Mit dem neuen ElektroG kommen neue Pflichten auf Hersteller elektronischer B2C- und B2B-Produkte zu. Dieser Beitrag liefert einen Überblick.
Dem Global E-waste Monitor 2020 zufolge fielen im Jahr 2019 weltweit insgesamt 53,6 Mio. Tonnen Elektroschrott an. Deutschland trägt hiervon einen Anteil von rund 1,6 Mio. Tonnen. Jeder Einwohner in Deutschland entsorgte damit im Jahr 2019 im Durchschnitt Elektro(nik)altgeräte mit einer Masse von 19,4 kg.
Ausgemusterte Elektro(nik)altgeräte beinhalten eine Vielzahl wertvoller Ressourcen, darunter Edelmetalle (wie beispielsweise Gold, Silber, Kupfer, Platin, Palladium) und kritische Rohstoffe (wie beispielsweise Kobalt, Palladium, Indium, Germanium, Wismut und Antimon). Die Erzielung einer hohen Sammel- und Recyclingquote und die damit verbundene Rückführung dieser Rohstoffe in den Produktionskreislauf ist eines der zentralen Ziele der umweltverträglichen und nachhaltigen Entsorgung von Elektro(nik)geräten.
Als konkretes Ziel schreibt die WEEE-Richtlinie 2012/19/EU den Mitgliedstaaten der Europäischen Union ab dem Jahr 2019 eine jährliche Mindestsammelquote von 65 % (gemessen an dem Durchschnittsgewicht der in den drei Vorjahren in Verkehr gebrachten Produkte) vor. Das Umweltbundesamt hat für das Jahr 2019 noch keine offiziellen Zahlen veröffentlicht. Angesichts der stagnierenden Quoten in den Vorjahren (43,11 % im Jahr 2018, 45,08 % im Jahr 2017 und 44,95 % im Jahr 2016) steht jedoch zu erwarten, dass Deutschland die Zielmarke von 65 % im Jahr 2019 verfehlt hat. Ähnliche Entwicklungen lassen sich auch in anderen Mitgliedstaaten beobachten, wie sich aus der Analyse Nr. 04/2021 des Europäischen Rechnungshofes mit dem Titel „Elektronikabfall: Maßnahmen der EU und aktuelle Herausforderungen″ (dort S. 45) entnehmen lässt.
ElektroG soll einer Ressourcenverschwendung und steigenden Umweltverschmutzung vorbeugen
Mit der zu erwartenden Zielverfehlung gehen eine Verschwendung wertvoller Ressourcen und eine vermeidbare, erhöhte Umweltbelastung durch die nicht sachgemäße, der Abfallhierarchie widersprechende Entsorgung von Elektro(nik)altgeräten einher. Um dem entgegenzuwirken und die Sammelmenge in Deutschland zu steigern, hat der deutsche Gesetzgeber jüngst das „Gesetz über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die umweltverträgliche Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten″ novelliert.
Mit dem am 27. Mai 2021 im Bundesgesetzblatt veröffentlichten „Ersten Gesetz zur Änderung des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes″ (Elektrogesetz, kurz: ElektroG) wurden nicht nur Online-Händler und Online-Marktplatzbetreiber sowie Fulfilment-Dienstleister und der Lebensmitteleinzelhandel verstärkt beziehungsweise neu in die Verantwortung genommen und damit das Sammel- und Rücknahmenetz erweitert. Auch die rechtlichen Rahmenbedingungen für Hersteller von Elektro(nik)geräten hat der Gesetzgeber überarbeitet. Die wesentlichen herstellerbezogenen Änderungen werden nachfolgend – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – überblicksartig dargestellt.
Gesteigerte Anforderungen an das Produktdesign
Bisher gilt, dass Elektro(nik)geräte, die vollständig oder teilweise mit Batterien oder Akkumulatoren betrieben werden können, möglichst dergestalt zu konzipieren sind, dass Altbatterien und Altakkumulatoren durch Endnutzer problemlos entnommen werden können.
Ab dem 1. Januar 2022 haben Hersteller sicherzustellen, dass Altbatterien und Altakkumulatoren (ebenfalls möglichst) durch den Endnutzer nicht nur problemlos, sondern auch „zerstörungsfrei″ entnommen werden können.
Für den Fall, dass Altbatterien und Altakkumulatoren nicht problemlos und zerstörungsfrei durch den Endnutzer entnommen werden können, müssen die Geräte mit Beginn des Jahres 2022 jedenfalls so gestaltet sein, dass die Altbatterien und Altakkumulatoren (wie bisher) problemlos und (nunmehr zusätzlich) „zerstörungsfrei und mit handelsüblichem Werkzeug″ durch vom Hersteller unabhängiges Fachpersonal entnommen werden können, siehe § 4 Abs. 1 ElektroG n.F.
Die weitergehende, in der Stellungnahme des Bundesrates (siehe BT-Drs. 19/26971, S. 75) geforderte Verschärfung, nach der eine verbindliche Austauschbarkeit von Akkumulatoren durch Endnutzer im ElektroG festgeschrieben werden sollte, fand dagegen keinen Einzug in die finale Fassung des Änderungsgesetzes.
Erweiterung der Kennzeichnungspflicht auf B2B-Produkte
Bisher mussten Hersteller nur Elektro(nik)produkte, die in privaten Haushalten genutzt werden können, mit dem Symbol der durchgestrichenen Mülltonne kennzeichnen. Dies wird sich ab dem 1. Januar 2023 ändern: Ab diesem Zeitpunkt in Verkehr gebrachte Elektro(nik)produkte müssen gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 46 Abs. 4 ElektroG n.F. unabhängig von ihrem späteren Einsatzbereich dauerhaft mit dem Symbol der durchgestrichenen Mülltonne gekennzeichnet werden.
Erweiterung der Informationspflichten gegenüber privaten Endnutzern
Neben den Kennzeichnungspflichten werden im Zuge der jüngsten Novelle – und dies bereits mit Wirkung vom 1. Januar 2022 – auch die Informationspflichten der Hersteller erweitert. Gemäß § 18 Abs. 4 ElektroG n.F. müssen Hersteller – oder im Fall der Bevollmächtigung deren Bevollmächtigte – private Haushalte ab dem Zeitpunkt des Anbietens von Elektro(nik)geräten künftig über Folgendes informieren:
- die Pflicht der Endnutzer, Altgeräte einer vom unsortierten Siedlungsabfall getrennten Erfassung zuzuführen,
- die Pflicht der Endnutzer, Altbatterien und Altakkumulatoren, die nicht vom Altgerät umschlossen sind, sowie Lampen, die zerstörungsfrei aus dem Altgerät entnommen werden können, vor der Abgabe an einer Erfassungsstelle vom Altgerät zerstörungsfrei zu trennen,
- die Pflicht der Vertreiber zur unentgeltlichen Rücknahme von Altgeräten,
- die von dem Hersteller geschaffenen Möglichkeiten der Rückgabe von Altgeräten,
- die Eigenverantwortung der Endnutzer im Hinblick auf das Löschen der personenbezogenen Daten auf den zu entsorgenden Altgeräten und
- die Bedeutung des Symbols der durchgestrichenen Mülltonne.
Die Informationen müssen den Elektro(nik)geräten in schriftlicher Form beigefügt werden.
Beibehalten wird die herstellerseitige Pflicht, jährlich Informationen in Bezug auf die Erfüllung der quantitativen Sammel- und Verwertungsvorgaben zu veröffentlichen, siehe § 18 Abs. 4 Satz 3 ElektroG n.F. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs (BT-Drs. 19/26971, S. 55) kann diese Pflicht auch weiterhin über eine Bezugnahme auf die vom Ministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit veröffentlichten Daten und ermittelten Zahlen erfüllt werden.
Neue Informationspflichten gegenüber gewerblichen Endnutzern
Mit Einführung des § 19a ElektroG n.F. unterliegen Hersteller ab dem 1. Januar 2022 erstmals auch Informationspflichten gegenüber gewerblichen Endnutzern. Diese sind zu informieren über:
- die Pflicht der Endnutzer, Altgeräte einer vom unsortierten Siedlungsabfall getrennten Erfassung zuzuführen,
- die Pflicht der Endnutzer, Altbatterien und Altakkumulatoren, die nicht von Altgerät umschlossen sind, sowie Lampen, die zerstörungsfrei aus dem Altgerät entnommen werden können, vor der Abgabe an einer Erfassungsstelle vom Altgerät zerstörungsfrei zu trennen,
- die vom Hersteller geschaffenen Möglichkeiten zur Rückgabe und Entsorgung der Altgeräte
- die Eigenverantwortung der Endnutzer im Hinblick auf das Löschen personenbezogener Daten auf den zu entsorgenden Altgeräten und
- die Bedeutung des Symbols der durchgestrichenen Mülltonne.
Konkrete Vorgaben zur Art der Informationsbereitstellung enthält § 19a ElektroG n.F. – anders als die Regelung zur Informationsbereitstellung gegenüber privaten Endnutzern – nicht.
Änderung der Regelung zur Rücknahme von Elektro(nik)altgeräten gewerblicher Endnutzer
Ebenfalls überarbeitet wurden die Regelungen zur Rücknahme von Elektro(nik)altgeräten von gewerblichen Endnutzern. Nach der Gesetzesbegründung der Bundesregierung (BT-Drs. 19/26971, S. 55) soll die Neuregelung des § 19 ElektroG ab dem 1. Januar 2022 eine Abkehr von der bisherigen Möglichkeit, dem (gewerblichen) Endnutzer die Entsorgungsverantwortung durch Vereinbarung zu übertragen, bewirken. Lediglich die Kosten der Entsorgung sollen ab dem 1. Januar 2022 durch Vereinbarung mit dem gewerblichen Endnutzer noch auf diesen übertragen werden können, siehe § 19 Abs. 3 Satz 4 ElektroG n.F.
Pflicht zur Erstellung und Vorlage eines Rücknahmekonzepts
Auf Grundlage des neuen § 7a ElektroG n.F. sind Hersteller, die B2B-Elektron(nik)geräte in Verkehr bringen wollen, ab dem 1. Januar 2022 verpflichtet, ein Rücknahmekonzept für diese Geräte bei der Stiftung ear (stiftung elektro-altgeräte register) vorzulegen.
Das Rücknahmekonzept soll darstellen, wie der Hersteller seinen Rücknahmepflichten nachkommt, und muss je Geräteart die folgenden Angaben enthalten:
- eine Erklärung über die durch den Hersteller oder – im Fall der Bevollmächtigung durch den Bevollmächtigten – erfolgte Einrichtung von zumutbaren Rückgabemöglichkeiten,
- im Fall der Beauftragung eines Dritten: Name und Adresse des Dritten,
- die Möglichkeit der Endnutzer, auf die Rückgabemöglichkeiten zuzugreifen.
Das Rücknahmekonzept muss grundsätzlich bei der Registrierung vorgelegt werden und ist zwingende Voraussetzung der Registrierung, siehe § 37 Abs. 1 Satz 4 ElektroG n.F. Änderungen an dem Konzept müssen der Stiftung ear unverzüglich mitgeteilt werden.
Änderungen der Mitteilungspflichten der Hersteller gegenüber der Stiftung ear
Erwähnenswert ist schließlich auch eine Änderung in § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ElektroG n.F. betreffend die Mitteilung über ins Ausland verbrachte Elektro(nik)geräte, die zuvor im Geltungsbereich des ElektroG in Verkehr gebracht wurden. Hersteller müssen in dieser Mitteilung künftig die Mengen von Elektrogeräten, die vom Hersteller oder Bevollmächtigten als Gebrauchtgeräte vom Endnutzer zurückgenommen wurden und anschließend ins Ausland ausgeführt werden, gesondert ausweisen.
Ziel dieser Neuregelung ist es, einen besseren Überblick über die Mengen, die als Gebrauchtgeräte ins Ausland gehen, zu schaffen, um diese bei der Berechnung der Sammelquote berücksichtigen zu können (siehe BT-Drs. 19/26971, S. 61).
Handlungsbedarf bereits jetzt
Um eine höhere Sammel- und Recyclingquote von Elektro(nik)geräten zu erzielen, nimmt der deutsche Gesetzgeber mit der am 1. Januar 2022 in Kraft tretenden Novelle des ElektroG auch die Hersteller von Elektro(nik)geräten verstärkt in die Pflicht. Gerade im B2B-Bereich, aber auch im B2C-Bereich, kommen auf Hersteller entsprechender Geräte zusätzliche Pflichten zu. Deren Umsetzung sollte bereits jetzt in Angriff genommen werden, damit in den Anwendungsbereich des ElektroG fallende Geräte ab dem 1. Januar 2022 weiterhin rechtskonform in Deutschland in den Verkehr gebracht werden können.
Unsere Beitragsserie „Corporate Governance & Risk Compliance″ startet mit Themen wie Frauenquote im Vorstand, Änderungen in der Compliance und beim Deutscher Corporate Governance Kodex sowie den aktuellen ARUG II und DCGK. Weiter ging es mit der CSR-Richtlinie, den Vorstandspflichten und Nachhaltigkeitsaspekten in der Gesellschaftsverfassung. Weiter befasst haben wir uns mit der ESG-Due Diligence und dem Greenwashing. Zuletzt sind wir auf das neue ElektroG sowie Nachhaltigkeit im Vorstandsvergütungssystem eingegangen.
Mit der Einführung von verschiedenen Regelwerken in Deutschland und der EU wird der gesamte Bereich der digitalen Dienste grundlegend reformiert. Vom neuen Rechtsrahmen werden beinahe sämtliche Anbieter von digitalen Diensten erfasst, Adressaten sind insbesondere Plattformen wie Media Platforms, User Interface Provider und Media Intermediaries als auch Market Places. Eine Übersicht über unser Beratungsangebot zum Bereich „Digital Regulation“ finden Sie hier.