18. Februar 2022
Nachhaltigkeit Fonds Irreführung Werbung Nachhaltigkeit
Sustainable Finance (ESG)

Irreführende Werbung für Nachhaltigkeitsfonds

Greenwashing? Werbung mit Umweltschutzbegriffen ist für Kapitalanlagen nur unter besonders engen Voraussetzungen zulässig.

Das LG Stuttgart (Urteil v. 31. Januar 2022 – 36 O 92/21 KfH) hat frühere Werbeaussagen eines Fondsmanagers für seinen Impact-Fonds als unlauter i.S.d. §§ 5 Abs. 1, 5a Abs. 2 UWG und damit für unzulässig erklärt. 

Die Werbung mit positiver ökologischer Wirkung durch die unmittelbare Kopplung eines errechneten persönlichen „CO2-Fußabdrucks“ und einer bestimmten Investitionshöhe als Ausgleich dazu sei irreführend.

Anleger sollten mit einer Reduktion ihres „CO2-Fußabdrucks“ die Nachhaltigkeit ihres Investments bewerten können

Die Beklagte verwaltet einen sog. ELTIF (European Long-Term Investment Fund), der sich sowohl an professionelle Anleger als auch an Privatanleger richtet. Die Beklagte bot Anlegern* auf der Homepage des Fonds einen „CO2-Rechner“ an, mit dem durch einige Angaben zu Wohnverhältnissen sowie dem Konsum- und Mobilitätsverhalten angeblich der individuelle „CO2-Fußabdruck“ errechnet werden sollte.

Dem so ermittelten Wert stellte die Beklagte einen durch das Investment avisierten „CO2-Ausgleich“ in Form einer „Reduktion“ des zuvor errechneten „CO2-Fußabdrucks“ um 3,5 Tonnen bei einem Investment von EUR 10.000 gegenüber. Der Fonds habe das Anlageziel, mindestens 3,5 Tonnen CO2 pro EUR 10.000 investiertem Kapital zu vermeiden. Nur im Informationsmemorandum wies die Beklagte darauf hin, dass das tatsächliche Ergebnis vom erklärten Anlageziel abweichen und nicht garantiert werden könne.

LG Stuttgart: Irreführung, wenn angegebene Fixwerte bloße Zielwerte darstellen sollen

Das LG Stuttgart entschied, dass die Aussagen zum „CO2-Fußabdruck“ von den angesprochenen Verkehrskreisen als unbedingt einzuhaltende Werte verstanden würden. In Wahrheit stellten diese jedoch nur Zielwerte dar. Das sei irreführend.

In der Sache ist das Urteil weder bezüglich der angewendeten Rechtsgrundlagen (§§ 3, 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG, §§ 3, 5a Abs. 2 UWG) noch ihrer Auslegung überraschend. Bemerkenswert ist jedoch die Strenge, mit der das LG Stuttgart jedem Versuch einer Interpretation i.S.e. nichtssagenden Aussage einen Riegel vorgeschoben hat. Dies ist vor dem Hintergrund zu verstehen, dass die Werbung mit dem sog. Greenwashing immer mehr die Grenzen des geltenden Irreführungstatbestands aufzuweichen droht.

Zwar ist die täuschende Werbung mit Umweltargumenten an sich keineswegs neu. Neu ist aber die Entwicklung, dass das Thema Umweltschutz für das kommerzielle Entscheidungsverhalten des Durchschnittsverbrauchers immer mehr an Bedeutung gewinnt. Der Umweltschutz ist so zu einem wichtigen Faktor für die Werbung geworden. Im Zuge dieser Entwicklung kritisieren immer häufiger insbesondere Verbraucherverbände und die Wettbewerbszentrale derartige umweltbezogene Argumente als täuschend.

Gerichtsentscheidungen zu dieser „neuen Welle“ von (täuschender) Umweltwerbung sind bislang selten. Das LG Stuttgart knüpft daher auch an ältere einschlägige Entscheidungen des BGH an. Danach seien – wie bei der Gesundheitswerbung – strenge Anforderungen an die Unmissverständlichkeit der Aussage und die Aufklärungspflicht zu stellen. Entscheidend seien die Art des Produktes und die Bedeutung des fraglichen Umstandes für die maßgeblichen Verkehrskreise im konkreten Fall. 

Dass das angebotene Produkt hier ein Fonds zur Geldanlage ist, spielt eine wichtige Rolle. Die auf einer falschen Grundlage getroffene Entscheidung eines Anlegers führt nämlich zu weitaus stärkeren Konsequenzen als etwa der Kauf eines geringwertigen Konsumproduktes. Zudem hatte die Beklagte die Angaben zur Umweltfreundlichkeit noch dadurch untermauert, dass sie Beispiele mit konkreten Zielwerten (etwa „Ihr Investment versorgt 2,3 Haushalte mit sauberem Grünstrom“) angab. Vor diesem Hintergrund seien die gegebenen Hinweise auf die tatsächliche Situation keinesfalls so deutlich ausgefallen, dass sie den Eindruck eines fixen Wertes der CO2-Reduktion zu relativieren vermochten.

Ein Zweifel an der wettbewerblichen Relevanz einer Interpretation der Angaben als fixe Werte (und nicht als Zielwerte) könne für den verständigen und situationsadäquat aufmerksamen Verbraucher nicht bestehen. Die Aussagen zur angestrebten CO2-Vermeidung auf der Internetseite der Beklagten stellten zudem ein unlauteres Vorenthalten von Informationen i.S.v. § 5a Abs. 2 UWG dar.

Urteil zur Irreführung mit vermeintlichen Nachhaltigkeitsaspekten ist ein Signal an die Branche

Mit seiner Entscheidung hat sich das LG Stuttgart als erstes Gericht mit den Voraussetzungen für eine zulässige Werbung mit Nachhaltigkeit in Bezug auf Kapitalanlagen befasst. Die Entscheidung setzt wichtige Maßstäbe jedenfalls dort, wo es um konkrete umweltbezogene Angaben geht. Sie könnte durch das zunehmende Anlegerinteresse an nachhaltig ausgerichteten Fondsprodukten eine erhebliche Auswirkung auf den Bereich der Finanzdienstleistungen haben.

Bereits seit August 2021 steht in diesem Zusammenhang ein Entwurf einer BaFin-Richtlinie für nachhaltige Investmentvermögen zur Konsultation. Erklärtes Ziel ist es, die Gefahr des Greenwashings durch klare Anforderungen an die Auflage nachhaltiger Investmentvermögen einzudämmen. Dadurch sollen die Transparenz und Vergleichbarkeit von als nachhaltig klassifizierten Investmentvermögen verbessert werden. Der Entwurf bezieht sich allerdings ausschließlich auf die Ausgestaltung der Anlagebedingungen inländischer nachhaltiger Publikums-Investmentvermögen.

Der Richtlinienentwurf deckt im Kern die wesentlichen Aspekte der Entscheidung des LG Stuttgart ab. So sollen allein die Anlagebedingungen für die Zulassung als nachhaltiges Investmentvermögen ausschlaggebend sein, die bestimmte festgelegte Kriterien erfüllen müssen. Eine zu vage und damit unzureichende Ausgestaltung der Anlagebedingungen hätte zur Folge, dass das Investmentvermögen in Deutschland nicht als nachhaltiges Investmentvermögen vertrieben werden könnte.

Der Gebrauch von Umweltbegriffen für Werbezwecke ohne eindeutige Aufklärung über deren Inhalt und Bedeutung wird zunehmend strenger beurteilt

Für den Bereich der Finanzdienstleistungen ist die Entscheidung des LG Stuttgart eine klare, nachvollziehbare Linie. Kreditinstitute müssen Verbrauchern künftig alle belastbaren Hintergrundinformationen zur Verfügung stellen, die für die Investitionsentscheidung des Verbrauchers relevant sind, und dürfen sich wegen der bestehenden Unklarheiten über Bedeutung und Inhalt von Umweltschutzbegriffen und -zeichen nicht auf die pauschale Nutzung solcher beschränken.

Weitgehend ungeklärt bleibt dagegen die Einordnung von vollmundigen, jedoch relativ vagen Angaben wie „Wir handeln klimaneutral!“. Die Wettbewerbszentrale hat diesbezüglich insbesondere die Bedeutung der sog. Ausgleichszertifikate kritisiert, die sich möglicherweise auf Faktoren beziehen, die in keinem Zusammenhang mit dem fraglichen Produkt stehen. Auch die Frage, welchen Stellenwert ein hervorgehobener Faktor in der Umwelt-Gesamtbilanz hat (z.B. die Frachtkosten bei einem Mineralwasser), ist angesichts der kaum klar definierbaren Elemente umstritten. Wahrscheinlich wird es nur möglich sein, „mosaikförmig“ – durch Gerichtsentscheidungen, Verbraucheraufklärung, Guidelines etc. – einige rote Linien zu ziehen.

Im Hinblick auf mögliche neue BaFin-Richtlinien besteht allerdings die Gefahr einer nicht zielführenden Fragmentierung im europäischen Markt, nachdem bereits auf europäischer Ebene durch die Taxonomie-Verordnung, die Offenlegungsverordnung (SFDR) und mit den Änderungen in Delegierten Rechtsakten zur MiFID II detaillierte Regelungen zu Nachhaltigkeitsanforderungen eingeführt wurden. Eine zusätzliche Komplexität von regulatorischen Anforderungen im Bereich nachhaltiger Kapitalanlagen sollte vermieden werden und mögliche nationale Bestimmungen sollten im Einklang mit europäischen Regelungen stehen.

Für weitere Informationen zu Umweltaussagen und potentiellen Risiken des Greenwashing siehe CMS Green Globe.

*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.

In unserer Serie „Sustainable Finance″ sind wir eingegangen auf steuerliche Lenkungsmechanismen beim Erreichen von Nachhaltigkeitszielen, auf neue Pflichten in der AnlagenberatungOffenlegungspflichten unter der Taxonomie-VO, auf „Green Bonds″ sowie das Sustainable Finance Package der EU-Kommission.

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