1. Juni 2015
Blick mit Lupe auf Aktienkurs
Aktienrecht Corporate / M&A

Zur Sanierung börsennotierter Unternehmen

Bei der Sanierung börsennotierter Unternehmen gelten Besonderheiten. Wer das übersieht, läuft Gefahr, die Aktien aller anderen Aktionäre kaufen zu müssen.

Erreichen Aktionäre die Schwelle von 30 Prozent der Stimmrechte eines börsennotierten Unternehmens, müssen sie allen anderen Aktionären anbieten, ihre Aktien zu einem bestimmten Mindestpreis zu kaufen (sogenanntes Pflichtangebot). In einer Sanierungssituation würde es regelmäßig einen „Dealbreaker″ für die Sanierungsverhandlungen darstellen, wenn einer der Beteiligten ein Pflichtangebot abgeben müsste. Damit hieran nicht die Rettung des Unternehmens scheitert – auch zulasten der außenstehenden Aktionäre –, sieht das Übernahmerecht bestimmte Ausnahmeregelungen vor.

Überschreitung der 30 Prozent-Schwelle in Sanierungssituationen

In Sanierungssituationen kann es schnell zur Überschreitung der 30 Prozent-Schwelle kommen. Wird dem Unternehmen etwa durch eine Kapitalerhöhung neues Eigenkapital zugeführt, erhöht sich der Anteil des Hauptaktionärs, wenn die übrigen Aktionäre vom Bezug neuer Aktien ausgeschlossen sind. Ein Sonderfall der Kapitalerhöhung ist der „Debt-Equity-Swap″, bei dem ein Gläubiger seine Forderung gegen die Gesellschaft in diese einbringt und im Gegenzug neue Aktien erhält.

Sprechen sich mehrere Großaktionäre mit dem Ziel der Durchsetzung von Sanierungsmaßnahmen ab, besteht die Gefahr, dass dieses Zusammenwirken als „Acting in Concert″ gewertet wird. In diesem Fall werden den Beteiligten ihre Stimmrechte wechselseitig zugerechnet, was ebenfalls zur Erreichung der 30 Prozent-Schwelle führen kann.

Befreiung von der Angebotspflicht

Die BaFin kann einen Aktionär auf Antrag von der Verpflichtung zur Abgabe des Pflichtangebots befreien, wenn das Unternehmen sanierungsbedürftig ist, ein Sanierungskonzept vorliegt und der Antragsteller einen Sanierungsbeitrag leistet.

Das Unternehmen ist sanierungsbedürftig, wenn bestehende Risiken erwarten lassen, dass es nicht fortgeführt werden kann. Die Sanierungsbedürftigkeit ist durch Vorlage des testierten Lageberichts der Gesellschaft nachzuweisen, in dem diese Risiken dargestellt sein müssen. Weist der letzte Lagebericht solche Risiken nicht aus oder ist er nicht mehr hinreichend aktuell, ist stattdessen das Testat eines Wirtschaftsprüfers vorzulegen. Dagegen genügt es für die Sanierungsbedürftigkeit nicht, dass die Gesellschaft lediglich defizitär wirtschaftet.

Der Antragsteller muss der BaFin ein Sanierungskonzept vorlegen, das die beabsichtigten Sanierungsmaßnahmen darlegt. Das Konzept muss mindestens auf die mittelfristige Stabilisierung der Gesellschaft ausgerichtet sein. An die Feststellung der Erfolgsaussichten des Konzepts stellt die BaFin keine allzu strengen Herausforderungen. Vielmehr beschränkt sich die Prüfung meist auf die Plausibilität der Sanierungsmaßnahmen. Das Konzept muss von einem Wirtschaftsprüfer oder einem etablierten Sanierungsberater ausgearbeitet bzw. in seiner Plausibilität bestätigt werden. Gutachten des Antragstellers oder der betroffenen Gesellschaft werden dagegen nicht akzeptiert.

Der Antragsteller muss einen finanziellen Beitrag leisten, der wesentlich für die Sanierung des Unternehmens ist. Er muss der Gesellschaft nicht zwingend neue Liquidität zuführen, etwa durch eine Kapitalerhöhung oder ein Darlehen. Vielmehr kann bereits ein Forderungsverzicht oder die Übernahme von Verbindlichkeiten genügen. Kein ausreichender Beitrag liegt im bloßen Stellen von Sicherheiten oder der Stundung von Forderungen. Der Antragsteller sollte die Zusage seines Sanierungsbeitrags jedenfalls unter die Bedingung stellen, dass die Sanierungsbefreiung auch tatsächlich erteilt wird.

Entscheidung im Ermessen der BaFin

Ob und wie die Befreiung erteilt wird, liegt im Ermessen der BaFin. Sie wägt die Interessen des Antragstellers an der Befreiung gegen die Interessen der anderen Aktionäre an der Abgabe des Pflichtangebots ab. Es ist umstritten, ob die Befreiung auch zu gewähren ist, wenn der Aufwand für die Durchführung des Pflichtangebots im Vergleich zum Aufwand der Sanierung nicht ins Gewicht fällt. Umgekehrt verlangt die BaFin aber nicht, dass der Sanierungsbeitrag mindestens dem Aufwand des Pflichtangebots entspricht. Hat die BaFin einmal die Befreiung erteilt, bleibt diese auch dann wirksam, wenn die Sanierung erfolgreich durchgeführt wurde oder gescheitert ist.

Tags: Acting in Concert BaFin Dealbreaker Debt-Equity-Swap Sanierung