Überblick über die Rechtskammern der FIFA: neue Verfahrensregelungen und angekündigte Reformen im Bereich der Spielervermittler.
Die Fédération Internationale de Football Association (FIFA) ist der Weltverband des Fußballs. Wie die anderen großen Sportverbände stellt auch die FIFA seit Jahren eine eigene Verbandsgerichtsbarkeit bereit. Mit den FIFA-Statuten von 2021 wurden die bestehenden FIFA-Entscheidinstanzen mit einer neu geschaffenen Kammer für Vermittler* unter dem neuen Gewand des FIFA-Fußball-Tribunals zusammengefasst (Art. 54 FIFA-Statuten).
Für das FIFA-Fußball-Tribunal trat zum 1. Oktober 2021 eine neue Verfahrensordnung in Kraft (Verfahrensordnung). Zudem werden Anfang 2022 die Neuregelungen für Spielervermittler bekannt gegeben, die den Anwendungsbereich der neu geschaffenen Kammer für Vermittlerstreitigkeiten festlegen werden.
FIFA-Fußball-Tribunal mit drei Kammern für Streitigkeiten zwischen Spielern, Vereinen und Vermittlern
Das FIFA-Fußball-Tribunal ist Teil der internen Verbandsgerichtsbarkeit der FIFA. Durch die neu geschaffenen Statuten besitzt das FIFA-Fußball-Tribunal die folgenden drei Kammern:
- die Kammer zur Beilegung von Streitigkeiten, die über arbeitsrechtliche Streitfälle zwischen Spielern und Vereinen sowie über Streitfälle hinsichtlich Ausbildungsvergütungen entscheidet
- die Kammer für den Status von Spielern, die über arbeitsrechtliche Streitfälle zwischen Trainern und Vereinen oder Verbänden, transferbezogene Streitfälle zwischen Vereinen sowie reglementarische Anträge der Verbandsteams im Zusammenhang mit dem internationalen Transfersystem sowie der Spielberechtigung entscheidet
- die neu geschaffene Kammer für Vermittler, die spätestens nach dem Erlass des angekündigten FIFA-Fußballvermittlerreglements über Streitfälle entscheidet, an denen Fußballvermittler bzw. Spielerberater beteiligt sind
Nach Art. 58 (2) der FIFA-Statuten ist der ordentliche Rechtsweg im Grundsatz ausgeschlossen, solange die Anrufung der staatlichen Gerichte nicht explizit zugelassen ist. Nach Art. 22 des Reglements bezüglich Status und Transfer von Spielern steht jedenfalls für arbeitsgerichtliche Streitigkeiten parallel der Weg zu den staatlichen Gerichten offen.
Die Entscheidungen aller drei Kammern stehen als Teil der Verbandsgerichtsbarkeit (anders als ein Schiedsspruch eines „echten“ Schiedsgerichts) einem staatlichen Urteil nicht gleich. Nach Art. 57 der FIFA-Statuten sind die Entscheidungen des FIFA-Fußball-Tribunals vor dem Internationalen Sportgerichtshof (CAS) nach den Berufungsregelungen des CAS zu überprüfen, Art. R-47 ff. der CAS-Verfahrensordnung. Der CAS agiert dabei als vollständige Berufungsinstanz und überprüft die Entscheidung des FIFA-Fußball-Tribunals sowohl tatsächlich als auch rechtlich (Art. 57 CAS-Verfahrensordnung). Die Entscheidungen des CAS sind „echte“ Schiedssprüche, die nur in begrenzten Ausnahmefällen aufgehoben werden können. Da der CAS seinen Sitz in der Schweiz hat, sind die Regelungen des Schweizer Prozessrechts maßgeblich und das Schweizer Bundesgericht ist für einen Aufhebungsantrag zuständig. Die Aufhebungsgründe beschränken sich auf wenige Aspekte, die im Schwerpunkt ein faires Verfahren sicherstellen sollen. Eine vollständige inhaltliche Überprüfung der Entscheidung ist nicht mehr möglich.
Neue Verfahrensregelungen für das FIFA-Fußball-Tribunal
Das Fußball-Tribunal verfährt nach einer eigenen Verfahrensordnung. Die neuen Verfahrensregeln sollen eine effiziente Verfahrensgestaltung ermöglichen. Hierzu zählen u.a. folgende Punkte:
- Verfahren sind kostenlos, wenn mindestens eine der Parteien eine natürliche Person ist (Spieler, Trainer, Spielervermittler oder Spielerberater).
- Zur Klärung verfahrensrechtlicher Vorfragen wurde ein beschleunigtes Verfahren eingeführt. Wenn das FIFA-Generalsekretariat zu dem Schluss kommt, dass eine offenkundige Unzuständigkeit der maßgebenden Kammer oder eine offenkundige Verjährung der Klage vorliegt, darf es den Fall vor der Fortsetzung des Verfahrens direkt dem Vorsitzenden der betreffenden Kammer zur Entscheidung vorlegen (Art. 19 der Verfahrensordnung).
- Wenn nach dem ersten Anschein die Streitigkeit keine komplexe Sach- oder Rechtslage betrifft oder bereits eine ständige Rechtsprechung hierzu besteht, kann das FIFA-Generalsekretariat den Parteien einen (unverbindlichen) Entscheidungsvorschlag unterbreiten (Art. 20 der Verfahrensordnung).
- Parteien können zu einer freiwilligen und kostenlosen Schlichtung eingeladen werden. Im Falle einer erfolgreichen Schlichtung ratifizieren der Schlichter und der Vorsitzende einen Vergleichsvertrag, der als rechtskräftiger Entscheid des Fußballgerichts gilt (Art. 26 der Verfahrensordnung).
Die Notwendigkeit einer Kammer für Vermittler
Nach den ab dem Jahr 2008 geltenden Regelungen war für Spielervermittler bei Streitigkeiten mit internationalem Bezug eine Inanspruchnahme der Verbandsgerichte verpflichtend. Mit den Änderungen des Reglements bezüglich Status und Transfer von Spielern von 2015 entzog die FIFA aber vertragliche Streitigkeiten mit Vermittlern der Zuständigkeit der Kammer für den Status von Spielern. Streitigkeiten wurden dementsprechend stets vor staatlichen Gerichten oder bei einer expliziten Vereinbarung einer Schiedsklausel vor einem Schiedsgericht verhandelt.
Mit der Einführung der Neuregelungen 2015 schien sich die Situation aber zu verschlechtern, da sie zu einem fragmentierten Regelwerk auf der Ebene der nun zuständigen Nationalverbände führte. Außerdem müssen aktuell bei Streitigkeiten, an denen Vermittler beteiligt sind und die vor Verbandsgerichten oder staatlichen Gerichten verhandelt werden, Vorfragen zur Zuständigkeit des Rechtsprechungsorgans geklärt werden. Das Verbot der Geltendmachung der Rechte vor staatlichen Gerichten aus den FIFA-Statuten gilt aktuell eben nicht für Spielervermittler. Daher verweisen eine Reihe von nationalen Verbänden auf die ordentlichen Gerichte als zuständiges Forum für die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Vermittlern.
Eine internationale Expertengruppe befasste sich daher in den Jahren 2018/2019 mit der Frage, inwieweit Änderungen der Regelungen für Spielervermittler wünschenswert seien (Promoting and Supporting Good Governance in the European Football Agents Industry, Final Report, October 2019).
Nach dem Report der Expertengruppe betrafen Beschwerden der Vermittler häufig die fehlende Möglichkeit, ihre Rechte über Sportschiedsgerichte durchsetzen zu können. Außerdem seien Kosten und Zeitaufwand für die Durchsetzung von Verträgen vor ordentlichen Gerichten zu hoch. Dieser Rechtszersplitterung und Rechtsunsicherheit versucht die FIFA nun wieder entgegenzutreten. Daher ist es mit Einführung der neuen Kammer sowie der neuen Regelungen für Spielervermittler u.a. das Ziel der FIFA, Vermittler wie im Jahre 2008 wieder in die „Fußballfamilie“ aufzunehmen, damit sie Rechte geltend machen können, aber gleichzeitig auch Pflichten haben.
Bei der neu gebildeten Kammer für Streitigkeiten, die Spielervermittler betreffen, stellt sich ebenfalls die Frage, ob die Vermittler oder die Vereine an die Geltendmachung vor dem Verbandsgericht gebunden sein werden. Hier bleibt abzuwarten, ob die neuen Regeln für Vermittler eine parallele Geltendmachung vor den staatlichen Gerichten zulassen werden.
FIFA-Fußball-Tribunal für Beteiligte vorteilhafter als staatliche Gerichte?
Eine nähere Betrachtung der Gerichte und Kammern zeigt, dass sich, nicht zuletzt auch durch die neuen Verfahrensregelungen, einige Vorteile bei der Inanspruchnahme der Verbandsgerichte ergeben.
Im Gegensatz zu staatlichen Gerichten kennen sich die sportrechtserfahrenen Richter der Kammern mit der Materie bestens aus. Sie sind demnach in der Lage, Streitigkeiten schneller zu durchdringen und zu entscheiden. Nach der Verfahrensordnung sollen die Einzelrichter die Sache innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt eines gültigen Antrags entscheiden und die Kommission für den Status von Spielern oder die Kammer zur Beilegung von Streitigkeiten innerhalb von 60 Tagen (Art. 25 Nr. 1 des Reglements bezüglich Status und Transfer von Spielern).
Zudem sind die Verfahren vor den Kammern der FIFA aufgrund der neuen Regelungen kostenlos, wenn mindestens eine der Parteien ein Spieler, ein Trainer, ein Spielerberater oder Spielervermittler ist (Art. 25 der Verfahrensordnung).
Beides stellt einen erheblichen Vorteil für die Beteiligten dar. So wäre bspw. der verhältnismäßig kleine Ausbildungsverein NK Imotski wahrscheinlich nicht vor den für lange Verfahrensdauern bekannten und damit im Vergleich zum FIFA-Fußball-Tribunal kostenintensiven staatlichen Gerichten gegen den AC Mailand vorgegangen, um seine Ansprüche auf Ausbildungsentschädigung für den Spieler Ante Rebić geltend zu machen.
Durch das FIFA-Fußball-Tribunal wird für die Beteiligten zudem dadurch Sicherheit geschaffen, dass Rechte nicht mehr vor dem Gericht des Staates des beklagten Vereins durchgesetzt werden müssen, wo möglicherweise die Gefahr einer Benachteiligung der ausländischen Vermittler/Spieler gegenüber inländischen Vereinen besteht.
Den Vorteilen stehen jedoch auch gewichtige Nachteile des aktuellen bzw. zukünftigen Systems gegenüber. Die Verjährung beträgt bspw. bei den Kammern der FIFA bei Streitigkeiten über den Status und Transfer von Spielern nur zwei Jahre (Art. 25 Nr. 5 des Reglements bezüglich Status und Transfer von Spielern). Überdies hat die obsiegende Partei vor den Kammern keine Möglichkeit, ihre Kosten gegenüber der Gegenseite geltend zu machen. Die Anwaltskosten trägt somit jede Partei unabhängig vom Ausgang des Verfahrens selbst (Art. 25 Nr. 8 der Verfahrensordnung). Auch besteht das Problem, dass die Kammern als Verbandsgerichte keine Schiedsgerichte darstellen, weshalb die Beschlüsse und Urteile nicht vollstreckungsfähig sind.
Aufgrund dieser Problematik hat die FIFA weitere Möglichkeiten zur Durchsetzung der durch die Urteile festgestellten Ansprüche in Art. 24 bis Nr. 7 des Reglements bezüglich Status und Transfer von Spielern entwickelt. Durch Androhung und Durchsetzung von sportlichen Konsequenzen besteht für die Kammern oder die Kommission der FIFA bspw. die Möglichkeit, auf Antrag Sanktionen auszusprechen, die die Vereine oder Spieler hart treffen.
Das FIFA-Fußball-Tribunal – ein wichtiger Bestandteil zur effizienten Streitbeilegung innerhalb der internationalen Sportgerichtsbarkeit
Das FIFA-Fußball-Tribunal mit seiner neuen Verfahrensordnung ermöglicht den Beteiligten eine begrüßenswerte, weil effiziente und kostengünstige Möglichkeit, die eigenen Ansprüche zu verfolgen. Gerade bei Streitigkeiten mit besonderer Brisanz ist jedoch davon auszugehen, dass die Entscheidungen des FIFA-Fußball-Tribunals nur eine Vorstufe darstellen werden und die endgültige Entscheidung vor dem CAS in einem umfassenden Schiedsverfahren fallen wird.
* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.