30. September 2022
Greenwashing Mythen
Corporate Governance & Risk Compliance (ESG)

Fünf Mythen zum Greenwashing

Das Thema Greenwashing ist in aller Munde. Was aber genau ist Greenwashing und wie kann man verhindern, sich diesem Vorwurf ausgesetzt zu sehen? CMS klärt auf.

Wer in den letzten Jahren im Supermarkt einkaufen war, wird einen deutlichen Anstieg an umweltbezogener Werbung bemerkt haben. Produktverpackungen aus recyceltem Plastik, mit lächelnden Tiergesichtern versehene Etiketten und große Klima-Versprechungen – mit viel gestalterischem Geschick wird die Aufmerksamkeit auf Begriffe wie „bio“, „klimaneutral“ oder „natürlich“ gelenkt. Das ist auch nicht verwunderlich: Egal welche Studie herangezogen wird, für mehr als die Hälfte der Verbraucher* hat das Thema Nachhaltigkeit einen Einfluss auf den eigenen Einkauf. Auch die Bereitschaft, für nachhaltige Produkte mehr Geld auszugeben, ist vorhanden.

Da überrascht es nicht, wenn viele Unternehmen versuchen, diesen Trend wirtschaftlich für sich zu nutzen. Denn wer weiß schon genau, was sich hinter dem Begriff „bio“ verbirgt? Und wie erreicht ein großer Konzern eigentlich CO2-Neutralität bei der Herstellung seiner Produkte? Längst hat sich ein weiterer Begriff durchgesetzt, der immer dann herangezogen wird, wenn die umweltbezogenen Werbeaussagen von Unternehmen kritisch hinterfragt werden: „Greenwashing“. Dabei scheint dieser Begriff ähnlich schwammig zu sein wie die irreführenden Werbeversprechen, die er zu verhindern sucht.

Die EU-Kommission hat sich bereits vor Jahren dem Kampf gegen „Greenwashing“ verschrieben und unter dem Schlagwort „European Green Deal“ mehrere Initiativen, Handlungsanweisungen und Gesetzespakete auf den Weg gebracht. Erste Versuche einer Definition des Begriffs „Greenwashing“ hat die EU-Kommission vor mehr als einem Jahrzehnt gemacht. In einer Mitteilung an das Europäische Parlament im Jahr 2011 beschrieb sie „Greenwashing“ als 

das Problem des irreführenden Marketings im Zusammenhang mit den Auswirkungen von Produkten auf die Umwelt.

In einer ähnlichen Mitteilung aus dem Jahr 2018 wurde „Greenwashing“ als 

die Nutzung von Marketinginstrumenten, um Produkte, Tätigkeiten oder Vorgehensweisen eines Unternehmens fälschlich als umweltfreundlich darzustellen[,]

definiert.

Beide Ansätze enthalten wichtige Punkte. Beim Greenwashing geht es um das Vortäuschen von Umweltschutz mit dem Ziel, wirtschaftlichen Profit zu generieren. Geschädigte sind die Verbraucher, die ein schlechteres Produkt erhalten. Geschädigt ist aber auch die Umwelt, der der versprochene positive Effekt nicht zugutekommt. Und schließlich sind auch konkurrierende Unternehmen Leidtragende, die ggf. viel Geld für tatsächlichen Umweltschutz ausgeben – und eben nicht nur Greenwashing betreiben.

Wie groß das Problem tatsächlich ist, zeigen Zahlen des europäischen Verbraucherschutz-Netzwerks CPC aus dem Jahr 2021. Diesem zufolge hat eine Untersuchung von Nachhaltigkeitsaussagen in den Branchen Textil, Kosmetik, Lebensmittel, Haushaltsgeräte und Reisedienstleistungen ergeben, dass mehr als 40 % der geprüften Werbeaussagen irreführende Angaben enthielten. In Deutschland erfolgt die Kontrolle regelmäßig nicht auf behördlichem, sondern auf zivilrechtlichem Weg, indem Konkurrenten oder Verbraucherverbände die „schwarzen Schafe“ aufgrund unlauteren Wettbewerbs abmahnen. Folglich besteht ein großes Interesse daran, sich vor dem Vorwurf des Greenwashings zu schützen.

Wir zeigen, welche Irrtümer es hierbei zu vermeiden gilt.

1. Greenwashing ist ein neues Thema und die rechtlichen Grundlagen werden gerade erst geschaffen.

Der Markt mit „grünen“ Produkten boomt. Doch nur weil der Trend aktuell so stark wie nie ist, bedeutet das nicht, dass sich die Gerichte nicht auch bereits vor Jahrzehnten mit ähnlichen Marketingmethoden beschäftigt haben.

Schon 1979 verbot das OLG Hamburg (Beschluss v. 24. April 1979 – 3 U 212/79) die Werbeaussage „naturrein“ für einen Fruchtsaft, dessen Trübstoffe industriell entfernt wurden. Etwas später, im Jahr 1982, entschied dasselbe Gericht (Beschluss v. 30. März 1982 – 3 W 35/82), dass die Bewerbung von Broten mit dem Hinweis „ohne Konservierungsstoffe“ unzulässig ist, weil der Zusatz von Konservierungsstoffen ohnehin längst gesetzlich verboten war. Im Jahr 1986 untersuchte das OLG Düsseldorf (Beschluss v. 17. April 1986 – 2 U 16/86), was Verbraucher unter den Werbeangaben „biologisch abbaubar“ bzw. „umweltfreundlich“ verstehen, und verbot schließlich den Namen „Bio-Fix“ für ein Reinigungsmittel, das für Fische giftige Stoffe enthielt. Der BGH entschied zwei Jahre später (Urteil v. 19. Oktober 1988 – I ZR 238/87), dass ein Toilettenpapierhersteller nicht mit der Aussage „aus Altpapier“ werben darf, wenn das Produkt überhaupt nicht zu 100 % aus Altpapier besteht. 

Die Geschichte mit Urteilen zu umweltbezogenen Werbeangaben beginnt also bereits früh. Dies zeigt, dass die Rechtsprechung im Bereich der umweltbezogenen Werbung nicht der aktuellen Entwicklung hinterherhinkt, sondern auf jahrzehntelange Erfahrungen zurückgreifen kann. Zwar ändern sich im Laufe der Zeit die Verbrauchererwartungen und auch die rechtlichen Beurteilungsmaßstäbe müssen stets der gesellschaftlichen Entwicklung angepasst werden. Das juristische Handwerkszeug aber wird nicht gerade erst erfunden, sondern beruht auf einer langen und gefestigten Rechtsprechung.

Folglich bedarf es in Deutschland auch nicht eines „Greenwashing-Gesetzes“. Das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) ist unverändert die rechtliche Grundlage, um Maßnahmen gegen irreführende Werbung, Verbrauchertäuschungen oder Behinderungen von Konkurrenten zu ermöglichen. Wer also denkt, dass sich die rechtlichen Maßstäbe zur Beurteilung von Greenwashing gerade erst herausbilden und daher noch massive Einflussmöglichkeiten bestehen, der kommt ein wenig zu spät.

2. Buzzwords wie „bio“, „umweltfreundlich“ oder „klimaneutral“ sind nicht gesetzlich reguliert. Wenn auf einem Produkt ein Siegel (z.B. „bio“) abgebildet ist, dann bedeutet das hingegen, dass dieses Produkt bestimmte staatliche bzw. gesetzliche Anforderungen erfüllt.

Viele Fehlvorstellungen ranken sich auch in Bezug auf in der Werbung häufig verwendete „Buzzwords“. Insbesondere Begriffe wie „bio“, „umweltfreundlich“ und „klimaneutral“ werden auf Produktverpackungen gedruckt, ohne dass stets eindeutig ist, was genau damit eigentlich gemeint ist. Auch bei vielen Unternehmen scheint die Vorstellung vorzuherrschen, dass es sich dabei primär um Werbebegriffe handelt, deren tatsächliche Bedeutung bzw. rechtliche Einordnung zweitrangig ist.

Allerdings gibt es nicht nur Gerichtsentscheidungen, die sich mit dem Verständnis solcher Buzzwords auseinandersetzen. Längst haben der deutsche sowie der Unionsgesetzgeber in bestimmten Branchen ausführlich geregelt, unter welchen Umständen mit gewissen Aussagen geworben werden darf. Bspw. verbietet § 21 Abs. 1 Nr. 4 des Tabakerzeugnisgesetzes die Werbung mit „natürlichen“ oder „naturreinen“ Inhaltsstoffen. In den §§ 2 und 8 der Mineral- und Tafelwasser-Verordnung werden die Anforderungen an Wasser geregelt, das als „natürlich“ beworben werden darf. Die seit 2007 in der gesamten EU geltende Health-Claims-Verordnung (VO [EG] 1924/2006) enthält zahlreiche Regelungen zu nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben bei der Bewerbung von Lebensmitteln. Und wer Lebensmittel konkret mit Angaben wie „bio“ oder „öko“ bewerben möchte, muss sich an die EU-Öko-Verordnung (VO [EU] 2018/848) halten.

Eine andere Möglichkeit, um die Aufmerksamkeit von Kunden zu gewinnen, ist die Verwendung von Gütesiegeln. Derartige Siegel suggerieren staatliche Kontrolle und Zertifizierung und geben den Verbrauchern die Sicherheit, ein hoheitlich geprüftes Produkt zu erwerben. Abseits der offiziellen Siegel, wie dem bekannten grünen „bio/öko“-Siegel nach der zuvor genannten EU-Öko-Verordnung, kursieren aber auch eine Reihe von rein privaten Gütesiegeln. So können sich Unternehmen freiwillig bestimmten Anforderungskatalogen unterwerfen und sich dadurch auch von nicht staatlichen Stellen zertifizieren lassen. Auch unter diesen Siegeln gibt es viele bekannte Vertreter wie „bioland“, „MSC“ oder „demeter“. Die Vergabe von privaten Gütesiegeln ist gesetzlich zulässig und wirtschaftlich mitunter sehr lukrativ. Häufig zahlen die Unternehmen Lizenzgebühren, um bekannte Siegel auf ihre Produkte zu drucken. Solange der Verleihung des Siegels eine tatsächliche Prüfung durch eine neutrale Stelle nach objektiven Kriterien vorausgeht, ist dieses Vorgehen erlaubt. Denn diese Praxis sorgt dafür, dass sich viele Unternehmen strengeren Vorgaben als dem gesetzlichen Mindeststandard unterwerfen. Dennoch gibt es immer wieder einmal auch Kritik an privaten Gütesiegeln. Nicht immer sind die Vergabekriterien ausreichend transparent. Daher ist es für Verbraucher empfehlenswert, sich mit einzelnen Gütesiegeln genauer zu beschäftigen, sollten sie ihre Kaufentscheidung nach diesen ausrichten wollen.

3. Die Werbung mit Begriffen wie „Klimaneutralität“ oder „CO2-Neutralität“ ist auch erlaubt, wenn Emissionen z.B. durch die Förderung von Klimaschutzprogrammen kompensiert werden. Dabei spielt es keine Rolle, auf welche Weise eine Kompensation erreicht wird, solange sie nur tatsächlich stattfindet.

Diese Aussage ist nicht per se falsch, in dieser Pauschalität für Unternehmen aber gefährlich. Mit der Bedeutung des Begriffs „klimaneutral“ haben sich in den letzten Jahren viele Gerichte beschäftigt. Die Mehrheit der Gerichte geht davon aus, dass Verbraucher Kompensationsmaßnahmen durchaus als Teil eines Klimakonzepts verstehen. Eine solche Werbung ist aber nur dann zulässig, wenn die Verbraucher vor dem Kauf des Produkts transparent darüber aufgeklärt wurden, auf welche Weise Klimaneutralität erreicht wurde.

So hat das OLG Koblenz (Urteil v. 10. August 2011 – 9 U 163/11) einem Unternehmen die Werbung mit den Aussagen „klimaneutral“ und „CO2-neutral“ untersagt, weil das Unternehmen lediglich „Bemühungen“ in Richtung Klimaneutralität nachweisen konnte. Nach Auffassung des Gerichts erwarten Verbraucher bei diesen Werbeaussagen aber einen vollständigen Ausgleich schädlicher Emissionen. Das LG Frankfurt (Urteil v. 31. Mai 2016 – 3-6 O 40/15) untersagte einer Herstellerin von Tiefkühlkroketten den Werbespruch „100 % klimaneutral vom Acker bis zum Tiefkühlregal“, weil Verbraucher erwarten würden, dass sich die Klimaneutralität bei einer solch konkreten Aussage auf jeden einzelnen Produktionsschritt beziehe. Das war hier aber nicht der Fall. Zwar wurde über die CO2-Ausstöße einzelner Produktionsschritte sowie dagegen ergriffene Kompensationsmaßnahmen auf einer Website aufgeklärt. Da aber niemand vor dem Kauf von Tiefkühlkroketten die Hersteller-Website prüfe, könnten diese Informationen einen möglichen Irrtum im Kaufzeitpunkt nicht ausräumen.

Ein wenig anders entschied zuletzt das LG Kleve (Beschluss v. 22. Juni 2022 – 8 O 44/21). Es stellte zunächst fest, dass „klimaneutral“ und „emissionsfrei“ nicht gleichbedeutend seien. Anders als die Emissionsfreiheit könne Klimaneutralität auch erreicht werden, wenn ausgestoßene Emissionen vollständig kompensiert würden. Das beworbene Produkt ist dann klimaneutral, nicht aber emissionsfrei. Im konkreten Fall verlangte das Gericht auch keine besondere Transparenz bei der Aufklärung über die ergriffenen Kompensationsmaßnahmen. Das hatte aber den Grund, dass sich die Werbung an die Leser einer Fachzeitschrift und nicht an Endverbraucher richtete. Anders als Verbraucher könne vom Fachpublikum erwartet werden, sich durch Einsicht in bspw. im Internet bereitgehaltene Informationen genauer über ein Produkt und dessen Herstellung zu informieren.

Für Unternehmen bedeutet das: Kompensationsmaßnahmen zur Erreichung von Klimaneutralität sind zulässig. Allerdings nur dann, wenn die Emissionen vollständig ausgeglichen und Verbraucher transparent und vor der Kaufentscheidung über die Hintergründe der Klimaneutralität aufgeklärt werden.

4. Überspitzungen und Ungenauigkeiten sind typische Merkmale der Werbung und daher rechtlich nicht angreifbar. Rechtliche Konsequenzen können vermieden werden, wenn eigentlich zu pauschale oder zu ungenaue Werbeaussagen auf Websites oder in Broschüren detailliert erläutert werden.

Hierbei handelt es sich um eine typische Fehlvorstellung, die nicht nur Greenwashing betrifft. Denn wir alle sind daran gewöhnt, dass in Werbeaussagen häufig übertrieben und mit Superlativen gearbeitet wird. Das ist in gewissem Maße auch rechtlich vollkommen zulässig. Problematisch wird es erst, wenn irreführende Aussagen getätigt werden, die Verbraucher dazu verleiten können, eine Entscheidung zu treffen, die sie eigentlich gar nicht treffen wollten. Die Liste denkbarer irreführender Handlungen ist lang und reicht von der Verschleierung der Produktherkunft über intransparente Preis- oder Mengenangaben bis hin zur Suggestion tatsächlich nichtexistierender Produkteigenschaften. Daneben kann auch das Weglassen bestimmter Informationen irreführend sein. Darüber hinaus ist es unzulässig, aktiv mit Selbstverständlichkeiten zu werben. Zum Beispiel darf Speisesalz nicht mit den Aussagen „für Bio-Nahrungsmittel geeignet“ und „frei von chemischen und industriellen Beimischungen“ beworben werden. Denn diese Eigenschaften muss es ohnehin haben (OLG München, Beschluss v. 21. November 2014 – 6 W 2103/14).

In allen genannten Fällen sind aber stets die konkreten Umstände, insbesondere die angesprochenen Verkehrskreise und die Situation, in der die Verkehrskreise mit den Werbeaussagen konfrontiert werden, zu beachten. Zu berücksichtigen ist auch, dass sich Verständnis und Hintergrundwissen der Verkehrskreise mit der Zeit ändern können. Auch Gerichte sind sich daher nicht immer einig. So beurteilte das OLG Schleswig (Urteil v. 3. September 2020 – 6 U 16/19) die Werbung eines Energieversorgers mit „grünem Regionalstrom“ als irreführend, da es bei einem allgemeinen Stromnetz schon nicht möglich sei, bestimmten (grünen) Strom aus bestimmten (regionalen) Anlagen zu garantieren. Das OLG Karlsruhe (Urteil v. 10. Dezember 2008 – 6 U 140/08) befand hingegen, dass es bei Verbrauchern allgemein bekannt sei, dass jeder an das gleiche Stromnetz angeschlossen sei – eine Irreführung sei daher überhaupt nicht möglich.

Wie bereits zu Mythos Nr. 3 erläutert, reicht es häufig auch nicht aus, wenn wichtige Informationen über eine Website oder zusätzliche Broschüren abgerufen werden können. Denn maßgeblich ist, wann und wie Verbraucher ihre Kaufentscheidung treffen. Die Aufmerksamkeit, die Gerichte den Verbrauchern zugestehen, variiert dabei stark je nach Produkt. Bspw. ist die Aufmerksamkeit beim Kauf von Medikamenten oder frischen Lebensmitteln höher als bei Konserven oder billiger Kleidung. Bei einem hochpreisigen Wein ist eher davon auszugehen, dass vor dem Kauf das Etikett studiert wird, als bei billiger Massenware. Häufig ist es daher nicht ausreichend, für die Kaufentscheidung wesentliche Informationen auf einer Website „outzusourcen“.

5. Greenwashing betrifft primär den Einzelhandel und Branchen, die sich unmittelbar an Verbraucher richten (insbesondere Lebensmittel und Gesundheit). In anderen Bereichen hat das Thema keine Bedeutung.

Auf den ersten Blick klingt dies überzeugend. Auch in diesem Beitrag haben wir bisher primär Beispiele aus der Lebensmittel- und Gesundheitsbranche gewählt, treten in diesen Bereichen doch auch mit Abstand die meisten Greenwashing-Fälle auf. Das illustriert nicht zuletzt das Interesse an dem seit 2009 von der Verbraucherorganisation foodwatch verliehenen Negativpreis „Goldener Windbeutel“, der 2021 bereits zum elften Mal vergeben wurde.

Das große Interesse an Greenwashing in der Lebensmittel- und Gesundheitsbranche darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Greenwashing auch in anderen Branchen eine zunehmend große Rolle spielt. So ist z.B. in der bereits 2004 erlassenen Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung (Pkw-EnVKV) geregelt, dass Automobilhersteller und -händler Pkw stets mit Angaben zu den ausgestoßenen CO2-Emissionen versehen müssen. Nach einem Urteil des BGH (vom 4. Februar 2010 – I ZR 66/09) stellt das Weglassen dieser Angaben in Werbeanzeigen einen abmahnfähigen Wettbewerbsverstoß dar.

Ein weiterer wichtiger Bereich, in dem Greenwashing eine zunehmende Rolle spielt, ist der Finanzsektor. Zur Umsetzung des Europäischen Green Deals mit dem Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2050 sind Investitionen in erheblichem Ausmaß geplant, mit denen (privates) Kapital für umweltfreundliche Projekte in ganz Europa mobilisiert werden soll. Schon in den letzten Jahren hat sich der Markt für nachhaltige Investitionen („Sustainable Finance“) daher rasant entwickelt. Grüne Finanzprodukte wie z.B. Green Bonds, deren Emissionserlöse ausschließlich für grüne nachhaltige Zwecke verwendet werden dürfen, haben einen rasanten Wachstumskurs hingelegt. Um auch hier der Gefahr eines Greenwashings vorzubeugen, hat der Europäische Gesetzgeber mit der Taxonomie-Verordnung, der Offenlegungsverordnung, der Benchmark-Verordnung sowie den delegierten Rechtsakten komplexe Regelungsregime geschaffen. In diesen wurde z.B. festgelegt, wann eine Wirtschaftstätigkeit ökologisch nachhaltig ist (Taxonomie-Verordnung) bzw. welche Informationen offengelegt werden müssen, um Endanlegern eine dahingehende Vergleichbarkeit von Finanzprodukten zu ermöglichen (Offenlegungsverordnung). Durch die Entwicklung eines einheitlichen Begriffsverständnisses soll der Gefahr eines „Greenwashings“ entgegengewirkt werden. Wo aber mehr Regulation vorhanden ist, da sind auch Regelverstöße nicht fern: 

Mit Urteil v. 31. Januar 2022 (Az. 36 O 92/21) untersagte z.B. das LG Stuttgart die Werbung für einen Investmentfonds. In dieser Werbung wurden Anlegern eine „messbare Wirkung“ und ein positiver Einfluss auf die eigene CO2-Bilanz versprochen. In einem extra bereitgestellten CO2-Rechner konnten Interessenten die Auswirkungen ihres geplanten Investments auf ihren persönlichen CO2-Fußabdruck errechnen lassen. Das Gericht kritisierte vor allem die konkreten Angaben zu Einsparpotenzialen als irreführend. Zwar konnten die genauen Hintergründe in einem gesonderten Informationsmemorandum nachgelesen werden; diese Informationen waren jedoch nicht unmittelbar wahrnehmbar und daher aus Sicht des Gerichts intransparent.

Die Finanzbranche setzt inzwischen viel Ressourcen dafür ein, genau darauf zu achten, dass das, was wir als grün bezeichnen, auch wirklich grün ist. […] Allen Marktteilnehmern ist bewusst, wie gefährlich Vorwürfe von Greenwashing sind. 

Christian Sewing, Deutsche-Bank-Chef, in seiner Funktion als Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB)

Die oben erwähnten Rechtssetzungsakte strahlen über die Finanzbrache auf weitere Branchen aus und erfassen somit auch andere Lebensbereiche. Als Beispiele seien das Baugewerbe und die Immobilienwirtschaft genannt. In den direkten Anwendungsbereich der Taxonomie-Verordnung fallen zwar nur Finanzmarktteilnehmer, die bestimmte Finanzprodukte anbieten, wie bspw. Immobilienfonds und Unternehmen, die von der CSR-Richtlinie erfasst sind. Die durch die Taxonomie-Verordnung normierten Offenlegungs- und Transparenzpflichten werden jedoch insbesondere durch die Energieeffizienz als wertbildenden Faktor mittelbar die gesamte Immobilienwirtschaft betreffen. Für diese sind insbesondere die Regelungen des ersten delegierten Rechtsakts zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel (C/2021/2800) von Interesse, die technische Bewertungskriterien für die Nachhaltigkeit von Neubauten und Gebäuderenovierungen festlegen. Immobilien, die nicht Taxonomie-konform sind, dürften zumindest mittel- bis langfristig schwieriger zu finanzieren und zu veräußern sein. Die Bedeutung von Nachhaltigkeit wird daher gleichermaßen für Erwerbsentscheidungen wie auch für die Strukturierung von Immobilienentwicklungen und Modernisierungen bis hin zur Gestaltung von Mietverträgen steigen – und mit ihr die Gefahr des Greenwashings. 

Unternehmen können mit klaren Aussagen Greenwashing vermeiden

Für Unternehmen stellt sich nun nachvollziehbarerweise die Frage, wie Greenwashing in der eigenen Werbung verhindert werden kann. Zunächst gilt es, mögliche branchenspezifische Besonderheiten zu beachten. Mittlerweile existieren in den meisten Branchen Gesetze, die zumindest teilweise vorschreiben, auf welche Weise mit umweltbezogenen Aussagen geworben werden darf. Ratsam ist es zudem, die neuesten Gesetzgebungsvorhaben sowie Gerichtsentscheidungen für die eigene Branche zu verfolgen, um stets auf dem aktuellen Stand zu bleiben.

Unabhängig von der Branche sollten aber alle Werbenden darauf achten, Buzzwords wie „öko“, „bio“ oder „umweltfreundlich“ nicht unkritisch zu verwenden. Wenn einzelne Werbeaussagen einer genaueren Erläuterung bedürfen, sollten diese bestenfalls auf dem Produkt selbst abgedruckt werden. Das Bereithalten der nötigen Informationen nur auf der eigenen Website ist jedenfalls nicht zu empfehlen, sofern sich das Produkt auch an Verbraucher richtet.

Immer mit Vorsicht zu behandeln sind zudem suggestive Werbeaussagen. Hier ist die Grenze zur Irreführung schnell überschritten. Um herauszufinden, wie die eigene Werbung wahrgenommen wird und ob die nötigen Informationen neben den üblichen werblichen Überspitzungen vermittelt werden, kann es empfehlenswert sein, die Meinung neutraler Dritter einzuholen. 

Schließlich reicht es auch nicht immer aus, nur im eigenen Unternehmen auf mögliches Greenwashing zu achten. Auch Kooperationspartner sollten entsprechend überprüft werden. Denn es ist ärgerlich, wenn die eigenen Werbeaussagen als irreführend eingestuft werden, nur weil sich einzelne Lieferanten in der Lieferkette nicht an die gesetzlichen Vorgaben gehalten haben. Gerade im Rahmen „grüner Kampagnen“ ergibt es daher Sinn, diese von Anfang an und ggf. sogar entlang der gesamten Lieferkette rechtlich begleiten zu lassen – ganz im Sinne der Nachhaltigkeit.

*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Für weitere Informationen zu Umweltaussagen und potentiellen Risiken des Greenwashing siehe CMS Green Globe.

Tags: Corporate Governance & Risk Compliance (ESG) Greenwashing Mythen