Drohnen: EU-Kommission schlägt neue Flugsicherheitsverordnung vor. Weiterhin besteht jedoch Diskussions-, Regelungs- und Normierungsbedarf.
Drohnen erobern zusehends den Luftraum. Sie fliegen über Industrie- und Gleisanlagen, Windparks und Nachbars Garten, über Freund und Feind, Pipelines und den Stadtwald, im Hörsaal und unter Brücken, über Felder und zwischen Wolkenkratzern. Sie messen, fotografieren, reparieren, forschen, überwachen, transportieren, filmen, installieren, dokumentieren, löschen und töten.
Sie lassen sich per Fernbedienung in Sichtweite steuern, über Satellitenverbindung vom anderen Ende der Welt oder haben dies schlichtweg gar nicht mehr nötig. Sie sind winzig und nur wenige Gramm schwer oder sind riesig und bringen mehrere Tonnen auf die Waage. Sie sind ungemein nützlich, machen Angst oder einfach nur Spaß.
So vielseitig Drohnen sind, so wenig einheitliche Regeln existieren für sie auf internationaler oder europäischer Ebene. Die nationalen Regelungen zeichnen – sofern überhaupt vorhanden – das Bild eines Flickenteppichs. Bislang – denn nachdem sich Drohnen auch für nicht-militärische öffentliche und zivile Zwecke, insbesondere dem stetig wachsenden Bereich der kommerziellen Nutzung, in die Lüfte erheben, wird an den verschiedensten Stellen an einem einheitlichen oder weitgehend harmonisierten Rechtsrahmen gearbeitet.
Internationale und Europäische Regelungen
Die Internationale Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) spricht übergeordnet von „unbemannten Luftfahrtsystemen“ (Unmanned Aircraft System, UAS), deren kennzeichnendes Merkmal ist, dass sich kein Pilot an Bord befindet. Dies können zum einen vollständig oder teilweise autonom agierende Luftfahrzeuge sein (Autonomous Aircraft) und zum anderen ferngesteuerte Luftfahrtsysteme bestehend aus dem ferngesteuerten Luftfahrzeug, der Kontrollstation und der Datenübertragung (Remotely Piloted Aircraft Systems, RPAS).
Das Chicagoer Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt von 1944 sieht in Artikel 8 vor, dass Luftfahrzeuge ohne Pilot in einem anderen Staat nur mit einer speziellen Genehmigung fliegen dürfen. Jeder Staat muss sicherstellen, dass hiervon keine Gefahr für zivile Luftfahrzeuge ausgeht. Neben der Erarbeitung internationaler Regeln und Standards im Rahmen der ICAO laufen wichtige Abstimmungsprozesse zur Integration des Luftverkehrs mit Drohnen in den Luftraum zudem in der JARUS-Gruppe (Joint Authorities for Rulemaking on Unmanned Systems), einem Zusammenschluss von Experten nationaler und regionaler Luftfahrtbehörden.
Der Anwendungsbereich europäischer Regelungen ist bislang auf zivile Drohnen ab 150 kg beschränkt. Die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) mit Sitz in Köln ist hier zuständig für die Ausarbeitung der Rechtsvorschriften und technischen Regelwerke. Der Großteil der heute entwickelten und betriebenen Drohnen unterfällt mithin nationalen Regelungen, die weder im Hinblick auf die gestellten Anforderungen harmonisiert sind noch einer Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung von Zulassungen und Genehmigungen unterliegen.
Deutschland: Regelungen im Luftverkehrsgesetz und der Luftverkehrsordnung
In Deutschland sind unbemannte Luftfahrtsysteme solche, die nicht zu Zwecken des Sports oder der Freizeitgestaltung betrieben werden (§ 1 Abs. 2 LuftVG). Über die Zwecksetzung erfolgt eine Abgrenzung vor allem zu Flugmodellen und Luftsportgeräten.
Der Betrieb von unbemannten Luftfahrtsystemen, also insbesondere zu gewerblichen, kommerziellen Zwecken, ist grundsätzlich außerhalb der Sichtweite des Steuerers verboten. Das Luftfahrtgerät muss ohne besondere optische Hilfsmittel zu sehen oder eindeutig zu erkennen sein. Eine Obergrenze von 25 kg besteht bei der Gesamtmasse des Geräts. Das weitgehende Flugverbot ist gekoppelt mit der Möglichkeit, Ausnahmen im Bereich des für andere Luftverkehrsteilnehmer beschränkten Luftraums zu erteilen, wenn von der beantragten Nutzung keine Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen (§ 19 Abs. 3 LuftVO). Da autonom und außer Sichtweite agierende Drohnen noch kein Massenphänomen darstellen, wird in diesem Bereich bislang mit Ausnahmegenehmigungen gearbeitet, die auf die Umstände des Einzelfalls zugeschnitten sind.
Unbemannte Luftfahrtsysteme benötigen in jedem Fall eine Aufstiegserlaubnis, zu deren Voraussetzungen unter anderem die Einhaltung der Datenschutzvorschriften gehört (§ 20Abs. 1 Nr. 7, Abs. 4 LuftVO). Die Aufstiegserlaubnis kann allgemein oder für den Einzelfall erteilt werden. Bei Inanspruchnahme des kontrollierten Luftraums ist ferner eine Flugverkehrskontrollfreigabe erforderlich (§ 21 Abs. 1 Nr. 5 LuftVO).
Vorschlag für Flugsicherheitsverordnung aus der EU
Die EU-Kommission betrachtet Drohnen – zu Recht – als Teil einer neuen Ära der Luftfahrt und hat sie zum Gegenstand ihrer am 7. Dezember 2015 vorgelegten Luftfahrtstrategie für Europa gemacht (COM(2015) 598 final).
Gleichzeitig hat die EU-Kommission den Vorschlag für eine neue Flugsicherheitsverordnung vorgelegt (COM(2015) 613 final), die sämtliche „unbemannten Luftfahrzeuge“ erfasst und grundlegende materielle Anforderungen für Konstruktion, Herstellung, Instandhaltung und Betrieb (Art. 45 iVm Anlagen III, IX) aufstellt. Ein „unbemanntes Luftfahrzeug“ bezeichnet demnach ein Luftfahrzeug, das ohne einen an Bord befindlichen Piloten betrieben wird oder werden soll – ohne Einschränkungen hinsichtlich des Nutzungszwecks oder der Größe bzw. des Gewichts des Luftfahrzeugs.
Der Anwendungsbereich wird damit zwar weit gefasst. Das Regelungskonzept für Drohnen verfolgt allerdings einen risikobasierten Ansatz, der auf die Art der Tätigkeit abstellt. Sämtliche Maßnahmen zur Erreichung eines angemessenen Sicherheitsniveaus müssen zu der Art der Tätigkeit und dem damit verbundenen Risiko in einem angemessenen Verhältnis stehen.
Anders als bei einem (immer) bemannten Flugzeug kann das mit unbemannten Luftfahrzeugen verbundene Risiko für Personen- und Sachschäden je nach Tätigkeit beträchtlich variieren. Ausschlaggebende Parameter sind insbesondere die Bevölkerungsdichte am Boden sowie die Luftverkehrsdichte bzw. die Klasse des Luftraums für die vorgesehene Tätigkeit. Es leuchtet ein, dass eine Drohne, die über unbesiedeltem Gebiet Erkundungsaufgaben wahrnimmt, ein anderes Risikoprofil aufweist als eine Drohne, die zu Filmaufnahmen über dichtbesiedeltem Gebiet fliegt.
Ein „unbemanntes Luftfahrzeug“ (ohne Pilot), das Personen befördert weist hingegen ein ähnliches Risikoprofil auf wie ein klassisches Flugzeug. Im Bereich von Massenprodukten mit geringem Risiko soll auf die existierenden Marktüberwachungsmechanismen und CE-Kennzeichnungspflichten zurückgegriffen werden. Bei hohen oder spezifischen Risiken kommt grundsätzlich das klassische Instrumentarium des Zulassungs- und Genehmigungswesens zur Anwendung.
Drohnen werden kategorisiert: offen, harmlos, spezifisch oder zertifiziert
Die vorgeschlagene Flugsicherheitsverordnung wird nur den Rechtsrahmen setzen, der mit Durchführungsbestimmungen der Kommission, Regelwerken und Richtlinien der EASA, Vorschriften nationaler Luftfahrtbehörden sowie Normen der internationalen und nationalen Standardisierungsorganisationen weiter ausgefüllt werden muss.
Im Auftrag der EU-Kommission hatte die EASA einen Konsultationsprozess zum Betrieb von Drohnen gestartet und erste Konzepte erarbeitet (A-NPA: 2015-10). Seit dem 18. Dezember 2015 liegt nun eine Technical Opinion der EASA vor, die als Grundlage für die weitere Diskussion und Umsetzung dienen soll.
Das Regelungskonzept sieht weiterhin drei Kategorien vor: „Offen“ (open category) soll der Betrieb von Drohnen mit geringem Risiko und max. 25 kg sein, wobei „harmlose“ Drohnen bis ca. 250 g eine weitere Unterkategorie bilden (harmless category). Der Betrieb dieser Drohnen wird nur getrennt von anderen Luftraumnutzern innerhalb festgelegter Zonen zulässig sein bzw. die jeweiligen Beschränkungen des Fluggebiets zu beachten haben. Vorgeschrieben wird voraussichtlich der Betrieb in Sichtweite und einer maximalen Flughöhe von 150 m. Außerdem ist die Einhaltung eines Mindestabstands von 50 m zu Personen bzw. ein Überflugverbot für Menschenmengen (>12 Personen) beabsichtigt. Ein „spezifischer“ Betrieb (specific category) soll bei mittlerem Risiko eine nationale Betriebsgenehmigung benötigen, deren Erteilung eine eigene Bewertung der Sicherheitsrisiken des Gesamtsystems und der Maßnahmen zur Risikominimierung durch den Betreiber vorausgehen müssen. Bei höherem Risiko ist eine umfassende „Zulassung“ (certified category) durch die zuständigen Behörden ähnlich derer für Flugzeuge vorgesehen.
Flugsicherheitsverordnung nur ein erster Schritt
Mit dem Vorschlag der EU-Kommission für eine neue Flugsicherheitsverordnung kommt die Luftfahrtstrategie für Europa einen großen Schritt voran. Bis zur vollständigen Integration von Drohnen in den Luftverkehr gibt es indes noch einigen Diskussions-, Regelungs- und Normierungsbedarf. Aufgabe der EU und der Mitgliedstaaten wird es zudem sein, Drohnen über die technischen Sicherheitsaspekte hinaus in den größeren Zusammenhang einzubetten und bestehende Regelungen ggf. anzupassen.
Dazu zählen Themen wie der Schutz der Privatsphäre und Datenschutz, Auswirkungen auf die Umwelt und Frequenzzuteilung, Haftungs- und Versicherungsfragen sowie nationale und europäische Sicherheitsinteressen. Die EU-Kommission gibt an, dass von 471 Drohnenherstellern weltweit 176 in Europa ansässig sind. Das darf zu Recht optimistisch stimmen für die Entwicklung einer wettbewerbsfähigen Drohnenindustrie und der verträglichen Erschließung des Luftraums für innovative Anwendungen – vorausgesetzt, es gibt bald einen gemeinsamen europäischen Markt auch in diesem Bereich.