Börsennotierte Gesellschaften sollen ihre Aktionäre identifizieren können und Finanzintermediären eine effektive Ausübung der Aktionärsrechte erleichtern.
In Teil 1 unserer dreiteiligen Blogreihe zur Änderung der Aktionärsrechte-Richtlinie (2007/36/EG) hatten wir berichtet, auf welche Änderungen sich börsennotierte Aktiengesellschaften bei den Dauerthemen Vorstandsvergütung und den Related Party Transactions einzustellen haben.
Teil 2 knüpft nun an ein Kernanliegen der Richtlinienänderung an: Um eine „langfristige Einbeziehung der Aktionäre″, eine direkte Kommunikation der Gesellschaft mit ihren Aktionären und ein reibungsloses cross-border-voting realisieren zu können, muss es den Gesellschaften überhaupt möglich sein, ihre Aktionäre zu identifizieren – selbst dann, wenn die Aktien über eine lange, grenzüberschreitende Kette von Finanzintermediären (Zwischenverwahrer) gehalten werden.
Identifizierung der Aktionäre mit Hilfe aller Finanzintermediäre
Mit der geänderten Aktionärsrechte-Richtlinie werden die Aktiengesellschaften berechtigt, ihre Aktionäre unter Mitwirkung aller Finanzintermediäre zu identifizieren. Für Inhaberaktien ist dies in Deutschland eine Neuheit, die unabhängig davon gelten wird, ob der jeweilige Aktionär eine Direktkommunikation wünscht oder nicht. Zugleich wird der Informationsfluss im Hinblick auf die Ausübung der Aktionärsrechte entlang der Aktienverwahrkette optimiert, insbesondere im internationalen Kontext.
Im Einzelnen sieht der vorliegende Kompromiss folgende Eckpunkte vor (Verweise in diesem Beitrag beziehen sich auf den Kompromisstext vom 13.12.2016):
- Die Gesellschaft kann künftig von allen Finanzintermediären, die in der Verwahrkette zwischen ihr und ihren Aktionären stehen, Informationen zur Identität ihrer Aktionäre verlangen (Art. 3a Abs. 1), wobei der Umfang der Angaben in Art. 2 lit. (l) näher definiert ist. Zumindest Name, Kontaktdaten (Adresse und soweit verfügbar E-Mail), Registernummern juristischer Personen bzw. der Legal Entity Identifier (LEI code), Anzahl und ggf. Art der Aktien sowie der Erwerbszeitpunkt müssen auf Anfrage der Emittenten mitgeteilt werden. Denn ein geringerer Informationsumfang würde eine sinnvolle Kontaktaufnahme mit den Aktionären nicht zulassen.
- Nach dem ursprünglichen Kommissions-Entwurf sollten sowohl die Anfrage der Gesellschaft als auch die ermittelten Informationen über die volle Verwahrkette weitergeleitet werden müssen. Nunmehr wird der Finanzintermediär, der über die angeforderten Identitätsinformationen verfügt, eine direkte Übermittlung an die Gesellschaft vornehmen dürfen (sog. „Direktmodell″, Art. 3a Abs. 2a). Dieses Modell ist nicht zuletzt im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr praktikabler, flexibler und schneller.
- Nach einer neuen Ergänzung können die Mitgliedstaaten eine Ausnahme für Kleinaktionäre vorsehen, indem sie das Informationsrecht auf Aktionäre beschränken, deren Beteiligung einen bestimmten Prozentsatz überschreitet (maximal aber 0,5%, Art. 3a Abs. 1).
- Verschiedene Vorschriften dienen darüber hinaus dem Schutz der Aktionärsdaten und regeln etwa Pflichten zur Datenlöschung (spätestens 12 Monate nach Ende der Aktionärseigenschaft). Angesichts der großen – teils personenbezogenen – Datenmengen, die entlang der Verwahrkette künftig an verschiedenen Stellen akkumuliert und transportiert werden, sind entsprechende Vorkehrungen des Datenschutzes zwingend geboten. Die Löschungspflicht ersetzt zugleich eine vormals vorgesehene Standardunterrichtung der Aktionäre, dass ihre Daten an den Emittenten übermittelt werden können (Art. 3a Abs. 3 des Kommissions-Entwurfs).
Erleichterung der Ausübung der Aktionärsrechte
Insbesondere grenzüberschreitende Aktienverwahrketten behindern oft eine effektive Ausübung der Aktionärsrechte. Die Finanzintermediäre werden daher künftig – auch in Deutschland – stärker in die Pflicht genommen:
- Alle Glieder der Verwahrkette werden verpflichtet, dem Aktionär in standardisierter Form alle Informationen des Unternehmens (oder einen Hinweis auf die entsprechende Internet-Fundstelle) zu übermitteln, die er zur Ausübung seiner Aktionärsrechte (insbesondere Teilnahme und Stimmabgabe) benötigt (Art. 3b). Wenn die Gesellschaft direkt mit ihren Aktionären kommuniziert, ist diese Pflicht freilich überflüssig (siehe Art. 3b Abs. 2a).
- Im Gegenzug leiten die Finanzintermediäre alle von den Aktionären im Zusammenhang mit ihrer Rechtsausübung erhaltenen Informationen – nach Möglichkeit ebenfalls direkt – an den Emittenten zurück (Art. 3b Abs. 3 f.). Dies betrifft insbesondere Stimmrechtsvollmachten, Weisungen und Anträge.
- Darüber hinaus erhalten die Aktionäre – zumindest auf Anfrage innerhalb von maximal drei Monaten nach der Hauptversammlung – eine Bestätigung der wirksamen Stimmabgabe (Art. 3c Abs. 2).
- Schließlich müssen die Finanzintermediäre alle aufgrund der neuen Regelungen verlangten Entgelte offenlegen, um Preisdiskriminierungen bei grenzüberschreitenden Aktienbeständen zu verhindern. Die Entgelte müssen daher diskriminierungsfrei sein und im Verhältnis zu den tatsächlichen Kosten stehen, wenn die Mitgliedsstaaten nicht sogar eine Gebührenfreiheit für die Dienstleistungen nach Maßgabe der Richtlinie bestimmen (Art. 3d).
Bemerkenswert an den Regelungen zur Identifikation der Aktionäre und zur Erleichterung der Rechtsausübung ist deren extra-territoriale Wirkung. Auch Finanzintermediäre aus Drittstaaten werden verpflichtet, sofern sie Dienstleistungen im Hinblick auf „EU-Aktien″ erbringen (Art. 3e). Da Aktienverwahrketten nicht selten über den Tellerrand der EU reichen (etwa in die USA), ist der erweiterte Anwendungsbereich für eine effektive Umsetzung maßgeblich.
Die EU-Kommission wird schließlich ermächtigt, mit Durchführungsakten die Mindestanforderungen an die Informationsübermittlung und die von den Finanzintermediären zu erbringenden „Erleichterungs-Leistungen″, Formen und Fristen sowie Sicherheits- und Schnittstellenfragen entlang der Kette der Zwischenverwahrer zu präzisieren und festzulegen (Art. 3c Abs. 3).
Voraussichtlich im März 2017 wird das Europäische Parlament die Änderungsrichtlinie final beschließen. In den zwei Jahren nach Inkrafttreten der Änderungsrichtlinie wird der deutsche Gesetzgeber die vorstehenden Neuerungen nicht zuletzt in das Aktiengesetz zu integrieren haben. Mit umfassenden Änderungen ist zu rechnen. Auf die Finanzintermediäre kommen Herausforderungen beim Datenaustausch zu. Mag die Ausübung der Aktionärsrechte am Ende auch „erleichtert″ sein, die Anwendung des Aktienrechts wird es jedenfalls nicht!
In unserer dreiteiligen Blogreihe geben wir Ihnen in Teil 1 einen Überblick zur Aktionärsrechte-Richtlinie, welche Änderungen bei den Dauerthemen Vorstandsvergütung und den Related Party Transactions auf börsennotierte Aktiengesellschaften zukommen werden. Zentrales Anliegen der Richtlinie ist die stärkere Beteiligung der Aktionäre an der Corporate Governance. Der 2. Teil hat sich mit dem künftigen Recht börsennotierter Gesellschaften befasst, ihre Aktionäre mit dem Ziel einer direkten Aktionärs-Kommunikation zu identifizieren. Finanzintermediäre sollen daneben eine effektive Ausübung der Aktionärsrechte erleichtern. Teil 3 wird Ihnen das Maßnahmenpaket für institutionelle Anleger, Vermögensverwalter und Stimmrechtsberater vorstellen, die heute zwar eine immer größere Rolle spielen, ihren Einfluss aber oftmals nicht im Sinne einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung ausüben, so jedenfalls die Einschätzung des europäischen Gesetzgebers.