25. März 2022
M&A Verhandlung Nachhaltig ESG-Due Diligence
Corporate Governance & Risk Compliance (ESG)

ESG-Faktoren in M&A-Transaktionen – nachhaltige Verhandlungen

Wir gehen der Frage nach, wie ESG-Risiken die M&A-Transaktion und insbesondere die Verhandlungen beeinflussen.

Unumstritten erfährt die Aufdeckung sog. ESG-Risiken eine neue Relevanz in M&A-Transaktionen. Dabei handelt es sich weniger um einen Paradigmenwechsel, als vielmehr um eine neue Feinjustierung. 

ESG-Faktoren wurde bereits in vergangenen M&A-Transaktionen Aufmerksamkeit zuteil, gerade wenn diese ESG-Faktoren bereits rechtlicher Regulierung unterlagen. Jedoch ist insgesamt das Bewusstsein für „weiche“ Themen wie Nachhaltigkeit und ESG in der Gesellschaft und den Unternehmen größer geworden, sodass dies in M&A-Transaktionen neuerdings stärker in den Fokus rückt als bislang.

Dabei sind das Vorkommen und die Ausgestaltung von ESG-Risiken überaus vielfältig und branchenabhängig. 

  • Im Bereich „Environment“ stellen Umweltverschmutzung, Ressourcenknappheit, Bedrohung der Artenvielfalt und Wassermangel typische Beispiele dar. 
  • Im Bereich „Social“ wird in der jüngsten Vergangenheit und verstärkt durch die nationalen sowie durch EU-Bestrebungen das Lieferkettenmanagement eines Unternehmens als mögliche Risikoquelle wahrgenommen. Neben einer nachhaltigen Lieferkettengesetzgebung liegt der Fokus hier auf dem klassischen Arbeits- und Gesundheitsschutz. 
  • Im Bereich „Governance“ werden insbesondere Fragen nach den im Unternehmen geltenden Vergütungsstrukturen, der Diversity und dem Risikomanagement gestellt.

Identifizierung von ESG-Risiken im Rahmen einer ESG Due Diligence

Sofern der Verkäufer* eine sog. Vendor Due Diligence durchführt, kann die Aufdeckung von ESG-Risiken bereits vor Eintritt in die Transaktion erfolgen. Dies gibt der Verkäuferseite die Chance, bestehende ESG-Risiken im besten Falle zu beseitigen und, sofern die Zeit es hier erlaubt, eine Neuausrichtung der Zielgesellschaft im Bereich Nachhaltigkeit anzugehen. 

Häufiger erfolgt die Aufdeckung solcher ESG-Risiken jedoch im Rahmen der Buy Side Legal Due Diligence. Im optimalen Falle stimmen sich Rechtsberater und Mandant vor Eintritt in die Legal Due Diligence miteinander ab. Teils wird auch zunehmend von einer ESG Due Diligence gesprochen.

Aktuell sind die Fragen mit ESG-Bezug überwiegend ein Zusatzbaustein zu der Legal Due Diligence und beziehen sich auf bestimmte abgrenzbare Bereiche (z.B. Fragen zur Arbeitssicherheit, umweltrechtliche Themen). Bei Mandanten aus dem Bereich Banken und Versicherungen ist zunehmend bereits ein stärkerer Schwerpunkt auf die ESG Due Diligence zu erkennen. Es ist zu erwarten, dass sich die ESG Due Diligence immer mehr am M&A-Markt – auch bei strategischen Investoren – etablieren wird. 

ESG-Risiken als Deal Breaker

Sollte das aufgespürte ESG-Risiko erheblich sein und möglicherweise zu finanziell nicht kalkulierbaren Schäden führen, steht die Frage nach einem Abbruch der Transaktion im Raum.

Typischerweise bestehen jedoch vor einem solchen Worst Case – dem Abbruch einer Transaktion – eine Reihe von Möglichkeiten, wie identifizierte Risiken in den Kaufvertragsverhandlungen berücksichtigt werden können. 

Berücksichtigung von ESG-Risiken im Kauf- und Abtretungsvertrag (Sales and Purchase Agreement, SPA)

Preisabschlag: Sofern sich die ESG-Risiken finanziell bewerten lassen, kommt zunächst ein Abzug vom Kaufpreis in Betracht. Sofern aus dem identifizierten ESG-Risiko ein konkret messbarer Schaden, z.B. ein Bußgeld, folgt bzw. zumindest folgen könnte, fällt die finanzielle Bewertung noch leicht. Dann entspricht die finanzielle Bewertung üblicherweise dem maximal zu erwartenden Schaden im Verhältnis zu der erwarteten Eintrittswahrscheinlichkeit. Bei (drohenden) Umsatzeinbußen oder einer schlechteren Bewertung am Markt aufgrund von Bad Publicity wird der Nachweis eines konkreten Schadens dagegen schwieriger sein. In solchen Fällen kann es hilfreich sein, die Berater- und Durchführungskosten zur Behebung des ESG-Risikos, sofern eine Heilung bzw. Änderung für die Zukunft möglich ist, als Anhaltspunkte für die Berechnung des Abzugs heranzuziehen.

Signing oder Closing Condition: Wenn bspw. das Zielunternehmen über keine Nachhaltigkeitsstrategie verfügt, dies aber etwa Voraussetzung für die interne Zustimmung des Interessenten zur Transaktion darstellt, kann die Verabschiedung eines solchen Nachhaltigkeitsstandards zur Voraussetzung für die Unterzeichnung (Signing Condition) des Kauf- und Abtretungsvertrages oder für dessen Vollzug (Closing Condition) gemacht werden. 

Ein anderes Beispiel für solche Unterzeichnungs- oder Vollzugsvoraussetzungen kann der Abschluss von bestimmten Versicherungen, wie etwa einer Climate Risk Insurance, durch das Zielunternehmen sein. Hierbei ist zu bedenken, wer die Kosten für diese Versicherung trägt und ob die zu zahlende Prämie nicht als Abzug vom Kaufpreis anzusetzen ist. 

Post-Closing-Maßnahme bzw. Post-Merger-Integration-Maßnahme: Da die Zeit zwischen Signing und Closing meist relativ kurz ist und die Behebung von ESG-Risiken häufig nicht von heute auf morgen möglich sein wird, wird nicht selten der Kaufinteressent die Behebung des ESG-Risikos als Post-Closing-Maßnahme bzw. Post-Merger-Integration-Maßnahme nach erfolgreichem Abschluss der Transaktion angehen. 

Dieses Vorgehen hat den Vorteil, dass gleichzeitig eine Konsolidierung mit den ESG-Vorgaben der Käufergruppe erfolgen kann. Um eine solche ESG-Konsolidierung zu beschleunigen, kann es sich anbieten – zumindest bei Exklusivität der Kaufvertragsverhandlungen –, mit der Planung für eine solche Konsolidierung bereits parallel zu der Due Diligence und den Vertragsverhandlungen zu beginnen. Ob die Kosten für die Post-Closing-Maßnahme bzw. Post-Merger-Integration-Maßnahme (teilweise)vom Kaufpreis  abgezogen werden, hängt von der Verhandlungsstärke des Käufers ab. 

Specific Indemnity (Freistellungen): Nicht ausgeschlossen ist, dass in der ESG Due Diligence zwar ESG-Risiken identifiziert werden, aber hieraus für das Zielunternehmen noch kein Schaden entstanden ist. In einem solchen Fall bietet es sich an, eine spezifische Freistellung (Specific Indemnity) in den Kaufvertrag aufzunehmen. Wenn bspw. in der ESG Due Diligence Verstöße gegen das Lieferkettengesetz identifiziert werden, sollte aus Käufersicht eine Freistellung von künftigen Bußgeldern und Vertragsstrafen in der Lieferkette in diesem Zusammenhang vereinbart werden. 

Letztlich wird sowohl die Durchsetzung eines Preisabschlags als auch die Aufnahme einer Freistellung stets davon abhängen, wie der Verkäufer und der Kaufinteressent die Realisierung eines identifizierten ESG-Risikos einschätzen und wie die Verhandlungspositionen von Verkäufer und Kaufinteressent in der betreffenden M&A-Transaktion sind.

ESG-Garantien: Die Aufnahme allgemeiner oder spezifischer ESG-Garantien bietet sich dagegen an, wenn keine Risiken ausgemacht wurden oder wenn sich bestimmte Umstände nicht aufklären lassen konnten. Selbstverständlich kann der Käufer versuchen, eine möglichst weite allgemeine ESG-Garantie zu vereinbaren. Ein mögliches Formulierungsbeispiel könnte wie folgt aussehen: 

Der Verkäufer hat keine positive Kenntnis von Situationen, Ereignissen oder Bedingungen bei der Zielgesellschaft in den Bereichen Umwelt, Soziales oder Unternehmensführung (ESG), die innerhalb der letzten [3] Jahre vor dem Datum der Unterzeichnung des Kaufvertrages bei der Zielgesellschaft unter Verletzung von Gesetzen, Vorschriften oder Standards bestanden haben oder aufgetreten sind und deren Bestehen oder Auftreten innerhalb eines Zeitraums von [12] Monaten ab der Unterzeichnung des Kaufvertrages nach vernünftigem Ermessen eine wesentliche nachteilige Auswirkung auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Zielgesellschaft oder auf den Ruf der Zielgesellschaft haben könnte.

Daneben stehen Garantien, die auf aktuelle Ereignisse zurückgehen, wie bspw. die mittlerweile als sog. Weinstein-Klausel bzw. Me-Too-Garantie bekanntgewordene Garantie, dass im Zielunternehmen keine Vorwürfe einer sexuellen Belästigung oder eines sexuellen Fehlverhaltens gegen gegenwärtige oder frühere Führungskräfte des Unternehmens erhoben wurden oder drohen. 

Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Verkäuferseite so weitreichende ESG-Garantien ablehnen wird. Der naheliegendere Ansatz ist daher, spezifische und isolierte Ergänzungen zu den typischerweise im Rahmen einer M&A-Transaktion vereinbarten Fundamental Warranties und Business Warranties vorzunehmen. Bspw. können arbeitsrechtliche Garantien durch eine Garantie für die Einhaltung bestimmter anerkannter arbeitsrechtlicher Standards ergänzt werden. Umweltrechtliche Garantien können durch Aussagen zum Schutz der biologischen Vielfalt, zur Abfallvermeidung, zum Recycling oder zur Kreislaufwirtschaft im Zielunternehmen erweitert werden. Als Teil der Garantie für wesentliche Vereinbarungen kann der Käufer zudem bspw. eine Garantie dafür verlangen, dass das Zielunternehmen die gesetzlichen Sorgfaltspflichten in Bezug auf seine Lieferketten erfüllt hat. 

Rechtsfolge bei Verstoß gegen ESG-Garantien: Gerade mit Blick auf die oft zu erwartende schwierige Nachweisbarkeit eines Schadens, z.B. bei Umsatzeinbußen aufgrund von Verletzungen von Menschenrechten in der Lieferkette, stellt sich die Frage, ob die Interessen des Käufers nicht durch die Aufnahme einer Vertragsstrafe im SPA geschützt werden könnten. 

Häufig sieht das SPA zur Absicherung des Wettbewerbs- und Abwerbeverbotes (Non-Compete und Non-Solicitate) eine Vertragsstrafe vor. Die Zulässigkeit einer solchen Vertragsstrafe ist rechtlich anerkannt, sofern bestimmte Voraussetzungen zum zeitlichen, sachlichen und räumlichen Umfang eingehalten werden. 

Bei einer Vertragsstrafe für nicht eingehaltene ESG-Garantien stellt sich die Frage nach deren rechtlicher Zulässigkeit, insbesondere mit Blick auf die im deutschen Recht geltenden AGB-rechtlichen Vorgaben. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass bereits umstritten ist, inwiefern die im Zivilrecht grds. geltende Allgemeine-Geschäftsbedingungen(AGB)-Kontrolle Anwendung bei M&A-Transaktionen findet. 

AGB sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt (§ 305 Abs. 1 S. 1 BGB). Typischerweise beruhen Unternehmenskaufverträge auf Vertragsmustern und Musterklauseln, jedoch werden die Vertragsklauseln im Unternehmenskaufvertrag zwischen den Parteien i.d.R. auf Augenhöhe ausgehandelt. Zudem fehlt es regelmäßig an dem für das Stellen von AGB erforderlichen Willen zur einseitigen Durchsetzung des eigenen Vertragsentwurfs. Mithin spricht viel dafür, dass auch solche ESG-Vertragsstrafen zulässig sind. Höchstrichterlich wurde diese Frage jedoch bislang noch nicht entschieden, sodass letzte Unsicherheiten nicht komplett ausgeschlossen werden können. Die Durchsetzung einer solchen Vertragsstrafe hängt wieder stark von der Verhandlungsposition des Käufers ab. 

Versicherbarkeit von ESG-Risiken

Mit Blick auf die möglichen beträchtlichen Schäden, welche die Realisierung eines ESG-Risikos auslösen kann, wird der Ruf nach einer W&I(Warranty & Indeminity)-Versicherung zur Absicherung gegen solche Schäden lauter. Mit Ausnahme der Environmental Risk Insurance steckt die Absicherung gegen ESG-Risiken am W&I-Versicherungsmarkt jedoch noch in den Kinderschuhen. Es bleibt abzuwarten, wie sich der W&I-Markt hier künftig aufstellen wird. 

Zukünftig „nachhaltig“ in die Vertragsverhandlungen

Vor dem Hintergrund, dass die Durchführung einer ESG Due Diligence in der M&A-Praxis aktuell noch nicht Marktstandard ist, ist auch die Berücksichtigung von ESG-Risiken im Kaufvertrag stark von den Umständen der jeweiligen Transaktion abhängig. Mit Blick auf das zunehmend wachsende gesellschaftsrechtliche Interesse an der Nachhaltigkeitsstrategie von Unternehmen und ihrer Umsetzung durch diese sowie mit Blick auf die verschiedenen Gesetzesinitiativen auf nationaler und auf EU-Ebene im Bereich Nachhaltigkeit ist aber damit zu rechnen, dass das Thema virulent bleibt und somit auch stärker Eingang in die M&A-Praxis finden wird. 

Unsere Beitragsserie „Corporate Governance & Risk Compliance“ startete mit Themen wie Frauenquote im VorstandÄnderungen in der Compliance und Deutscher Corporate Governance Kodex sowie den aktuellen ARUG II und DCGK. Weiter ging es mit der CSR-Richtlinie, den Vorstandspflichten und Nachhaltigkeitsaspekten in der Gesellschaftsverfassung. Weiter befasst haben wir uns mit der ESG Due Diligence und dem Greenwashing. Anschließend sind wir auf das neue ElektroG sowie auf Nachhaltigkeit im Vorstandsvergütungssystemgrüne Investitionen und ESG-aktivistische Investoren eingegangen. Zuletzt beschäftigt haben wir uns mit dem Entwurf des DCGK 2022.

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*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: Corporate / M&A ESG-Due Diligence Nachhaltigkeit Verhandlung