30. Oktober 2017
Beschlussfassung im Gesellschafterstreit
Corporate / M&A

Beschlussfassung in der streitigen Gesellschafterversammlung

Der Gesellschafterstreit führt zum Showdown in der Gesellschafterversammlung. Wir zeigen auf, was bei der Beschlussfassung zu beachten ist.

Liegen Gesellschafter im Streit, werden in der Gesellschafterversammlung nicht selten hitzige Diskussionen geführt. Aber nur durch eine wirksame Beschlussfassung kann ein verbindliches Ergebnis herbeigeführt werden. Idealerweise findet der Streit damit ein Ende. Tatsächlich wird jedoch häufig über den Beschluss selbst weiter gestritten und auch grundlegende Konflikte sind durch einen Beschluss in der Regel nicht ausgeräumt.

Am Anfang steht der Beschlussantrag

Eine Beschlussfassung ist nur möglich, wenn zu dem Tagesordnungspunkt wirksam eingeladen wurde oder alle Gesellschafter mit der Beschlussfassung einverstanden sind. Letzteres wird in einer streitigen Situation selten der Fall sein.

Die Beschlussfassung setzt weiter voraus, dass ein Gesellschafter einen Antrag stellt. Der Antrag kann sowohl auf eine inhaltliche Entscheidung in der Sache selbst als auch auf das weitere Verfahren für die Behandlung eines Themas gerichtet sein. Letzteres wäre beispielsweise bei einem Antrag auf Vertagung der Entscheidung der Fall.

Anträge in der Sache selbst sind so konkret zu formulieren, dass sie anschließend ohne Probleme umgesetzt werden können. Ansonsten besteht die Gefahr, dass ein gefasster Beschluss so mehrdeutig ist, dass über seine Umsetzung erneut Streit entsteht. In der Vorbereitung auf die Gesellschafterversammlung sollte sich daher jeder Gesellschafter mit dem konkreten Ziel auseinandergesetzt haben, das er bei jedem Tagesordnungspunkt erreichen will, und konkrete Formulierungen der Anträge in der Tasche haben.

Die Beschlussfassung bei verschiedenen Anträgen zu einem Thema

Zu einem Tagesordnungspunkt können mehrere Beschlussanträge gestellt werden. Der Versammlungsleiter entscheidet über die Reihenfolge, in der über die Anträge abgestimmt wird. Die Gesellschafter können versuchen, auf die Reihenfolge Einfluss zu nehmen, indem sie beantragen, über die Behandlung der verschiedenen Anträge in einer bestimmten Reihenfolge abzustimmen.

Stellt ein Gesellschafter einen Beschlussantrag über die Sache selbst, hat er einen Anspruch auf Entscheidung über diesen Antrag. In diesem Fall kann ein anderer Gesellschafter die Beschlussfassung in der Regel nicht durch einen Antrag auf Vertagung verhindern oder verschieben. Ausnahmen bestehen, wenn die inhaltliche Befassung mit dem Antrag weitere Informationen voraussetzt, die im Zeitpunkt des Antrags noch nicht vorliegen.

Ermittlung der erforderlichen Mehrheit

Für jeden Beschlussantrag ist zunächst gesondert zu ermitteln, welche Mehrheit für die Beschlussfassung notwendig ist. Je nach Beschlussgegenstand und abhängig von den gesetzlichen und gesellschaftsvertraglichen Regelungen bedarf es einer einfachen Mehrheit, einer qualifizierten Mehrheit (z.B. 75%) oder der Einstimmigkeit. Teilweise besteht auch eine Zustimmungsbedürftigkeit für alle oder einzelne Gesellschafter, so dass Beschlüsse ohne Zustimmung der Betroffenen nicht wirksam werden.

Stets ist anhand der Vorgaben des Gesellschaftsvertrages zu klären, ob die Mehrheit der anwesenden oder abgegebenen Stimmen maßgeblich ist. Dabei spielt insbesondere eine Rolle, wie Enthaltungen zu zählen sind. Es macht einen Unterschied, ob Enthaltungen bei der Ermittlung der Mehrheit außer Betracht bleiben oder ob sie faktisch wie Nein-Stimmen zählen.

Berücksichtigung von Stimmverboten

Darüber hinaus unterliegen möglicherweise einzelne Gesellschafter für bestimmte Beschlussfassungen einem Stimmverbot. Für die GmbH sind Stimmverbote in § 47 Abs. 4 GmbHG gesetzlich normiert. Stimmverbote bestehen demnach bei der Beschlussfassung über die eigene Entlastung, über die Befreiung des Gesellschafters von einer Verbindlichkeit, über die Vornahme eines Rechtsgeschäfts und über die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits mit dem Gesellschafter.

Bei den im Gesetz geregelten Stimmverboten handelt es sich um verschiedene Fälle einer Interessenkollision. Der Grund für das Bestehen von Stimmverboten ist, dass der Gesellschafter bei der Beschlussfassung nicht persönliche Sonderinteressen vor das gemeinschaftliche Interesse stellen soll.

Ungeschriebene Stimmverbote

Neben den gesetzlichen Stimmverboten gelten allgemeine Grundsätze wie der Gleichbehandlungsgrundsatz, die Bindung an die guten Sitten und die Treuepflicht von Gesellschaftern. Auch diese Grundsätze führen unter Umständen zu einem Stimmverbot einzelner Gesellschafter. Der BGH zieht die Grenzen für die Anwendung der Treuepflicht jedoch eng.

Weiterhin gibt es eine Vielzahl von Konstellationen, die nicht ausdrücklich normiert, den gesetzlich geregelten Fällen aber ähnlich sind. Auch wenn es kein allgemeines, ungeschriebenes Stimmverbot bei Interessenkollisionen gibt, sind die Fälle des § 47 Abs. 4 GmbHG doch analogiefähig. Das gesetzliche Stimmverbot kann demnach auch auf vergleichbare Fälle anwendbar sein.

So gilt das Stimmverbot bei Beschlussfassung über ein Rechtsgeschäft auch dann, wenn der Beschluss das Rechtsgeschäft lediglich mittelbar betrifft. Es ist nicht erforderlich, dass über das Rechtsgeschäft selbst abgestimmt wird. Daher unterliegt ein Gesellschafter auch bei dem Beschluss über die Erteilung einer Vollmacht für den Abschluss eines Rechtsgeschäfts mit ihm einem Stimmverbot.

Auch darf ein Gesellschafter zum Beispiel nicht mitstimmen, wenn ein Beschluss darüber gefasst werden soll, ob ein Anspruch gegen diesen Gesellschafter geltend gemacht wird. Schließlich könnte das Ergebnis der Beschlussfassung auch die Nichtgeltendmachung des Anspruchs sein. Und diese ist wiederum vergleichbar der Befreiung des Gesellschafters von der Verbindlichkeit.

Reichweite des Stimmverbots

Das Stimmverbot darf zudem nicht dadurch umgangen werden, dass der Gesellschafter an seiner Stelle einen Vertreter mit der Ausübung des Stimmrechts beauftragt. Umgekehrt ist bei Erteilung einer Vollmacht darauf zu achten, dass der bevollmächtigte Vertreter keinem Stimmverbot unterliegt.

Der aufgrund eines Stimmverbots von der Beschlussfassung ausgeschlossene Gesellschafter ist darüber hinaus nicht nur an der Mitwirkung in der Sache selbst gehindert, sondern auch an der Beschlussfassung über Verfahrensfragen. Daher darf ein Gesellschafter zum Beispiel nicht über eine Vertagung eines Tagesordnungspunktes abstimmen, zu dem er einem Stimmverbot unterliegt.

Schwierige Beschlussfeststellung bei Stimmverboten

Die Entscheidung über das Bestehen eines Stimmverbots ist daher oft nicht einfach und zwischen den Gesellschaftern umstritten. Die Folgen eines Stimmverbots sind erheblich: der betroffene Gesellschafter darf nicht mit abstimmen. Gibt er dennoch eine Stimme ab, darf diese nicht mitgezählt werden. Das Stimmverbot nimmt dem Gesellschafter somit eines seiner wesentlichen Mitwirkungsrechte.

Der Versammlungsleiter stellt in der Regel das Beschlussergebnis fest. Er muss daher etwaige Stimmverbote bei der Auszählung der Stimmen berücksichtigen. Diese Entscheidungsbefugnis darf der Versammlungsleiter jedoch nicht missbrauchen. Er hat eine sachliche Entscheidung zu treffen. Werden Stimmen trotz Stimmverbot gezählt oder werden Stimmen nicht berücksichtigt, die tatsächlich keinem Stimmverbot unterliegen, ist der festgestellte Beschluss mangelhaft.

Gesellschafter, die mit der Entscheidung des Versammlungsleiters über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Stimmverbotes nicht einverstanden sind, müssen den Beschluss im Nachgang zur Gesellschafterversammlung angreifen. Auf die Möglichkeiten der gerichtlichen Klärung von Beschlussmängelstreitigkeiten bei der GmbH und bei der Personengesellschaft werden wir in späteren Beiträgen im Detail eingehen.

Unsere Beitragsreihe informiert rund um das Thema Gesellschafterstreitigkeiten. Bereits erschienen sind Beiträge zur Entstehung von Gesellschafterkonflikten, die mögliche Steuerung durch Gestaltung der Gesellschafterverträge und wie streitige Gesellschafterversammlungen vorbereitet und durchgeführt werden können. Zuletzt haben wir uns mit der Teilnahme von Beratern an Gesellschafterversammlungen befasst.

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