22. Dezember 2022
Aktiendividende Hauptversammlungssaison 2022
Aktienrecht

Alternative Dividendenstrategie – Aktiendividende in der Hauptversammlungssaison 2022

Cash-Ersparnis in Milliardenhöhe verdeutlicht einmal mehr die finanzielle Bedeutung sowie den Zuspruch für die Aktiendividende.

Das Jahr 2022 neigt sich langsam dem Ende zu. Es war für viele Branchen ein sehr schwieriges Geschäftsjahr, das geprägt wurde durch die Nachwehen der Corona-Pandemie, den Krieg in der Ukraine, hohe Inflation, Lieferengpässe und die Energiekrise.

Im Umfeld solcher Herausforderungen haben auch in der letzten Hauptversammlungssaison wieder zahlreiche Unternehmen von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, ihren Aktionären* eine Dividende in Form von Aktien (die sog. „Aktiendividende“ oder auch „Scrip Dividend“) anzubieten. Während die Unternehmen die eingesparten Barmittel in strategische oder operative Zwecke reinvestieren können, partizipieren die Aktionäre durch ihre Teilnahme an der Weiterentwicklung des Unternehmens und einer künftigen Aktienkurssteigerung.

Die sehr hohen Teilnahmequoten in diesem Jahr von mehr als 46 % im Durchschnitt aller in diesem Jahr angebotenen Aktiendividenden bestätigen den Kurs derjenigen Unternehmen, die dieses Kapitalmarktinstrument im Rahmen ihrer Eigenkapital- bzw. Liquiditätsstrategie einsetzen. 

Rückblick auf die Hauptversammlungssaison 2022: Cash-Ersparnis aller anbietenden Unternehmen von mehr als EUR 1,1 Milliarden

Im Jahr 2022 haben insgesamt 13 an einer deutschen Börse notierte Unternehmen die Aktiendividende angeboten. 

Neben den im regulierten Markt der Frankfurter Wertpapierbörse zugelassenen Unternehmen Vonovia SE, Fresenius SE & Co. KGaA (beide DAX), Aroundtown SA, LEG Immobilien SE, Encavis AG (jeweils MDAX) sowie DIC Asset AG und Grand City Properties S.A. (beide SDAX) haben im Freiverkehr notierte Unternehmen eine Aktiendividende angeboten. Aus dem Segment Scale der Frankfurter Wertpapierbörse waren dies die Deutsche Rohstoff AG sowie die Mensch und Maschine Software SE, aus dem Segment Basic Board der Frankfurter Wertpapierbörse die CR Capital AG sowie aus dem m:access Freiverkehrssegment der Börse München die Baader Bank AG, die UmweltBank AG und die VIB Vermögen AG.

Die Aktionäre der Unternehmen, die bislang am längsten von diesem Finanzinstrument profitieren konnten, sind die Anleger der Encavis AG (seit 2014) und die Anleger der Mensch und Maschine Software SE (seit 2015). Die bei der Encavis AG seit 2014 eingesparte Bardividende beträgt mittlerweile mehr als EUR 80 Millionen. Die Mensch und Maschine Software SE konnte im gesamten Zeitraum seit 2015 mehr als EUR 27 Millionen einsparen. Die größte Cash-Ersparnis, die durch die Aktiendividende bei einem Unternehmen erzielt wurde, kann die Vonovia SE vorweisen. Bei ihr liegt die Gesamtsumme seit der ersten Maßnahme im Jahr 2017 bei knapp EUR 2,3 Milliarden. Zum ersten Mal hat in der Hauptversammlungssaison 2022 die Fresenius SE & Co. KGaA eine Aktiendividende angeboten.

Folgende Teilnahmequoten sowie Cash-Ersparnisse konnten die Unternehmen mit ihrer Aktiendividende im Jahr 2022 erzielen:

Unternehmen1Teilnahmequote Cash-Ersparnis in EUR
Aroundtown SA25,7 %Ca. 77,2 Mio.
Baader Bank AG67,8 %Ca. 7,9 Mio.
CR Capital AG 82,6 %Ca. 8,4 Mio.
Deutsche Rohstoff AG 15,2 %Ca. 0,3 Mio. 
DIC Asset AG40,5 %Ca. 17,9 Mio.
Encavis AG29,7 %Ca. 10 Mio.
Fresenius SE & Co. KGaA40 %Ca. 147,2 Mio. 
Grand City Properties S.A.65 %Ca. 81,2 Mio.
LEG Immobilien SE38,2 %Ca. 113,2 Mio.
Mensch und Maschine Software SE 39,4 %Ca. 5,7 Mio.
UmweltBank AG43,2 %Ca. 3,5 Mio.
VIB Vermögen AG67,6 %Ca. 11,2 Mio.
Vonovia SE47,8 %Ca. 616,8 Mio.

1 In alphabetischer Reihenfolge. 2 Entspricht Annahmeverhältnis aller als Dividende angebotenen Aktien.

Aktiendividende als Option zur Stärkung des Eigenkapitals und der Liquidität

Nachdem sich die Europäische Zentralbank im Juli 2022 von ihrer langen Nullzinsphase verabschiedet hat und seitdem bereits viermal ihren Leitzins angehoben hat, wird es für Unternehmen stetig kostspieliger, ihre Investitionsvorhaben zu finanzieren. Weiterhin eingeschränkte Lieferketten in vielen Branchen, steigende Energiepreise sowie anhaltender Fachkräftemangel führen bei zahlreichen Unternehmen zu beachtlichen Kostensteigerungen. Diese Herausforderungen erhöhen den Bedarf an Eigenkapital und Liquidität. Die Aktiendividende eröffnet Unternehmen, die trotzdem planen, eine Dividende für das Geschäftsjahr 2022 auszuschütten, die Möglichkeit zur unkomplizierten und rechtssicheren Stärkung des Eigenkapitals und der Liquidität.

Bei der Aktiendividende steht neben der Wahlmöglichkeit für die Aktionäre, sich entweder für die Ausgabe der Dividende in Form von Aktien und/oder der Barzahlung zu entscheiden, aus Sicht des Unternehmens insbesondere die Cash-Ersparnis durch eine Reduzierung des als Bardividende auszuzahlenden Betrags im Vordergrund. 

Wesentliche Motive und Strukturierung

Die Cash-Ersparnis ermöglicht es, das Eigenkapital und die Liquidität zu stärken und/oder Möglichkeiten für Reinvestitionen oder den Schuldenabbau zu schaffen. Daneben hat die Aktiendividende weitere Vorteile:

  • Ausgleich heterogener Aktionärsinteressen (Thesaurierung vs. Dividende)
  • Erfüllung der Dividendenerwartung bzw. -ankündigung
  • Einflussnahme auf die Aktionärsstruktur
  • Möglichkeit der 10 %-Kapitalerhöhung bleibt unberührt
  • schlanke Transaktionsstruktur

Die Aktiendividende wird entweder als Sachkapitalerhöhung mit Bezugsrechten und der Ausgabe neuer Aktien strukturiert oder als Tausch eigener Aktien gegen Dividendenansprüche unter Ausschluss des Bezugsrechts. In beiden Fällen bildet ein Hauptversammlungsbeschluss die Grundlage der Maßnahme. 

Der Transaktions- und Kostenaufwand für die Ausgabe einer Aktiendividende ist im Vergleich zu prospektpflichtigen Transaktionen sowie im Verhältnis zu den eingesparten Mitteln gering und wird darüber hinaus tendenziell umso kostengünstiger, je öfter das Unternehmen seinen Aktionären die Aktiendividende anbietet.

Da die Aktionäre nicht verpflichtet sind, das Angebot anzunehmen, sondern auch die Ausschüttung in bar wählen können, ist die Möglichkeit der Aktiendividende aus Sicht der Aktionäre fast nur mit Vorteilen verbunden. 

Ausblick auf die Dividendensaison 2023: Aktiendividende bleibt lukrative Option, muss aber frühzeitig vorbereitet werden

Auch in der kommenden Dividendensaison 2023 wird die Aktiendividende unabhängig von der Größe des Unternehmens wieder Bestandteil zahlreicher Hauptversammlungen sein. Neben den Maßnahmen, die sich aufgrund der individuellen Eigenkapital- bzw. Liquiditätsstrategie ergeben, werden ggf. auch die steigenden Finanzierungskosten für Investitionen oder angepasste Dividendenstrategien mögliche Motive für das Angebot einer Aktiendividende sein.  

Insbesondere im Vergleich zu einer prospektpflichtigen Kapitalmaßnahme ist die Strukturierung einer Aktiendividende wesentlich einfacher und preiswerter. Jedoch sollte die Planung frühzeitig erfolgen. Wenn ein Unternehmen sich für eine Aktiendividende entscheidet, sollte spätestens vier Wochen vor Einberufung der Hauptversammlung 2023 mit den konkreten Vorbereitungen begonnen werden. Der Zeitaufwand, vor allem für die Erstellung der notwendigen Dokumentation, sollte nicht unterschätzt werden. 

*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

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