Eine nachhaltige Gesellschaftsverfassung spiegelt die Haltung eines Unternehmens zum Thema Nachhaltigkeit wider und bringt mehrere Vorteile mit sich.
Nachhaltigkeit hat Konjunktur. Ein bloßes Lippenbekenntnis von Unternehmen reicht mittlerweile nicht mehr aus, um von der Gesellschaft als nachhaltiges Unternehmen wahrgenommen zu werden. Gesagt, getan: Immer mehr Unternehmen integrieren nachhaltige Aspekte in ihr Geschäftsmodell. Dabei kann der Grundstein für ein nachhaltiges Handeln bereits in der Gesellschaftsverfassung gelegt werden, was für das Unternehmen mehrere Vorteile mit sich bringt.
Eine gesellschaftsrechtliche Gestaltung nachhaltiger Aspekte lohnt sich
Die Integration nachhaltiger Aspekte in die Gesellschaftsverfassung schafft eine Richtschnur für die Unternehmensleitung, anhand derer sie sich orientieren kann. Sie verpflichtet die Unternehmensleitung unter Beachtung der Beibehaltung der unternehmerischen Flexibilität gleichzeitig dazu, nachhaltig zu handeln.
Nicht außer Acht gelassen werden darf, dass beim Thema Nachhaltigkeit unterschiedliche Wertvorstellungen zugrunde liegen, welche enorm voneinander abweichen können. Häufig hat das Thema auch (noch) nicht denselben Stellenwert bei Unternehmensleitung oder Gesellschaftern. Das birgt Zündstoff. Indem in der Gesellschaftsverfassung die Geschäftspolitik im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit konkreter abgesteckt wird, kann das Konfliktpotential zwischen Gesellschaftern und Unternehmensleitung und zwischen Gesellschaftern untereinander für die Zukunft minimiert werden.
Eine nachhaltige Gestaltung der Gesellschaftsverfassung kann außerdem zur Glaubwürdigkeit eines Unternehmens beitragen. Interessierte Kreise können über das Handelsregister den Gesellschaftsvertrag einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung beziehungsweise die Satzung einer Aktiengesellschaft einsehen und damit „überprüfen″, ob Nachhaltigkeit auch tatsächlich das behauptete Unternehmenscredo ist. Ein tatsächliches Nachhaltigkeitsbekenntnis in der Gesellschaftsverfassung kann wiederum zu Reputationsvorteilen führen und entsprechende positive Markteffekte nach sich ziehen.
Die Ausgestaltung der Gesellschaftsverfassung einer Aktiengesellschaft und einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung müssen unterschiedlich gehandhabt werden
Im Aktienrecht und im GmbH-Gesetz bestehen bereits einige Regelungen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit, etwa die CSR-Berichtspflichten nach § 289 f. HGB oder Regelungen zur Frauenquote nach § 76 Absatz (4) AktG für Aktiengesellschaften beziehungsweise nach § 36 GmbHG für Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Die Regularien nehmen zwar zu, bislang werden Unternehmen aber noch nicht ausdrücklich zu einer nachhaltigen Unternehmensführung verpflichtet- eine gute Gelegenheit daher, gestalterisch tätig zu werden und zu zeigen, dass trotz Profitorientierung die Verantwortung für die unternehmerische Tätigkeit übernommen wird und freiwillig Nachhaltigkeitsziele verfolgt werden.
Bei der Gestaltung der Gesellschaftsverfassung ist auf die unterschiedliche gesetzliche Konzeption der Aktiengesellschaft und der Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu achten. Im GmbH- Gesetz gilt weitgehend Gestaltungsfreiheit. Soweit gesetzlich nicht entgegenstehend geregelt und solange die unternehmerische Handlungsfähigkeit von Geschäftsführern nicht vollständig eingeschränkt wird, können die Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nachhaltige Aspekte nach Belieben in den Gesellschaftsvertrag integrieren.
Bei der Satzungsgestaltung einer Aktiengesellschaft ist zu beachten, dass der Vorstand einer Aktiengesellschaft nach § 76 Absatz (1) AktG eigenverantwortlich handelt. Darüber hinaus gilt im Aktienrecht nach § 23 Absatz (5) AktG die sogenannte „Satzungsstrenge″. Mit anderen Worten können beispielsweise Vorstandsmaßnahmen nicht nach Lust und Laune einem Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung unterworfen werden. Mehr noch als bei Geschäftsführern einer GmbH ist darauf zu achten, dass durch eine etwaige Satzungsgestaltung das eigenverantwortliche Handeln des Vorstands nicht untergraben wird. Möglichkeiten, nachhaltige Aspekte in die Satzung einer Aktiengesellschaft einfließen zu lassen, gibt es aber dennoch.
Der Unternehmenszweck – die Frage nach dem Warum
Das GmbH-Gesetz verwendet in den §§ 1, 61 Abs. 1 den Begriff „(Gesellschafts-) Zweck“. Gemäß § 1 GmbHG können Gesellschaften mit beschränkter Haftung grundsätzlich zu jedem gesetzlich zulässigen Zweck errichtet werden. In den meisten Fällen wird der Unternehmenszweck in der Gesellschaftsverfassung nicht besonders geregelt, da eine ausdrückliche Bezeichnung gesetzlich nicht vorgeschrieben ist. Im Aktienrecht dagegen findet sich keine entsprechende Regelung zum „Unternehmenszweck″. Gleichwohl ist anerkannt, dass auch Aktiengesellschaften zu jedem gesetzlich zulässigen Zweck errichtet werden können.
Aber was bedeutet „Zweck″ eigentlich? Mit dem Begriff des Zwecks wird das Ziel der gemeinsamen Tätigkeit beschrieben. Der Zweck beantwortet die Frage nach dem „Warum″ der Gesellschaft. Sollen Gewinne generiert werden? Soll ein ideelles Ziel erreicht werden? Oder soll insgesamt ein nachhaltiges Engagement verfolgt werden?
In der Regel ist der von Kapitalgesellschaften verfolgte Zweck die Gewinnerzielung. Ein nachhaltiger Unternehmenszweck steht einer Profitorientierung aber nicht diametral gegenüber. Es geht vielmehr darum, sich Gedanken über negative Auswirkungen des unternehmerischen Handelns zu machen und diese einzudämmen. Die Verfolgung nachhaltiger Ziele wie die Nutzung erneuerbarer Energien als Beitrag zum Klimaschutz könnte dabei als übergeordnetes Ziel in einer Gesellschaftsverfassung implementiert werden.
Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass der Unternehmenszweck dem Bestimmtheitsgrundsatz genügt, die Bestimmung aber gleichzeitig nicht zur Handlungsunfähigkeit der Unternehmensleitung führt. Insbesondere in Aktiengesellschaften würde eine zu enge Ausgestaltung des Unternehmenszwecks dem Prinzip des eigenverantwortlichen Handelns des Vorstands einer Aktiengesellschaft zuwider laufen.
Auch der Unternehmensgegenstand kann grün sein
Ebenfalls können im Rahmen des Unternehmensgegenstands nachhaltige Aspekte berücksichtigt werden. Der Begriff Unternehmensgegenstand ist dabei nicht deckungsgleich mit dem Begriff Unternehmenszweck. Vielmehr ist der Unternehmensgegenstand das Mittel zur Erreichung des Unternehmenszwecks. Wie sich aus der Aufzählung aus § 3 Absatz (1) GmbHG beziehungsweise aus § 23 Absatz (3) AktG ergibt, handelt es sich beim Unternehmensgegenstand um ein grundlegendes Identitätsmerkmal, welches im Gesellschaftsvertrag einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung beziehungsweise in der Satzung einer Aktiengesellschaft Eingang finden muss.
Eine Implementierung nachhaltiger Aspekte im Rahmen des Unternehmensgegenstands hat dabei Vorteile sowohl im Innen- als auch im Außenverhältnis.
Im Innenverhältnis wird mit der Festlegung des Gegenstands zunächst der Handlungsrahmen, also das rechtliche Dürfen und das rechtliche Müssen, für die Unternehmensleitung abgesteckt. Gerade in Aktiengesellschaften kann dem Unternehmensgegenstand eine besondere Bedeutung zukommen, da die Hauptversammlung, im Gegensatz zu GmbH-Gesellschaftern, dem Vorstand keine Weisungen erteilen und damit auch nicht unmittelbar zum nachhaltigen Handeln anhalten kann.
Der Unternehmensgegenstand hat darüber hinaus eine Schutzwirkung für die Gesellschafter. Da der Unternehmensgegenstand eine interne Begrenzung des Handlungsrahmens darstellt, können eine willkürliche und unter Umständen unliebsame Ausweitung des Betätigungsfelds und damit einhergehende Geschäftsrisiken grundsätzlich unterbunden werden. Eine Überschreitung des Unternehmensgegenstands ist pflichtwidrig und kann eine Schadensersatzpflicht für Vorstände einer Aktiengesellschaft nach § 93 Absatz (1) AktG und für GmbH-Geschäftsführer nach § 43 Absatz (1) GmbHG begründen. Gesellschafter einer Gesellschaft sind daher davor gefeit, dass die Unternehmensführung plötzlich statt Vegane Produkte Tierprodukte vertreibt.
Durch die Formulierung des Gegenstands können generelle Leitlinien für das Organhandeln im Interesse einer nachhaltigen Unternehmensführung gesetzt werden. Denkbar ist ein nachhaltiger Unternehmensgegenstand wie beispielsweise die Verwendung von Glas statt Plastik beim Vertrieb von Produkten. Ein Thema, mit dem sich derzeit auch Coca-Cola auseinandersetzt. Ein übergeordnetes nachhaltiges Ziel kann statt auf Ebene des Unternehmenszwecks auch auf Ebene des Unternehmensgegenstands verlagert werden. Möglich ist etwa eine ergänzende Klausel, wonach CSR-Belange im Rahmen der Verfolgung des Unternehmensgegenstands angemessene Berücksichtigung finden sollen. Der Beschluss zur Änderung des Unternehmensgegenstands muss anders als die Änderung des Unternehmenszwecks allerdings nicht einstimmig erfolgen; eine in der Gesellschaftsverfassung definierte Mehrheit genügt.
Der Unternehmensgegenstand spielt auch im Außenverhältnis eine bedeutende Rolle. Der Rechtsverkehr wird über die Tätigkeit der Gesellschaft informiert und kann sich bei Interesse über das Unternehmen mithilfe des Handelsregisters in groben Zügen unterrichten. Der Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit wird für interessierte Wirtschaftskreise hinreichend erkennbar gemacht. Auf diese Weise kann ein Verbraucher oder Investor feststellen, ob ein Unternehmen hält, was es an Nachhaltigkeit in seiner sonstigen Außendarstellung verspricht oder ob die Bedeutung, welche Nachhaltigkeit im Unternehmen angeblich spielen soll, doch eher nebensächlich ist.
Ein Unternehmen, das sich zu 100 % auf nachhaltiges Wirtschaften beruft, auf der anderen Seite aber bei der Produktion von Waren gegen Menschenrechte verstößt, dürfte nach Auffassung vieler Verbraucher und Investoren seine nachhaltige Berufung eher verfehlt haben. Mehr noch: Greenwashing macht alles andere als einen guten Eindruck auf das Unternehmen. Das Stichwort lautet hier Glaubwürdigkeit. In vielen Fällen dürfte die Gunst von Verbrauchern und Investoren verspielt oder beeinträchtigt sein – in beiden Fällen drohen Wettbewerbsnachteile. Dagegen kann ein Unternehmen mit einem nachhaltigen Unternehmensgegenstand seine Haltung zum Thema Nachhaltigkeit ausdrücklich unter Beweis stellen und sich besser im Markt positionieren.
Insgesamt ist bei der Formulierung des Unternehmensgegenstands wie auch beim Unternehmenszweck darauf zu achten, die Flexibilität in der Geschäftsentwicklung nicht durch eine zu enge Fassung einzuschränken.
Sich als Unternehmensleitung zunächst die Zustimmung einholen (müssen), bevor gehandelt wird
Im Gesellschaftsvertrag einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung kann ein Katalog geregelt werden, in dem für bestimmte Geschäftsführungsmaßnahmen die Zustimmung der Gesellschafterversammlung vorgeschrieben wird, etwa für die Aufnahme neuer Geschäftstätigkeiten. Zugleich kann der Gesellschaftsvertrag auch für bestimmte Maßnahmen, wie die Feststellung und Änderung des Investitionsplans für das kommende Geschäftsjahr, eine Entscheidung durch die Gesellschafterversammlung vorsehen. So können bestimmte Geschäftsführungsmaßnahmen oder Beschlussgegenstände, die nicht als nachhaltig empfunden werden, dem Zuspruch einer in der Gesellschaftsverfassung vorgesehenen Mehrheit bedürfen.
Das soeben Ausgeführte gilt dagegen nicht für Aktiengesellschaften. In Aktiengesellschaften handelt der Vorstand nach § 76 Absatz (1) AktG eigenverantwortlich. Zudem ist der Gestaltungsspielraum auch durch die Satzungsstrenge des § 23 Absatz (5) AktG eingeschränkt. Hiernach sind Abweichungen nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen möglich, wobei § 119 Absatz (1) AktG bereits eine Aufzählung an Entscheidungsbefugnissen der Hauptversammlung enthält. Als Möglichkeit zur Implementierung nachhaltiger Aspekte kann jedoch die Vorschrift des § 111 Absatz (4) Satz 2 AktG genutzt werden, wonach die Satzung bestimmen kann, dass bestimmte Arten von Geschäften nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats vorgenommen werden dürfen.
Der Gewinn geht nach…
Eine weitere Möglichkeit, wie Nachhaltigkeit in die Gesellschafterverfassung integriert werden kann, sind Klauseln im Rahmen der Gewinnverwendung. Nach § 29 Absatz (2) GmbHG kann der Gesellschaftsvertrag Bestimmungen zur Gewinnverwendung treffen. Für eine Aktiengesellschaft ist dies ebenfalls möglich. Nach § 58 Absatz (3) Satz 2 AktG kann die Satzung die Hauptversammlung ermächtigen, eine andere Gewinnverwendung, die nicht in einer Ausschüttung an Aktionäre oder in einer Einstellung in Gewinnrücklagen oder in einem Gewinnvortrag besteht, zu beschließen. Die Gesellschaftsverfassung könnte daher vorsehen, dass die Hauptversammlung beschließen kann, einen Teil des Gewinns für bestimmte Nachhaltigkeitsziele zu verwenden.
Wer schreibt, der bleibt
Bei Nachhaltigkeit handelt es sich nicht um eine vorübergehende Modeerscheinung. Nachhaltigkeit ist gekommen, um zu bleiben. Unternehmen müssen sich mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzen, um am Markt künftig zu bestehen. In diesem Zusammenhangkönnen sich Unternehmen durch die Gestaltung einer nachhaltigen Gesellschaftsverfassung von anderen Unternehmen abheben und zeigen, dass Nachhaltigkeit nicht nur eine Marketingstrategie, sondern eine Grundhaltung des Unternehmens ist. Eine nachhaltige Gesellschaftsverfassung ermöglicht zudem eine solide Basis für eine nachhaltige unternehmerische Tätigkeit. Insgesamt schafft die Gestaltung einer nachhaltige Gesellschaftsverfassung daher eine gute Grundvoraussetzung, um zukünftig marktfähig zu bleiben.
Unsere Beitragsserie „Corporate Governance & Risk Compliance″ startet mit Themen wie Frauenquote im Vorstand, Änderungen in der Compliance und beim Deutscher Corporate Governance Kodex sowie den aktuellen ARUG II und DCGK. Weiter ging es mit der CSR-Richtlinie, den Vorstandspflichten und Nachhaltigkeitsaspekten in der Gesellschaftsverfassung. Weiter befasst haben wir uns mit der ESG-Due Diligence und dem Greenwashing. Zuletzt sind wir auf das neue ElektroG sowie Nachhaltigkeit im Vorstandsvergütungssystem eingegangen.