18. Mai 2021
ESG-Due Diligence
Corporate Governance & Risk Compliance (ESG)

ESG-Due Diligence – ein zukünftiger Baustein der Legal Due Diligence?

Das Thema Nachhaltigkeit ist in aller Munde und beeinflusst zunehmend auch M&A-Transaktionen. Ist die klassische Legal Due Diligence daher noch ausreichend?

Wer sich an einem Unternehmen beteiligen möchte, führt in der Regel eine rechtliche Prüfung des Unternehmens (Legal Due Diligence) durch. Auf Basis dessen sind, falls nötig, Anpassungen an der Kaufpreisbewertung vorzunehmen und im Rahmen der Due Diligence identifizierte Risiken im Kaufvertrag durch Garantien oder Freistellungen abzudecken. 

Möglich ist auch, dass der Verkäufer eine sogenannte Vendor Due Diligence durchführt, um mögliche Risiken bereits im Vorfeld aus dem Weg zu räumen und so einen höheren Kaufpreis zu erzielen sowie den Verkaufsprozess effizienter zu gestalten. Neben die Legal Due Diligence tritt regelmäßig eine Tax und Financial Due Diligence. Aber reicht das heutzutage noch? 

ESG-Due Diligence – Ready for the future?

Vor dem Hintergrund neuer Nachhaltigkeitsgesetzgebung, wie etwa des 2019 verkündeten European Green Deal, und des weltweit wachsenden Anlagevermögens, bei dem Kriterien der Nachhaltigkeit beachtet werden, stellt sich die Frage, welche Bedeutung Nachhaltigkeitsthemen und die sogenannten ESG-Kriterien in der Legal Due Diligence einnehmen sollten.

Dabei steht „ESG″ für „Environment Social Governance″ und bezieht sich auf die drei anerkannten zentralen Faktoren bei der Messung der Nachhaltigkeit der Unternehmensführung: 

  • Environment: Klima, Ressourcenknappheit, Artenvielfalt, CO2 Reduktion etc. 
  • Social: Einhaltung zentraler Arbeitsrechte, Standards bei der Arbeitssicherheit, Kontrolle der Liefer- und Wertschöpfungskette etc. 
  • Governance: Verankerung des Nachhaltigkeitsmanagements auf Geschäftsführungsebene, Compliance, Anti-Korruptionsmaßnahmen etc. 

In all diesen Bereichen ist die Gesetzgebung in Deutschland und der EU in den letzten Jahren äußerst volatil und weitere Verschärfungen sind zu erwarten. Auf EU-Ebene etwa werden durch die seit dem 10. März 2021 anzuwendende Offenlegungsverordnung (EU) Nr. 2019/2088 vom November 2019 Finanzmarktteilnehmer (z.B. Investmentfonds, Wertpapierfirmen und Kreditinstitute) dazu verpflichtet, Informationen zur Nachhaltigkeit ihrer Investitionsentscheidungen zu veröffentlichen. In Deutschland wird derzeit die Einführung eines deutschen Lieferkettengesetzes vorbereitet.

Relevanz der ESG-Due Diligence im Rahmen eines Unternehmenskaufs? 

ESG ist nicht nur für die Unternehmensführung von Bedeutung, sondern kann ein wichtiger Baustein der Legal Due Diligence sein und sowohl für den Käufer als auch für den Verkäufer einen erheblichen Mehrwert bedeuten.

Die Durchführung einer ESG-Due Diligence kann dabei helfen, festzustellen, ob das betreffende Unternehmen sich gesetzeskonform verhält – eine solche Prüfung ist ohnehin bereits wesentlicher Bestandteil einer Legal Due Diligence . Daneben kann mit der ESG-Due Diligence festgestellt werden, ob das betreffende Unternehmen die für das Unternehmen relevante Nachhaltigkeitsgesetzgebung insgesamt im Blick und die unternehmensinternen und -externen Prozesse hierauf ausgerichtet hat sowie für aktuelle und zukünftige Entwicklungen im Bereich Nachhaltigkeit gerüstet ist. Denn ist dies nicht der Fall, können hieraus neben finanziell relevanten Nachbesserungspflichten im schlimmsten Fall Reputationsrisiken resultieren, die den Goodwill des Unternehmens und dessen Marke und Position am Markt beschädigen. 

Umsetzung der Ergebnisse aus der ESG-Due Diligence im Kaufvertrag und als PMI

Dabei können die Ergebnisse aus der ESG-Due Diligence unmittelbar in die Verhandlungen des Kaufvertrages einfließen. Beispielsweise kann sich die Identifizierung einzelner ESG-Risiken auf die Kaufpreisbewertung, die Käufer-Forderungen nach besonderen Garantien und spezifischen Freistellungen oder einem Treuhandmechanismus für Garantien auswirken. Auch kann der Käufer darauf hinwirken, dass „Aufräumarbeiten″ im Bereich ESG bereits vor Signing durch den Verkäufer durchgeführt werden, alternativ muss er Zeit, Ressourcen und Kosten für entsprechende post-merger integration measures (PMI) einplanen und im Kaufpreis berücksichtigen.

Spiegelbildlich kann die Durchführung einer ESG-Due Diligence nicht nur für den Käufer, sondern auch für den Verkäufer von Interesse sein. Stellt der Verkäufer im Rahmen einer ESG-Vendor Due Diligence Verbesserungsbedarf fest, kann er, bevor er das Unternehmen oder Unternehmensteile am Markt zum Verkauf anbietet, noch „die Braut aufhübschen″. Da bereits heute zahlreiche potentielle Käufergruppen, wie Banken, Versicherungen, Fonds und weitere Finanzmarktakteure Nachhaltigkeitsaspekte in ihre Entscheidungsprozesse miteinbeziehen, kann eine hohe ESG-Compliance das Unternehmen für potenzielle Käufer interessanter machen und eine höhere Kaufpreiserwartung des Verkäufers rechtfertigen. 

Mögliche Themenfelder der ESG-Due Diligence 

Die Relevanz einzelner ESG-Kriterien können sich von Branche zu Branche und dem konkreten Marktumfeld des Zielunternehmens sowie abhängig von seinen Produkten, seinen Kunden und Lieferanten unterscheiden. Nicht jedes Unternehmen ist gleichermaßen ESG-relevanten Risiken ausgesetzt. Im Rahmen einer ESG Vendor Due Diligence ist zudem das erwartete „Buyer-Universe″ zu berücksichtigen. Wenn Banken, Versicherungen, Fonds und weitere Finanzmarktakteure als Käufer in Betracht kommen, sollte die ESG-Due Diligence umfangreicher ausfallen. Daher sollten vor Durchführung einer ESG-Due Diligence deren Umfang und die einzelnen Themenfelder genau festgelegt werden.

Grundstein einer jeden ESG-Due Diligence ist die Klärung, ob, und wenn ja, welche Maßnahmen in dem Unternehmen bisher zur nachhaltigen Unternehmensführung implementiert wurden bzw. ob und welche geplant sind. Konkret heißt dies insbesondere: 

  • Welche Stellung nimmt das Thema Nachhaltigkeit im Unternehmen ein? Wie ist das Thema Nachhaltigkeit in den Unternehmensprozessen bislang verankert? 
  • Welche Gremien im Unternehmen kümmern sich um das Thema Nachhaltigkeit und wie ist das Thema Nachhaltigkeit im Unternehmen personell besetzt? 
  • Welche finanziellen Mittel werden für das Thema nachhaltige Unternehmensführung zur Verfügung gestellt? 
  • Welche Zertifizierungen zur Nachhaltigkeit bestehen?

Im Bereich „Environment″ der ESG-Due Diligence können Fragen zur Nutzung von erneuerbaren und nicht erneuerbaren Energien (wie etwa im Rahmen der im Juni 2020 vorgestellten nationalen Wasserstoffstrategie), Auswirkungen der Geschäftstätigkeit des Unternehmens auf die Gesundheit seiner Mitarbeiter sowie weiterer Stakeholder und Umweltsicherheit sowie ergriffene Maßnahmen zur Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzungen interessant sein. 

Ein weiteres Themenfeld einer ESG-Due Diligence kann im Bereich „Social″ die Liefer- und Wertschöpfungskette des Unternehmens sein. Wichtig erscheint hier insbesondere eine Prüfung der Aktivitäten und Geschäftsbeziehungen des Unternehmens sowie eine Einschätzung, ob diese sich potentiell oder tatsächlich nachteilig auf international anerkannte Menschenrechte auswirken können (z.B. Zwangsarbeit, Kinderarbeit, Verstoß gegen Vereinigungsfreiheit.). Mit Blick auf das geplante Lieferkettengesetz wird sich ein Käufer voraussichtlich kaum noch erlauben können, diese Fragen zu vernachlässigen. Daneben können Themen wie Arbeitssicherheit und Berücksichtigung von Arbeitnehmerbelangen im Hinblick auf Gleichberechtigung, Diversity und Diskriminierung relevant sein. 

Im Hinblick auf den Bereich „Governance″ sind zusätzlich zu den oben angesprochenen Governance-Punkten im weiteren Sinne Themen wie beispielsweise Compliance- und Anti-Korruptionsmaßnahmen, Whistleblowing (Hinweisgebersystem) sowie die Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSR-Berichterstattung), als Governance-Aspekte im engeren Sinne, zu würdigen. Letztlich stellt sich hier die Frage, inwiefern die Unternehmensleitung ihre gesamte Unternehmensführung an Nachhaltigkeitsgesichtspunkten ausrichtet

ESG-Due Diligence – nur sinnvoll oder schon zwingend notwendig? 

Auch wenn die Durchführung einer ESG-Due Diligence sowohl für den Verkäufer als auch für den Käufer vorteilhaft sein kann, ist eine solche in der M&A-Praxis aktuell noch nicht Marktstandard. Ein Grund hierfür mögen auch die damit verbundenen zusätzlichen Kosten sein. 

Es ist aber zu erwarten, dass sich die ESG-Due Diligence immer mehr etablieren wird, sobald die verschiedenen Gesetzesinitiativen auf nationaler und EU-Ebene umgesetzt werden und dadurch der kommerzielle und rechtliche Mehrwert einer ESG-Due Diligence für die Marktteilnehmer prominenter wird. Bei denjenigen Stakeholdern, die Nachhaltigkeitsaspekte bereits jetzt verstärkt in ihre Entscheidungsprozesse einfließen lassen, ist dies längst der Fall. 

Unsere Beitragsserie „Corporate Governance & Risk Compliance″ startet mit Themen wie Frauenquote im VorstandÄnderungen in der Compliance und beim Deutscher Corporate Governance Kodex sowie den aktuellen ARUG II und DCGK. Weiter ging es mit der CSR-Richtlinie, den Vorstandspflichten und Nachhaltigkeitsaspekten in der Gesellschaftsverfassung. Weiter befasst haben wir uns mit der ESG-Due Diligence und dem Greenwashing. Zuletzt sind wir auf das neue ElektroG sowie Nachhaltigkeit im Vorstandsvergütungssystem eingegangen.

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Tags: ESG-Due Diligence Kaufvertrag PMI Unternehmenskauf