Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat am 5. September 2013 der Klage eines Umweltverbandes gegen den Luftreinhalteplan der Stadt Darmstadt stattgegeben – und damit erneut festgestellt, dass das deutsche Umweltverbandsklagerecht erweiternd auszulegen ist, um europäischen und völkerrechtlichen Vorgaben zu genügen.
Zum Hintergrund: In Umsetzung europäischen Umweltrechts sind Kommunen verpflichtet, bei Überschreitung von im Einzelnen festgelegten Luftqualitätsstandards Luftreinhaltepläne aufzustellen, die die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegen. Im hier entschiedenen Fall war unstreitig, dass die maßgeblichen Werte für die Stickstoffdioxidbelastung dauerhaft überschritten und daher grundsätzlich Maßnahmen erforderlich sind. Hauptstreitpunkt war jedoch, ob der klagende Umweltverband die Festlegung konkreter Maßnahmen (etwa Einrichtung einer Umweltzone) einklagen kann, da keiner der im Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG) definierten Fälle für zulässige Umweltverbandsklagen vorlag.
Zwar gesteht das BVerwG der Stadt zu, über das „Wie″ der Einhaltung der Grenzwerte selbst zu entscheiden, verpflichtet die Stadt also nicht zu den geforderten konkreten Maßnahmen. Die Verpflichtung der Stadt auf das Ziel der Luftreinhaltung und die Klagemöglichkeit des Umweltverbandes hat das BVerwG gleichwohl bestätigt. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) unter Rückgriff auf die Aarhus-Konvention müsse Umweltverbänden in erweiternder Auslegung der deutschen Vorschriften eine Klage möglich sein, um europäisches Umweltrecht effektiv durchzusetzen.
Da das deutsche Umweltrecht weitgehend auf europäischen Vorgaben beruht und auch der Begriff der rügefähigen „umweltschützenden Vorschriften″ weit ausgelegt wird, führt das Urteil des BVerwG zu einer erneuten Ausweitung des Umweltverbandsklagerechts und damit einem noch größeren Anfechtungsrisiko für Industrie- und Planungsvorhaben.
Damit nicht genug: Demnächst ist das Urteil des EuGH zum Vorlagebeschluss des BVerwG vom 10. Januar 2012 – 7 C 20/11 („Gemeinde Altrip″) zu erwarten (Rs. C-72/12). Nach den am 20. Juni 2013 veröffentlichten Schlussanträgen sollen bisher tragende Prinzipien des deutschen Rechtsschutzsystems einem umfassenden (Verbands-)Klagerecht und Aufhebungsanspruch in Bezug auf umweltrelevante Entscheidungen weichen. Angesichts der komplexen und sich ständig verändernden umweltrechtlichen Anforderungen ist Planungs- und Investitionssicherheit für umweltrelevante Vorhaben also immer schwieriger zu erreichen.