Mit Beschlüssen vom 25. April 2018 hat das Oberlandesgericht Düsseldorf die drei gegen die Festlegung zur Konvertierung von Erdgas in qualitätsübergreifenden Marktgebieten („Konni Gas 2.0“) gerichteten Beschwerden zurückgewiesen.
Mit der Festlegung Konni Gas 2.0 vom 21. Dezember 2016 hatte die Bundesnetzagentur („BNetzA“) die ursprüngliche Festlegung „Konni Gas 1.0“ vom 27. Februar 2012 in Teilen widerrufen und abgeändert.
Hintergrund der Festlegungen ist der technische Betrieb der beiden deutschen Marktgebiete. Dieser erfolgt unterschieden nach den beiden Gasqualitäten H- und L-Gas. Gleichwohl können die Marktteilnehmer das jeweilige Marktgebiet qualitätsübergreifend ohne Einschränkungen nutzen („bilanzielle Konvertierung“). Ein physischer Ausgleich erfolgt durch die Marktgebietsverantwortlichen („MGV“) im Wege des Einsatzes von Regelenergie.
Mit Konni Gas 2.0 passte BNetzA die ursprüngliche Festlegung an
Eckpfeiler des Konvertierungssystems sind die Erhebung eines Konvertierungsentgelts und einer Konvertierungsumlage. Wesentliche Änderungen durch Konni Gas 2.0 ergaben sich beim Konvertierungsentgelt.
Das System eines ex-ante-Konvertierungsentgelts wurde zwar im Grundsatz beibehalten. Anders als nach Konni Gas 1.0 wurde aber nur noch die Konvertierung von H- in L-Gas erfasst. Hintergrund war die Entwicklung des Konvertierungssystems und das Konvertierungsverhalten der Marktteilnehmer. Die ursprünglich von Konni Gas 1.0 vorgesehene grundsätzliche Abschmelzung des Konvertierungsentgelts auf null zum 30. September 2016 wurde aufgehoben und die Obergrenze des Entgelts auf 0,045 ct pro kWh festgelegt.
Beschwerdeführerinnen rügen formelle und materielle Rechtswidrigkeit von Konni Gas 2.0
Die drei Beschwerdeführerinnen beliefern in den beiden Marktgebieten Kunden mit Erdgas. Sie wenden sich mit im Wesentlichen ähnlichen Einwänden gegen die Rechtmäßigkeit von Konni Gas 2.0. So habe die BNetzA einen möglichen Marktmissbrauch im Zusammenhang mit dem erhöhten Regelenergiebedarf Anfang 2016 nur unzureichend ermittelt. Eine Pönalisierung solchen Missbrauchs hätte Konni Gas 2.0 entbehrlich gemacht. Auch hätten die Voraussetzungen für einen Teilwiderruf von Konni Gas 1.0 nicht vorgelegen. Überdies mangele es an einer Ermächtigungsgrundlage. Die BNetzA habe zudem ihr Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt und gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen. Das Konvertierungssystem sei nicht dazu geeignet, die Versorgungssicherheit im L-Gas zu gewährleisten. Überdies sei ein Verstoß gegen Grundrechte der Beschwerdeführerinnen gegeben. Schließlich liege auch ein Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes vor.
OLG weist Beschwerden vollumfänglich zurück
Das OLG hat mit seinen Beschlüssen vom 25. April 2018 zwei Beschwerden zurückgewiesen und eine als unzulässig verworfen. Nachstehend werden die wesentlichen Erwägungen des Gerichts zur formellen und materiellen Rechtmäßigkeit von Konni Gas 2.0 kurz skizziert.
BNetzA steht weitreichende Einschätzungsprärogative zu
Das Gericht stellt einleitend fest, dass die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Festlegung von vorneherein beschränkt sei. Der Verordnungsgeber weise der BNetzA im Rahmen der Verwirklichung eines effizienten Netzzugangs einen Ermessenspielraum zu. Dieser beziehe sich sowohl auf das „ob“ als auch auf das „wie“ ihres Tätigwerdens. Zur Erfüllung ihrer Aufgabe bedürfe sie einer umfassenden Einschätzungsprärogative. Die gerichtliche Kontrollbefugnis ende deshalb dort, wo das materielle Recht das Entscheidungsverhalten der Behörde in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise nicht vollständig determiniere.
Kein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz
Das OLG führt aus, dass kein Ermittlungsdefizit hinsichtlich des Anfang 2016 festgestellten erhöhten Regelenergiebedarfs vorliege. Die BNetzA habe die Festlegung im Rahmen des ihr zustehenden Aufklärungsermessens auf fünf Veränderungen der Rahmenbedingungen gestützt.
Zunächst habe sie auf den unerwartet hohen Rückgang der L-Gas-Produktion sowohl in Deutschland als auch in den Niederlanden abgestellt. Auch sei die Gefahr von Arbitragegeschäften nicht wie erwartet zurückgegangen.
Ferner sei die Zunahme technischer Konvertierungsmöglichkeiten hinter den ursprünglichen Annahmen zurückgeblieben. Zudem habe sich gezeigt, dass die erwartete Beschleunigung der Marktraumumstellung nicht ausreichend zur Verringerung des Konvertierungsaufwandes beitragen könne. Schließlich bestünde auch die Gefahr, dass die MGV immer stärker in die Rolle der Alleinbeschaffer von L-Gas gedrängt würden.
Vor diesem Hintergrund habe für die BNetzA – anders als von den Beschwerdeführerinnen vorgetragen – kein Anlass bestanden, mögliche Missbräuche einzelner Marktteilnehmer in 2016 zu ermitteln. Dies sei für die BNetzA erkennbar nicht entscheidungserheblich gewesen.
Auch das Vorliegen eines Abwägungsdefizits bei der Ermessensausübung wird vom OLG insoweit verneint. Mit Konni Gas 2.0 habe die BNetzA insgesamt auf veränderte Rahmenbedingungen im Gasmarkt reagiert. Die mögliche Feststellung und Pönalisierung missbräuchlichen Verhaltens Einzelner wirke sich hierauf nicht aus. Sie wäre nicht geeignet, der geänderten Rolle der MGV und der zunehmenden Beschaffung von Regelenergie an der Börse entgegenzuwirken.
Teilwiderruf von Konni Gas 1.0 kann auf § 29 Abs. 2 S. 1 EnWG gestützt werden
Die BNetzA geht nach Auffassung des OLG beurteilungsfehlerfrei davon aus, dass ihre Annahmen zur Entwicklung des Konvertierungssystems, die Konni Gas 1.0 zu Grunde lagen, auf Grund veränderter Rahmenbedingungen nicht eingetreten sind.
Unstreitig sei die L-Gas-Produktion sowohl in Deutschland als auch in den Niederlanden wesentlich stärker als ursprünglich angenommen zurückgegangen. Insoweit sei auch die Auffassung der Beschwerdeführerinnen zurückzuweisen, es handele sich dabei um eine den Widerruf nicht tragende Änderung ursprünglich bereits bekannter Umstände. Denn auch eine qualitative Änderung bereits bekannter Tatsachen könne zu anderen Annahmen führen und damit einen Widerruf stützen.
Wegen der insgesamt geänderten Sachlage habe die BNetzA zutreffend festgestellt, dass sich die Konni Gas 1.0 zu Grunde liegende Erwartung, die Notwendigkeit einer Verhaltenssteuerung durch das Konvertierungsentgelt werde abnehmen, nicht erfüllt habe. Im Gegenteil sei sie nunmehr von der Gefahr ausgegangen, dass die MGV zunehmend in die Rolle als Alleinbeschaffer von L-Gas gedrängt würden. Dies könne die Wettbewerbsverhältnisse auf dem L-Gas-Markt gefährden und zu höheren Preisen führen.
Außerdem könne der Anreiz der Marktteilnehmer zur Aufrechterhaltung von langfristigen L-Gas-Importverträgen sinken. Hieraus könne sich eine Gefährdung der Versorgungssicherheit ergeben. Auch habe sich die Erwartung einer abnehmenden Gefahr missbräuchlicher Arbitragegeschäfte nicht erfüllt, da die MGV die Regelenergie zunehmend über die Börse beschafften. Diese Annahmen der BNetzA seien – so das OLG – nachvollziehbar und nicht zu beanstanden.
Konni Gas 2.0 dient der Verwirklichung eines effizienten Netzzugangs
Das Gericht stellt fest, dass Konni Gas 2.0 den in §§ 1 Abs. 1 EnWG, 50 Abs. 1 GasNZV normierten Zielen dient. Die Festlegung ermögliche den qualitätsübergreifenden Handel mit L- und H-Gas. Zwar beinhalte das Konvertierungsentgelt einen kommerziellen Anreiz, von der bilanziellen Konvertierung keinen Gebrauch zu machen. Deren Inanspruchnahme werde aber nicht verhindert, wie die Entwicklung im Winter 2017/18 nach Erlass von Konni Gas 2.0 zeige.
Außerdem laufe die negative Anreizwirkung nicht der Verwirklichung eines effizienten Netzzugangs zuwider. Letzterer stehe nach § 50 Abs. 1 GasNZV unter dem Vorbehalt eines sicheren Netzbetriebs. Eine Beschränkung der Liquidität des Handels sei damit nicht grundsätzlich unzulässig. Die Verlängerung des Konvertierungsentgelts diene der Beseitigung potentieller Gefahren für die Versorgungssicherheit.
Weiterhin diene Konni Gas 2.0 der Verwirklichung einer möglichst sicheren, preisgünstigen, verbraucherfreundlichen, effizienten und umweltverträglichen Gasversorgung im Sinne von § 1 Abs. 1 EnWG. Denn es werde höheren Kosten für das Gesamtsystem, die sich aus negativen Arbitragegeschäften und der zunehmenden Alleinbeschaffung von L-Gas durch die MGV ergeben könnten, entgegengewirkt.
Schließlich verstoße die Beibehaltung des Konvertierungsentgelts auch nicht gegen die in § 21 Abs. 1 GasNZV normierte Zusammenlegung der Marktgebiete ohne Differenzierung nach Gasqualitäten. Denn das Gebot eines möglichst freien Handels gelte nicht unbeschränkt. Die Gewährleistung der Versorgungssicherheit setze insoweit Grenzen, die durch die Beibehaltung des Konvertierungsentgelts in zulässiger Weise konkretisiert würden.
Konvertierungsentgelt ist verhältnismäßig
Das OLG kommt zu dem Schluss, dass das Konvertierungsentgelt geeignet ist, die intendierte Lenkungswirkung zu entfalten. Die Vermeidung der Alleinbeschaffung durch die MGV habe – wie von der BNetzA angeführt – negative Auswirkungen auf die Wettbewerbssituation und die Versorgungssicherheit. Der Geeignetheit stehe auch nicht entgegen, dass es 2016 trotz des Konvertierungsentgelts zu erhöhtem Regelenergiebedarf gekommen sei. Die Prognose der BNetzA, dass das Konvertierungsentgelt der Gefahr rein bilanzieller Konvertierung entgegenwirke, sei nachvollziehbar. Es sei nicht Anspruch der BNetzA gewesen, den Regelenergiebedarf bei L-Gas gänzlich zu unterbinden.
Schließlich sei auch der Einwand, das dauerhafte Konvertierungsentgelt mache den sog. Netting-Effekt obsolet, unbeachtlich. Ein solcher Ausgleich von L- und H-Gas-Ungleichgewichten über alle Bilanzkreise hinweg mit einer Preisangleichung sei rein theoretischer Natur. Dies zeige auch die Situation Anfang 2016, wo ein solcher Ausgleich bei Geltung eines Konvertierungsentgelts in beide Richtungen nicht stattgefunden habe.
Weiterhin sei kein milderes Mittel zur Erreichung der Lenkungswirkung ersichtlich. Von den Beschwerdeführerinnen angeführte Selbstregulierungskräfte des Marktes seien reine Theorie. Auch könne die Marktraumumstellung auf L-Gas nicht beschleunigt und damit zeitnah umgesetzt werden. Ferner sei der Ausbau der technischen Konvertierungsmöglichkeiten allenfalls mittel- oder langfristig wirksam und damit nicht geeignet. Schließlich wäre auch ein ex post Konvertierungsentgelt (im Gegensatz zum bestehenden ex ante Ansatz) kein milderes Mittel. Es entfalte mangels sicherer Vorhersehbarkeit keinerlei verhaltenssteuernde Wirkung.
Das Gericht führt schließlich aus, dass das Konvertierungsentgelt auch nicht als unverhältnismäßig im engeren Sinne anzusehen ist. Ein Eingriff in die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG liege nicht vor. Die Beibehaltung des Konvertierungsentgeltes habe keine berufsregelnde Tendenz. Es gehe um Rahmenbedingungen für alle Marktteilnehmer und damit um eine bloße Veränderung der Marktverhältnisse. Dagegen biete Art. 12 GG keinen Schutz. Ein Verstoß gegen Art. 14 GG liege ebenfalls nicht vor. Bei der Möglichkeit zur bilanziellen Konvertierung handele es sich um eine bloße Marktchance, die nicht in den Schutzbereich falle.
Kein Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes
Schließlich lehnt das Gericht auch den mit den Beschwerden gerügten Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes ab. Im Grundsatz sei die BNetzA zurecht davon ausgegangen, dass Vertrauensschutzgesichtspunkte gering zu gewichten seien. Im Rahmen der bilanziellen Konvertierung sei überdies von Bedeutung, dass es sich nicht um einen eingespielten Regulierungssachverhalt handele. Vielmehr habe Konni Gas 1.0 auf prognostischen Annahmen über die Entwicklung des gerade eingeführten qualitätsübergreifenden Handels beruht. Dementsprechend habe die ursprüngliche Festlegung auch Flexibilität bei der Beibehaltung des Konvertierungsentgelts vorgesehen. So etwa die Möglichkeit der MGV, von den Absenkungsfaktoren abzuweichen.
Vor diesem Hintergrund sei für alle Beteiligten klar gewesen, dass Konni Gas 1.0 keine dauerhaft verlässlichen Rahmenbedingungen setzen könne. Vielmehr hätten alle Marktbeteiligten damit rechnen müssen, dass das Konvertierungssystem im Laufe der Entwicklung Änderungen erfahren würde. Deutlich ist der Hinweis des OLG, die Marktbeteiligten hätten beim Abschluss von L-Gas-Lieferverträgen nicht darauf vertrauen dürfen, dass das Konvertierungsentgelt ab September 2016 nicht mehr anfallen würde. Für dessen Fortbestehen hätten sie vertraglich Vorsorge treffen können, etwa in Form der Weiterreichung möglicher Mehrkosten.
OLG konkretisiert Rahmenbedingungen für die Regulierung des Gasmarktes
Mit den Beschlüssen hat das OLG bestätigt, dass der BNetzA bei marktregelnden Maßnahmen hinsichtlich des „ob“ und „wie“ eine weitreichende Einschätzungsprärogative zukommt. Gerade bei Neueinführung regulatorischer Instrumente auf Basis von Prognosen der Marktentwicklung spielt dies eine erhebliche Rolle.
Einerseits muss die BNetzA den Ausgangssachverhalt sowie die aus ihrer Sicht zu erwartende Entwicklung klar benennen. Andererseits aber kann sie im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben den regulatorischen Rahmen bei Änderungen der Marktentwicklung anpassen, um die Erreichung der regulatorischen Ziele sicherzustellen. In einer solchen Situation kann es schon im Ansatz an der Grundlage für die Gewährung von Vertrauensschutz mangeln. Dies gilt umso mehr, wenn bereits die ursprüngliche Festlegung Möglichkeiten zur Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen vorsieht.
Gleichzeitig veranschaulicht der Beschluss des OLG die Wechselwirkungen zwischen möglichst unbeschränktem Marktzugang einerseits und Systemverantwortung und Versorgungssicherheit andererseits. Auch wenn mögliche Handelsbeschränkungen im Energiemarkt und damit potentielle Marktbarrieren der gesetzlich normierten Marktöffnung und Etablierung von fairen Wettbewerbsbedingungen zuwiderlaufen können, ist damit nicht per se jede Einschränkung unzulässig. Denn Systemintegrität und Gewährleistung der Versorgungssicherheit sind Eckpfeiler der Energieversorgung, in deren Spannungsfeld sich jegliche Handelstätigkeit abspielt. Die Abwägung zwischen den teils widersprechenden Interessen ist eine zentrale Aufgabe der Regulierung, die die BNetzA im Rahmen von Konni Gas 2.0 in nicht zu beanstandender Weise geleistet hat.
Fast beiläufig äußert sich das Gericht zu dem Postulat der Verursachungsgerechtigkeit als materiellem Prüfungsmaßstab. Dieser, das frühere Punkt-zu-Punkt-Modell beherrschende Gedanke, trete im Entry-Exit-Modell hinter den Gedanken der Sicherstellung des Wettbewerbs zurück. Diese obergerichtliche Klarstellung kann künftig manche Diskussion über die Gestaltung der Rahmenbedingungen des Gasmarkts vereinfachen.
In prozessualer Hinsicht ist anzumerken, dass das OLG bei der Verwerfung einer der Beschwerden als unzulässig eingehend die materielle Beschwer der Beschwerdeführerin geprüft hat. Damit erteilt der Beschluss inzident der teilweise zu beobachtenden Tendenz eine Absage, aus der Beteiligtenstellung als Beigeladener im Verwaltungsverfahren auf die materielle Beschwer im gerichtlichen Beschwerdeverfahren zu schließen.
Es bleibt abzuwarten, ob die Beschwerdeführerinnen gegen die Beschlüsse des OLG Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof einlegen.