronischen Kommunikation, die sog. aktive Nutzungspflicht. Die Vorschrift wurde zur Durchsetzung des elektronischen Rechtsverkehrs, zur Digitalisierung der Rechtspflege und damit auch zur Entlastung der Gerichte eingeführt. Demnach müssen Anwälte*, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts insbesondere vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument bei Gericht einreichen (vgl. § 130a ZPO).
Die aktive Nutzungspflicht besteht seither für sämtliche Verfahren, einschließlich solcher, die bereits vor dem 1. Januar 2022 anhängig gemacht wurden. Sie ist nicht auf zivilgerichtliche Gerichtsverfahren beschränkt, sondern gilt auch für Verfahren der Arbeits-, Sozial-, Finanz- und Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Für Privatpersonen und juristische Personen des Privatrechts, die sich – in Verfahren, wo dies möglich ist – selbst vertreten, gilt die aktive Nutzungspflicht elektronischer Kommunikation demgegenüber nicht. Sie können Schriftsätze weiterhin per Brief oder Fax fristwahrend an Gerichte übermitteln.
Ausnahme von der Pflicht zur elektronischen Kommunikation bei vorübergehender technischer Unmöglichkeit
Eine Ausnahme von der Pflicht zur elektronischen Übermittlung besteht gem. § 130d S. 2 ZPO nur dann, wenn die elektronische Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist, z.B. wegen eines Serverausfalls. In diesem Fall bleibt die Übermittlung eines Schriftsatzes an das Gericht in „analoger“ Form, d.h. in Papierform oder per Fax, gem. § 130 Nr. 6 ZPO als sog. Ersatzeinreichung zulässig.
Das Vorliegen der vorübergehenden technischen Unmöglichkeit muss im Rahmen der Ersatzeinreichung – oder unverzüglich danach – glaubhaft gemacht werden. Dabei ist es unerheblich, ob die technische Unmöglichkeit aus der Sphäre des Gerichts oder der Sphäre des Versenders herrührt. Maßgeblich ist insoweit allein, dass eine technische Unmöglichkeit vorliegt und diese nur von vorübergehender Dauer ist. Sind diese Voraussetzungen gegeben, ist auch ein etwaiges eigenes Verschulden der technischen Unmöglichkeit unerheblich.
Durch die zuvor genannten Einschränkungen der technischen Unmöglichkeit einerseits und der nur vorübergehenden Dauer andererseits ist gleichzeitig auch klargestellt, dass insbesondere professionelle Anwender wie Rechtsanwälte die notwendigen technischen Einrichtungen für die Einreichung elektronischer Dokumente vorhalten müssen und bei technischen Ausfällen unverzüglich für Abhilfe zu sorgen haben. Technische Probleme innerhalb der eigenen IT-Infrastruktur, die struktureller Natur sind, scheiden daher von vornherein aus, um eine Ersatzeinreichung nach § 130d S. 2 ZPO zu rechtfertigen.
Bei Verstoß gegen Pflicht zur elektronischen Kommunikation insbesondere keine Wiedereinsetzung möglich
Liegen die Voraussetzungen einer Ersatzeinreichung nicht vor, führt ein Verstoß gegen § 130d ZPO dazu, dass die Einreichung des betreffenden Schriftstückes unzulässig ist. Gegebenenfalls in dem Schriftstück enthaltene Prozesshandlungen entfalten keine Wirkung. Dementsprechend sind Schriftsätze, die unter Verstoß gegen § 130d ZPO eingereicht werden, nicht geeignet, eine Frist zu wahren, wie der Fall des Oberlandesgerichts Frankfurt eindrücklich zeigt. Gleichsam wäre bspw. auch eine per Fax eingelegte Berufung gem. § 522 Abs. 1 S. 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen.
Auch eine Wiedereinsetzung dürfte – selbst wenn es sich um eine wiedereinsetzungsfähige Frist handelt, also um Notfristen gem. § 224 Abs. 1 S. 2 ZPO und den in § 233 S. 1 ZPO genannten Rechtsmittelbegründungsfristen – regelmäßig ausscheiden. Denn ein Prozessbevollmächtigter wird in aller Regel den Verstoß gegen § 130d ZPO zu vertreten haben, sodass eine Wiedereinsetzung nicht möglich ist. Ist der Prozessbevollmächtigte etwa aus persönlichen Gründen daran gehindert, einen Schriftsatz in der Form des § 130d ZPO einzureichen, verlangt die Rechtsprechung bspw., dass der Prozessbevollmächtigte einen vertretungsbereiten Kollegen einschaltet oder – sofern möglich – den Gegner ersucht, einer Fristverlängerung zuzustimmen.
Fazit: Erhöhte Vorsicht bei der Einreichung von Schriftsätzen geboten
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt zeigt einmal mehr, dass die aktive Nutzungspflicht der elektronischen Kommunikation gem. §§ 130a, 130d ZPO zahlreiche Fehlerquellen birgt. Insbesondere Anwälte trifft bei der Einreichung von Schriftsätzen berufsbedingt ein besonders strenger Sorgfaltsmaßstab.
Um Haftungsfälle zur vermeiden, sollten Anwälte daher sicherstellen, zu jedem Zeitpunkt eine ordnungsgemäß und verlässlich funktionierende IT-Infrastruktur vorzuhalten, die die technischen Voraussetzungen für die elektronische Einreichung von Schriftsätzen erfüllt. Technische Störungen sollten unverzüglich bearbeitet und behoben werden. Nach dem Versand des Schriftsatzes ist die ordnungsgemäße Übermittlung an das Gericht durch Kontrolle der automatisierten Eingangsbestätigung zu überprüfen. Erst mit Erhalt dieser Eingangsbestätigung kann der Anwalt sicher sein, dass die Übermittlung erfolgreich war.
War die fristgerechte Einreichung von Schriftsätzen per Fax daher schon vor dem 1. Januar 2022 mit Fallstricken verbunden und sorgte daher immer wieder für spannenden Stoff in juristischen Examensklausuren, so ist sie das mit den neuen Vorschriften der §§ 130a, 130d ZPO erst recht. Das Examensmaterial zur Thematik der fristgerechten Einreichung von Schriftsätzen wird daher wohl trotz dessen, dass eine Einreichung per Fax ab dem 1. Januar 2022 nicht mehr möglich ist, so schnell erst einmal nicht ausgehen.
*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.