28. August 2025
Corporate / M&A

Earn-Out-Klauseln in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit – Chance oder Risiko?

Wenn Käufer und Verkäufer sich beim Unternehmenswert nicht einig werden, können Earn-Out-Klauseln helfen – oder Streit verursachen. Warum sie gerade jetzt Hochkonjunktur haben und worauf Sie achten sollten.

In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit – etwa infolge geopolitischer Spannungen, schwankender Märkte oder erhöhter Finanzierungskosten – tun sich Käufer und Verkäufer häufig schwer, sich auf einen fixen Kaufpreis für ein Unternehmen zu einigen. Prognosen sind unsicher, Geschäftsmodelle verändern sich rasant.

Was ist ein Earn-Out – und warum jetzt?

Ein „Earn-Out″ ist ein Instrument, das diese Lücke überbrücken kann: Ein Teil des Kaufpreises wird an das Erreichen bestimmter Ziele in der Zukunft geknüpft – meist finanzieller Natur (z. B. Umsatz, EBITDA). Verkäufer erhalten den vollen Kaufpreis also nur dann, wenn das Unternehmen nach der Übernahme wie geplant performt.

Gerade in der aktuellen Marktphase erfreuen sich Earn-Out-Klauseln wachsender Beliebtheit – sie können Brücken bauen, wo sonst ein Deal scheitern würde. Dies spiegelt sich auch in unserer aktuellen M&A-Studie wider: Der Anteil von Earn-Out-Klauseln in M&A-Transaktionen ist im Jahr 2022 auf 27 % gestiegen. Er sank sodann leicht, befindet sich jedoch noch immer auf dem dritthöchsten Niveau seit 2010. Besonders auffällig ist der vermehrte Einsatz von Earn-Out-Klauseln bei großen Deals (über 100 Mio. Euro Transaktionswert). Die Laufzeiten von Earn-Out-Vereinbarungen haben sich weitgehend im Bereich von 12 bis 24 Monaten eingependelt, wobei bei großvolumigen Deals größere Schwankungen zu beobachten sind.

Inhaltlich werden Earn-Out-Klauseln vor allem in Branchen wie dem Gesundheitswesen, dem Technologiesektor, der Medienbranche sowie der Konsumgüterindustrie häufig eingesetzt, also vermehrt dann, wenn die persönliche Leistung von Schlüsselpersonen eine zentrale Rolle für den zukünftigen Unternehmenserfolg spielt. Bei Transaktionen im Immobilien- und Infrastrukturbereich, also bei stabilen, asset-lastigen Geschäftsmodellen mit gut kalkulierbaren Cashflows, bewegt sich ihre Nutzung hingegen aktuell wieder auf dem Vorkrisenniveau.

Die Perspektive der Parteien

Ein Earn-Out kann aus Verkäufersicht attraktiv sein, wenn man vom zukünftigen Erfolg des Unternehmens überzeugt ist – vor allem, wenn ein Verkäufer nach dem Verkauf weiterhin operativ tätig bleibt. Gleichzeitig birgt die Vereinbarung eines Earn-Outs Risiken, der Verkäufer gibt Kontrolle ab, hat aber wirtschaftlich noch „Skin in the Game″. Die typische Sorge des Verkäufers in der Earn-Out Periode ist daher, dass der Käufer nicht alles tun wird, um das vereinbarte Ziel zu erreichen.

Für Käufer bedeutet ein Earn-Out hingegen Flexibilität: Sie zahlen nur dann einen höheren Kaufpreis, wenn sich das Geschäft tatsächlich auszahlt. Zudem lassen sich Investitionen oder notwendige Restrukturierungen besser steuern, ohne gleich den vollen Preis zahlen zu müssen. Die typische Sorge des Käufers in der Earn-Out Periode ist, wie er verhindern kann, dass der Verkäufer unrealistische Erwartungen an die Zielerreichung knüpft und wie er sich möglichst Flexibilität hinsichtlich der Führung des Unternehmens (Investitionen, Umstrukturierungen) erhält.

Gestaltungsspielräume – und Konfliktpotenzial

So hilfreich Earn-Outs sein können: Sie sind rechtlich und wirtschaftlich komplex. Gerade wenn sie nicht sorgfältig ausgestaltet sind, bergen sie erhebliches Konfliktpotenzial. Die häufigsten Streitpunkte betreffen dabei vor allem fünf Bereiche:

Zieldefinition: Hier stellt sich regelmäßig die Frage, an welche Kennzahlen der Earn-Out geknüpft werden soll – etwa Umsatz, EBITDA oder Kundenanzahl. Wichtig ist, dass die gewählten Ziele nicht nur erreichbar, sondern auch möglichst manipulationssicher sind. Während in der Vergangenheit EBIT bzw. EBITDA als Referenzwert dominierten, gewinnen umsatzbasierte Kennzahlen zunehmend an Bedeutung – insbesondere außerhalb Europas.

Berechnungsgrundlage: Uneinigkeit besteht oft darüber, nach welchen Rechnungslegungsstandards der relevante Zielwert zu ermitteln ist und welche Anpassungen bei der Berechnung zulässig sein sollen. Ohne klare Regeln eröffnen sich hier erhebliche Spielräume – und Streitpotenzial.

Einflussmöglichkeiten des Käufers: Insbesondere Verkäufer sorgen sich häufig, ob der Käufer nach dem Vollzug Maßnahmen ergreifen könnte, die die Zielerreichung erschweren – etwa durch Umstrukturierungen oder das Umlenken von Ressourcen.

Informationsrechte des Verkäufers während der Earn-Out Periode: Bleibt der Verkäufer im Dunkeln über die operative Entwicklung und die wirtschaftlichen Kennzahlen des Unternehmens, steigt das Misstrauen – insbesondere, wenn das vereinbarte Ziel nicht erreicht wird.

Sogenannte Verhinderungspflichten: Hier geht es um die Frage, ob und inwieweit der Käufer verpflichtet ist, auf Maßnahmen zu verzichten, die die Zielerreichung gefährden könnten – oder ob ihm in der Unternehmensführung freie Hand bleibt.

Vertragsgestaltung – worauf zu achten ist

Ein gut konzipierter Earn-Out ist wie ein Maßanzug: individuell zugeschnitten, präzise formuliert und mit Weitblick gestaltet. Damit er in der Praxis funktioniert, sollten einige zentrale Aspekte besonders beachtet werden.

Zunächst ist es entscheidend, klare und messbare Zielkriterien festzulegen. Diese sollten möglichst objektiv, manipulationssicher und eindeutig feststellbar sein – etwa durch die Anknüpfung an geprüfte (auditierte) EBITDA-Werte. Unklare oder dehnbare Erfolgskennzahlen sind eine der Hauptursachen für spätere Auseinandersetzungen.

Ebenso wichtig ist die Festlegung einheitlicher kaufmännischer Standards und Rechnungslegungsgrundlagen. Nur so lässt sich verhindern, dass durch bilanzielle Gestaltungsspielräume – etwa durch bewusstes „Window Dressing″ – das Ergebnis verfälscht wird.

Darüber hinaus empfiehlt es sich, klare Verhaltenspflichten des Käufers zu vereinbaren. So kann etwa festgelegt werden, dass der Geschäftsbetrieb im Rahmen des Üblichen fortzuführen ist, um zu vermeiden, dass Maßnahmen ergriffen werden, die sich nachteilig auf die Zielerreichung auswirken.

Ergänzend sollten Informations- und Mitwirkungspflichten des Käufers geregelt werden. Verkäufer, deren Kaufpreisanspruch ganz oder teilweise von zukünftigen Ergebnissen abhängt, sollten nachvollziehen können, wie sich das Unternehmen während der Earn-Out Periode entwickelt.

Nicht zuletzt ist auch an die Streitvermeidung zu denken: Gerade bei wirtschaftlichen Fragen ist es häufig sinnvoll, die Entscheidungskompetenz im Streitfall einem neutralen Gremium – etwa einem Schiedsgutachter oder Schiedsgericht – zu übertragen. Dies kann langwierige und kostenintensive Auseinandersetzungen vor ordentlichen Gerichten vermeiden.

Earn-Outs in der Praxis: Chance mit Bedacht nutzen

Richtig eingesetzt, können Earn-Outs für beide Seiten eine Win-Win-Situation schaffen. Sie ermöglichen Deals, die ohne diese Flexibilität vielleicht nicht zustande kämen. Gleichzeitig ist ihre Umsetzung anspruchsvoll – juristisch wie wirtschaftlich.

Unsere Erfahrung zeigt: Gut gemeinte, aber schlecht formulierte Earn-Outs führen oft zu erheblichen Nachverhandlungen oder sogar zu Rechtsstreitigkeiten. Umso wichtiger ist es, frühzeitig die richtigen Fragen zu stellen und sich von erfahrenen Beratern begleiten zu lassen.

Tags: Corporate / M&A Earn-out