16. Januar 2023
EU-Verpackungsverordnung
Öffentliches Wirtschaftsrecht

Europäische Kommission veröffentlicht Vorschlag für europäische Verpackungsverordnung

Mit der geplanten EU-Ver­packungs­verordnung werden erstmal vollständig harmonisierte Vorgaben mit Blick auf Verpackungen und Verpackungsabfälle geschaffen.

Am 30. November 2022 hat die Europäische Kommission ihren Vorschlag einer Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfälle (EU-Verpackungsverordnung) vorgestellt, welche die Richtlinie 94/62/EG über Verpackungen und Verpackungsabfälle (EU-Verpackungs­richtline) von 1994 ersetzen soll. Die Verordnung ist integraler Bestandteil des Europäischen Green Deal und des EU-Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft (Circular Economy Action Plan – CEAP). 

Ziel der Verpackungsverordnung: Nachhaltigkeit von Verpackungen und Vermeidung von Verpackungsabfällen 

Die Kommission strebt mit den harmonisierten Vorgaben der EU-Verpackungsverordnung im Wesentlichen drei Ziele an: die Vermeidung von Verpackungsabfällen, die Förderung hochwertigen Recyclings und einen gestärkten Binnenmarkt für Sekundärrohstoffe. Zu diesem Zweck sieht der Vorschlag u.a. die Einschränkung unnötiger Verpackung und die Förde­rung von Mehrwegverpackungen vor. 

Zudem sollen bis 2030 alle Verpackungen auf dem Bin­nen­markt in wirtschaftlich vertretbarer Weise recycelt werden können. Dies macht vor allem höhere Anforderungen an das Ökodesign von Verpackungen erforder­lich. Insoweit knüpft die EU-Verpackungsverordnung inhaltlich an den von der Kommission bereits zu Be­ginn des Jahres 2022 vorgestellten Entwurf einer neuen Ökodesign-Verordnung für nach­haltige Pro­duk­te an. 

Nicht zuletzt sollen natürliche Ressourcen geschont werden, indem die Vorgaben für die Verwendung von Sekundärrohstoffen in Kunststoffverpackungen verschärft werden. Der Vorschlag der Kommission enthält daher Anforderungen, die den gesamten Lebenszyklus von Verpackungen betreffen.

EU-Verpackungsverordnung verdrängt nationales Verpackungsrecht

Anders als die aktuell gültige EU-Verpackungs­richtlinie bedürfte die geplante Verordnung kei­ner Umsetzung in nationales Recht, sondern wäre in allen Mitgliedstaaten unmittelbar nach Inkrafttreten anwendbar. Sie würde Vorrang vor nationalen Vorschriften über Verpackungen und Ver­packungs­abfälle genießen. Die Verordnung würde somit erstmals zu vollständig harmo­ni­sier­ten Vorgaben für Verpackungen führen.

Auch die Regelungen des erst 2021 novellier­ten Ver­packungs­ge­set­zes (VerpackG) würden von den Vorgaben der EU-Verpackungs­verord­nung über­lagert. Insoweit müsste das VerpackG bei einem Inkrafttreten der EU-Ver­packungs­verord­nung an die neuen Vorgaben angepasst werden.

Für Unter­neh­men, die im Rahmen ihrer Geschäfts­tätig­keit Verpackungen verwenden, ist es daher unver­zicht­bar, sich frühzeitig mit den zu er­war­ten­den unions­recht­lichen Vorgaben und den damit einhergehenden Änderungen im Vergleich zur aktuellen Rechtslage auseinander­zusetzen. 

Neue Begriffsbestimmungen in der EU-Verpackungsverordnung

Die Begriffsbestimmungen in Art. 3 der EU-Verpackungsverordnung sind deutlich umfangreicher als noch in der EU-Verpackungsrichtlinie. Ein besonderes Augenmerk ist auf die Defini­tionen der handelnden Personen zu legen, insbesondere auf den im VerpackG zentralen Be­griff des „Herstellers“. Im VerpackG ist darunter derjenige Vertreiber oder Importeur zu verste­hen, der eine Verpackung erstmals mit Ware befüllt gewerbsmäßig im Geltungsbereich des VerpackG in Ver­kehr bringt. Anknüpfungspunkt ist demnach das Inverkehrbringen, mit der Folge, dass der bloße „Produzent“ einer (leeren) Verpackung nicht als „Hersteller“ i.S.d. VerpackG anzusehen ist. Die Verpflichtungen aus dem Verpackungsgesetz knüpfen über­wie­gend an diese Herstellereigenschaft an, insbesondere die Registrierungspflicht, die erst zum 1. Juli 2022 erweitert worden ist. 

Die EU-Verpackungsverordnung definiert in Art. 3 zwei Begriffe, den „manufacturer“ (Abs. 9) und den „producer“ (Abs. 10), die an anderer Stelle im Unionsrecht beide mit dem deutschen Be­griff „Hersteller“ übersetzt werden. Unter dem Begriff „manufacturer“ versteht die EU-Verpackungsverordnung jede Person, die eine Verpackung unter ihrem eigenen Namen her­stellt oder herstellen lässt, um diese zu ver­wenden, aber ohne dass diese zuvor in Verkehr gebracht worden ist. Dieser Begriff ist mit ver­gleichbarer Bedeutung in der Marktüber­wa­chungs­verordnung (Verordnung [EU] 2019/1020) ent­halten und wird dort mit dem Wort „Hersteller“ übersetzt. Demgegenüber entspricht der Be­griff „pro­ducer“ eher dem Herstellerbegriff im VerpackG, da dieser an das erstmalige gewerb­liche Inver­kehr­bringen auf dem Markt anknüpft. Der Begriff wird in ähnlicher Weise in der Einweg­kunst­stoffrichtlinie (Richtlinie [EU] 2019/904) verwendet und dort mit „Hersteller“ über­setzt.

Da eine deutsche Sprachfassung des Vorschlags der Kommission zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vorliegt, bleibt abzuwarten, welche Begrifflichkeiten verwendet werden und ob das bisherige Verständnis des Herstellerbegriffs i.S.d. Verpackungsgesetzes aufrechterhalten bleiben kann.

Recyclingfähigkeit als Grundvoraussetzung nachhaltiger Verpackungen

Die Grundprämisse der Kommission ist in Art. 6 der Verordnung niedergelegt. Danach müssen aller Verpackungen recycelbar sein. Die Verordnung enthält daher in Kap. II zahlreiche Nachhaltigkeits­kriterien, insbesondere mit Blick auf die Recyclingfähigkeit von Ver­packungen. Diese Kriterien müssen von Verpackungen, die auf dem Binnenmarkt in Verkehr gebracht werden sollen, erfüllt sein. Gleichzeitig gewährleistet die Verordnung den freien Verkehr von Verpackungen, die alle Anforderungen der Verordnung erfüllen. Die Mitglied­staaten dürfen das Inverkehrbringen in diesem Fall nicht behindern und insbesondere keine nationalen Nachhaltigkeitskriterien festlegen, die im Widerspruch zur Verordnung stehen.

Die Verordnung sieht Verpackungen dann als recycel­bar an, wenn sie separat gesammelt und sor­tiert und anschließend derart recycelt wer­den können, dass der entstehende Sekundär­roh­stoff die erforderliche Qualität aufweist, um diese Primärrohstoffe ersetzen zu können. Zu­dem müssen Verpackungen ab 2030 bereits hin­sicht­lich des späteren Recyclings designt wer­den, ab 2035 sogar so, dass ein Recycling in großem Umfang möglich ist. Die konkreten Kri­ter­ien, die bestimmen, wann eine Verpackung für das Recycling designt ist, werden zu einem späteren Zeitpunkt in delegierten Rechtsakten fest­gelegt. Für Plastikverpackungen enthält die Verordnung zudem Vorgaben hinsichtlich des prozentualen Anteils von recyceltem Material, die schrittweise ansteigen.

Funktionalität als maßgebliches Kriterium für Verpackungsdesign

Neben den Regelungen zur Recyclingfähigkeit von Verpackungen, die primär auf die stoffliche Zusammensetzung gerichtet sind, enthält die Verordnung auch Vorgaben hinsichtlich Größe und Gewicht von Verpackungen. Diese sind zukünftig unter Berücksichtigung des Mate­rials auf das Minimum zu reduzieren, das notwendig ist, um die Funktionalität zu ge­währleisten. Eine vergleichbare Regelung findet sich zwar bereits in § 4 VerpackG. Inwieweit die Regelung der Verpackungsverordnung darüber hinausgeht, wäre allerdings im Einzelfall zu prüfen. Verhindert werden sollen damit jedenfalls Verpackungen, deren Volumen durch Doppelwände oder doppelte Böden künstlich vergrößert wird. Eine Ausnahme gilt nur für Verpackungsdesigns, die Herkunftsbezeichnungen unterliegen, die unionsrechtlich besonders geschützt sind.

Die Vorgaben gelten vor allem auch für den Leerraum innerhalb einer Verpackung, selbst wenn dieser mit Füllmasse ausgefüllt ist. Dies dürfte insbesondere für den E-Commerce-Bereich von Bedeutung sein, zumal die E‑Commerce-Verpackung als eigenständiger Begriff in die Verordnung mit aufgenommen wurde.

Kennzeichnungspflichten für Verpackungen

Das VerpackG sieht bisher keine Verpflichtung vor, Verpackungen hinsichtlich des verwendeten Materials zu kennzeichnen. Es ist den Herstellern also grds. freigestellt, ob sie eine Kennzeichnung vornehmen. Festgelegt sind nur die Nummern und Zeichen, die im Falle einer freiwilligen Kennzeichnung verwendet werden müssen. 

Die EU-Verpackungsverordnung enthält die Verpflichtung, Verpackungen zukünftig mit einem Label auszustatten, das Informationen über deren stoffliche Zusammensetzung enthält. Während reine Transportverpackungen von dieser Verpflichtung ausgenommen sind, legt die Verordnung ausdrücklich fest, dass E‑Commerce-Verpackungen von der Verpflichtung erfasst werden. Verpackungen, die einem Pfand- und Rücknahmesystem unterliegen, müssen zudem ein harmonisiertes Label enthalten, das auf das Pfandsystem hinweist. Zu einem späte­ren Zeitpunkt muss auf den Verpackungen zudem ein QR-Code oder ein vergleichbarer digi­taler Datenträger enthalten sein, der Informationen zur Wieder­ver­wend­barkeit enthält. Für die Umsetzung dieser Verpflichtungen gelten allerdings lange Fristen.

Konformitätsbewertung vor dem Inverkehrbringen einer Verpackung

Die in der EU-Verpackungsverordnung enthaltenen Verpflichtungen knüpfen nicht in dem Maße an das Inverkehrbringen einer Verpackung an wie die Verpflichtungen des VerpackG. Die Verordnung enthält u.a. Pflichten für den „manufacturer“, die dieser bereits vor Inverkehrbringen zu erfüllen hat. Dies betrifft insbesondere das auf Grundlage der Ver­ord­nung erforderliche Verfahren zur Bewertung der Konformität sowie die Erstellung einer Konformitätserklärung und entsprechender technischer Aufzeichnungen, die für einen Zeit­raum von zehn Jahren nach Inverkehrbringen aufzubewahren sind. 

Zudem sind die „manufacturer“ verpflichtet sicherzustellen, dass die Verpackung die erforderlichen Kennzeich­nungen auf­weist. Die Konformitätsbewertung ist in Kap. VI der Verordnung weitergehend aus­ge­stal­tet.  

Abfallvermeidung und staatliches Management von Verpackungs­abfällen

Die Verordnung enthält verbindliche Vorgaben zur Reduzierung von Verpackungsabfällen. So sollen die jährlichen Verpackungsabfälle pro Kopf bis 2030 um 5 %, bis 2035 um 10 % und bis 2040 um 15 % reduziert werden. Um diese Ziele zu erreichen, sind die Mitglied­staaten verpflichtet, zuständige Behörden zu bestimmen, die die Einhaltung der Vorgaben der Verordnung überwachen.

In Deutschland ist mit der Zentralen Stelle Verpackungsregister (Zentrale Stelle) bereits eine solche zentral zuständige Behörde eingerichtet. Die zuständige Behörde soll u.a. auch ein Register einrichten, das die Compliance der Hersteller gegenüber den Vorgaben der Verordnung überwacht. Das Verpackungsregister dürfte diesen Zweck bereits jetzt erfül­len. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass es im Zuge der anstehenden Harmonisierung des Verpackungsrechts auch zu Veränderungen des Registers kommt.

Einführung der erweiterten Herstellerverantwortung in das Verpackungsrecht

Die EU-Verpackungsverordnung enthält in ihrem Art. 40 jetzt ausdrücklich eine Regelung zur erweiterten Herstellerverantwortung für den „producer“. Dabei nimmt die Verordnung Bezug auf die Vorgaben zur erweiterten Herstellerverantwortung in der Abfallrahmenrichtlinie (Richtlinie 2008/98/EG). 

Die­se Regelung ist nicht neu, da die erweiterte Hersteller­verant­wor­tung schon mit der Richt­linie zur Änderung der EU-Verpackungsrichtlinie (Richtlinie [EU] 2018/852) eingeführt worden ist. Her­steller von Verpackungen müssen im Rahmen ihrer erweiterten Herstellerverantwortung sicher­stellen, dass sie in Mitgliedstaaten, in denen sie nicht niedergelassen sind, aber Ver­packungen auf den Markt bringen, einen Bevollmächtigten (appointed representative) benennen, um die Verpflichtungen der erweiterten Herstellerverant­wor­tung zu erfüllen. Das VerpackG sieht die Möglichkeit der Beauftragung eines Bevollmächtigten bereits jetzt vor.

Harmonisierte Vorgaben für Rücknahme-, Sammel- und Pfandsysteme 

Alle Mitgliedstaaten sind künftig verpflichtet sicherzustellen, dass Rücknahme- und Sammelsysteme eingerichtet werden, die eine getrennte Sammlung aller Verpackungs­abfälle er­möglichen, um zu gewährleisten, dass Verpackungen im Einklang mit der Abfallrahmen­richt­linie behandelt werden können. Ausnahmen von dieser Verpflichtung sieht die Verordnung für den Fall vor, dass sichergestellt ist, dass die gemeinsame Sammlung das Recycling von Verpackungen nicht erschwert.

Ab 2029 müssen alle Mitgliedstaaten zudem Pfandsysteme für Einweg­plastik­fla­schen und Einwegdosen mit einer Kapazität von bis zu drei Litern einrichten. Aus­genom­men sind davon nur Wein und Spirituosen sowie Milch und Milchprodukte. Die Vorgaben entsprechen auf den ersten Blick den Pfand- und Rücknahmepflichten des VerpackG, sodass in Deutschland größere Veränderungen nicht zu erwarten sein dürften. Gerade Unternehmen, die auch in anderen Mitgliedstaaten, in denen bisher kein Pfandsystem bestand, Getränke­ver­pa­ckungen auf den Markt bringen, müssen sich aber darauf einstellen, dass in Zukunft zahl­rei­che weitere Mitgliedstaaten Pfandsysteme einrichten. Eine Ausnahme von der Verpflichtung, ein Pfandsystem einzurichten, ist nur für Mitgliedstaaten vorgesehen, in denen in 2026 und 2027 die Quote der getrennten Sammlung der entsprechenden Verpackungsabfälle bei über 90 % lag.

Hersteller sollten sich bereits jetzt auf zu erwartende Änderungen einstellen 

Bislang handelt es sich bei dem Entwurf der EU-Verpackungsverordnung lediglich um einen Vorschlag der Kommission, sodass noch nicht absehbar ist, wann die Verordnung in Kraft treten wird. Gleichzeitig sieht der Vorschlag allerdings vor, dass die Verordnung bereits am 20. Tag nach dem Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens in Kraft tritt. Insofern sollten Her­steller und Importeure von Verpackungen den weiteren Verlauf des Gesetzgebungs­ver­fahrens im Blick behalten und sich rechtzeitig auf die zu erwartenden Änderun­gen, gerade im Hinblick auf das Ökodesign von Verpackungen, einstellen. 

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