14. November 2022
Ökodesign-Verordnung
Environment and Climate Change (ESG)

Neue Ökodesign-VO soll für nachhaltigere Produkte sorgen

Die neue Ökodesign-Verordnung soll klimafreundliche Produkte EU-Norm machen und stellt dafür hohe Anforderungen an Nachhaltigkeit und Energieeffizienz.

Die EU-Kommission hat am 30. März 2022 einen Entwurf für eine neue Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte vorgelegt. Mit diesem Vorschlag möchte sie die derzeit geltende Ökodesign-Richtlinie (RL 2009/125/EG) ersetzen und für eine Vermarktung umweltfreundlicherer und kreislauforientierter Produkte innerhalb der EU sorgen. Ziel ist es, Energieeffizienz, Kreislaufwirtschaft und Recycling im Produkthandel durch erhöhte Ökodesign-Anforderungen zu verbessern. Auf diese Weise sollen Produkte mit einem geringen Klima- und Umweltfußabdruck EU-weit zur „Norm“ werden. 

Mehr Nachhaltigkeit als Teil des Green Deals und der EU-Sanktionen

Die neue Ökodesign-Verordnung ist ein Bestandteil des europäischen Green Deals und soll dazu beitragen, langfristig und nachhaltig das Klima zu schonen. Darüber hinaus nimmt der Verordnungsentwurf die jüngsten wirtschaftlichen Rückschläge durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und die Corona-Pandemie in den Blick und verbindet damit das Ziel des Klimaschutzes mit dem einer wirtschaftlich unabhängigeren EU: Nach Berechnungen der EU-Kommission sollen dank der neuen Ökodesign-Verordnung bis zum Jahr 2030 insgesamt 132 Mio. Tonnen Primärenergie eingespart werden können. Dies entspricht in etwa 150 Mrd. Kubikmetern Erdgas und damit fast der Gesamtheit der russischen Erdgasimporte der EU.

Kreis der betroffenen Produkte wird erheblich erweitert

Die Ökodesign-Verordnung legt keine konkreten Anforderungen für Produkte- und Produktgruppen fest, sondern gibt – wie die bisherige Ökodesign-Richtlinie – nur den Rahmen vor, unter dem die produkt- bzw. produktgruppenspezifischen Regelungen in Form sog. delegierter Rechtsakte erlassen werden können. Dies dürfte in aller Regel in Form von Durchführungsverordnungen geschehen.

Gegenüber der bislang geltenden Ökodesign-Richtline bringt der Entwurf allerdings erhebliche Änderungen mit sich: Zunächst wird der Anwendungsbereich erheblich ausgeweitet und erstreckt sich nicht länger nur auf energieverbrauchsrelevante Produkte, sondern deckt u.a. mit Textilien, Möbeln, Bauprodukten, Unterhaltungselektronik und Verpackungen ein wesentlich breiteres Spektrum ab. Auch Zwischenprodukte wie Stahl, Zement oder Chemikalien sollen erfasst werden sowie ggf. weitere Produktgruppen unter Berücksichtigung ihrer Umweltauswirkungen und ihres Kreislaufpotentials. Ausgenommen sind nach dem Vorschlag der Kommission nur wenige Produktgruppen wie bspw. Lebens-, Futter- und (Tier-)Arzneimittel.

Verordnungsentwurf stellt höhere Anforderungen als Ökodesign-Richtlinie

Für die zahlreichen Produkte werden unter dem Dach der Ökodesign-Verordnung erhöhte Leistungs- und Informationsanforderungen festgelegt. Dabei soll es nicht mehr allein um die Energieeffizienz des betreffenden Produkts gehen. Insbesondere im Hinblick auf Haltbarkeit, Wiederverwertbarkeit, Energie- und Ressourceneffizienz sowie Recyclinganteil müssen Produkte künftig gewisse Mindeststandards erfüllen oder in verschiedene Leistungsklassen eingeteilt werden können.

Diese Entwicklung zeigt sich bereits an den jüngsten Entwürfen von Rechtsakten, die noch unter der Ökodesign-Richtlinie veröffentlicht wurden. So konzentriert sich der Verordnungsentwurf über die nachhaltige Gestaltung von Mobiltelefonen und Tablets vom 31. August 2022 nicht länger nur auf Fragen des Energieverbrauchs, sondern legt für Hersteller und Importeure u.a. mit einer Verpflichtung zur Vorhaltung von Ersatzteilen konkrete Anforderungen an die Reparierbarkeit und Wiederverwendbarkeit von Mobiltelefonen und Tablets fest. 

Während die bisherige Ökodesign-Richtlinie zudem weitestgehend Anforderungen an quantifizierbare Messgrößen der relevanten Faktoren, wie bspw. an den Energieverbrauch von Produkten, stellt, nimmt die neue Ökodesign-Verordnung auch qualitative Merkmale in den Blick. So kann es etwa für die Umweltbilanz eines recycelten Produktes einen großen Unterschied machen, welche Methodik innerhalb des Recyclingprozesses angewendet wird. Künftig sollen daher nicht allein Zahlen eine Rolle spielen, sondern auch die dahinterstehenden Prozesse und ihre Auswirkungen auf die gesamte Kreislaufwirtschaft.

Digitaler Produktpass soll Verbrauchern informierte Entscheidung ermöglichen

Zukünftig dürfen Produkte innerhalb der EU nur in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden, wenn sie die für sie festgelegten Ökodesign-Anforderungen erfüllen und für sie ein digitaler Produktpass verfügbar ist. 

Dieser ist vom Hersteller bzw. Importeur zu stellen und soll zum einen den Verbrauchern* helfen, fundierte und informierte Entscheidungen zugunsten der nachhaltigeren Produkte zu treffen. Er soll nicht an die Stelle nicht digitaler Formen der Informationsübermittlung (z.B. Produkthandbücher oder Etiketten) treten, sondern diese ergänzen. 

Zum anderen soll der digitale Produktpass sämtlichen Akteuren entlang der Wertschöpfungskette (u.a. Reparaturbetrieben oder Recyclingunternehmen) unkompliziert Zugang zu den für sie relevanten Informationen geben und insbesondere den Marktüberwachungsbehörden die Wahrnehmung ihrer Aufgaben erleichtern.

Maßnahmen gegen Retourenvernichtung geplant

Im Verordnungsentwurf nimmt die EU-Kommission zudem unverkaufte Konsumgüter in den Blick und benennt Maßnahmen, um deren Vernichtung zu verhindern. So sollen große Unternehmen verpflichtet werden, die Beseitigung unverkaufter Ware offenzulegen. Darüber hinaus soll die Kommission die Vernichtung von Waren gem. der neuen Verordnung unter bestimmten Umständen komplett verbieten können.

Arbeitsprogramm 2022–2024 rückt energiebezogene Produkte in den Fokus

Bis zum Inkrafttreten der neuen Ökodesign-Verordnung überprüft die EU-Kommission auf Basis der geltenden Ökodesign-Richtlinie und des zeitgleich mit dem Ökodesign-Verordnungsentwurf verabschiedeten Arbeitsprogramms für Ökodesign und Energieverbrauchskennzeichnung 2022–2024 (2022/C 182/01) die Ökodesign-Anforderungen für bereits regulierte Produkte und legt ihren Fokus vor allem auf Einsparpotentiale energieverbrauchsrelevanter Produkte (u.a. Heizkörper, Wäschereigeräte, Geschirrspüler oder auch Ladegeräte für Elektrofahrzeuge).

Als Reaktion auf die aktuelle Energiekrise sollen durch erweiterte Regulierungsmaßnahmen bis zum Jahr 2025 erhebliche Energie- und Materialeffizienzeinsparungen ermöglicht werden. Zudem soll die Arbeit an intelligenten Energiegeräten fortgesetzt werden, um flexibel auf den tatsächlichen Energiebedarf im Wohn- und Dienstleistungssektor reagieren zu können.

Umsetzung und Ausgestaltung der Ökodesign-Verordnung: Große Herausforderung für die EU-Kommission 

Angesichts der ehrgeizigen Ziele und der damit verbundenen weitreichenden Auswirkungen stellt die konkrete Umsetzung der Ökodesign-Verordnung für die EU-Kommission eine große Herausforderung dar. Um diese zu meistern, hat die Kommission das sog. Ökodesign-Forum als beratendes Gremium ins Leben gerufen. Es setzt sich aus Mitgliedern aller relevanten Sektoren zusammen und soll grundlegende Fragen erörtern und Lösungen für Probleme entwickeln. Teil des Forums sind Hersteller, Groß- und Einzelhändler, Reparaturbetriebe, Abfallsammel- und -sortierbetriebe, Recyclingunternehmen, Vertreter der Mitgliedstaaten und Nichtregierungsorganisationen sowie Umweltverbände. 

Die Umsetzung der geplanten Maßnahmen wird nicht nur einen hohen bürokratischen Aufwand mit sich bringen, sondern zudem vielschichtige Folgefragen und -probleme aufwerfen, insbesondere dann, wenn verschiedene Nachhaltigkeitsziele miteinander kollidieren. So könnten verbindliche Vorgaben zu Rezyklatanteilen in einem Produkt dazu führen, dass anderen Stoffgruppen Ressourcen entzogen und damit bestehende Kreislaufsysteme unterbrochen werden. Darüber hinaus sind Produkte nicht zwangsläufig nachhaltiger, weil sie reparierbar(er) sind. Denn für eine bessere Wiederverwendbarkeit eines Produkts ist es oftmals notwendig, Stoffe und Materialien zu verwenden, die ihrerseits bereits einen großen ökologischen Fußabdruck hinterlassen.

Kontrolle nachhaltiger Produkte wird für Marktüberwachungsbehörden komplexer 

Vor einer großen Herausforderung stehen zudem die Marktüberwachungsbehörden, die die Einhaltung der neuen Ökodesign-Anforderungen sicherstellen sollen. Ihre Aufgabe wird es sein, regulierte nachhaltige Produkte im EU-Binnenmarkt zu erfassen und regelmäßig zu überprüfen. Angesichts der Menge und Vielfalt der regulierten Produktkategorien wird eine lückenlose Überwachung vermutlich nur mit hohem Aufwand zu bewerkstelligen sein. Erschwert wird diese zudem durch das Zusammenspiel bzw. das Aufeinandertreffen von Vorgaben der neuen Ökodesign-Verordnung mit solchen aus bereits existierenden Rechtsakten. 

Hersteller und Importeure sollten Entwicklungen im Blick behalten 

Der Entwurf der Kommission sieht vor, dass die Verordnung unmittelbar nach dem Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens in Kraft tritt. Ab diesem Zeitpunkt soll die neue Ökodesign-Verordnung in allen Mitgliedsstaaten ohne eine Übergangsfrist gelten. Sodann ist mit dem sukzessiven Erlass von produktspezifischen Durchführungsverordnungen zu rechnen. Produkthersteller und -importeure sollten die weiteren Entwicklungen daher im Blick behalten und ab jetzt regelmäßig prüfen, ob und in welcher Form ihre Produkte von (noch zu erlassenden) Durchführungsverordnungen erfasst werden, und ggf. die Möglichkeit nutzen, sich im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens einzubringen. Dies gilt insbesondere für Hersteller und Importeure von energiebezogenen Produkten.

*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: Commercial Nachhaltigkeit Ökodesign-Verordnung