Aspekte der Nachhaltigkeit wie Umwelt- und Klimaschutz rücken verstärkt in den Fokus der steuerlichen Gesetzgebung.
„Nachhaltigkeit″ (Sustainability) sowie der Klima- und Umweltschutz haben in jüngerer Zeit erheblich an Bedeutung und – teilweise neuem – Verständnis gewonnen. Auch wenn eine globale Nachhaltigkeitspolitik bis in die 80er Jahre zurückreicht, sind Nachhaltigkeitsaspekte mit Verabschiedung der umfangreichen Agenda 2030 durch die Vereinten Nationen im Jahr 2015 und durch den 2019 verkündeten „Europäischen Grünen Deal″ (European Green Deal) verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt.
Die im Zuge dessen ausgerufenen 17 globalen Nachhaltigkeitsziele und ihre 169 Unterziele betreffen zusammenfassend menschenwürdiges Leben, nachhaltige Wirtschaft, nachhaltigen Konsum und den Schutz der Umwelt. Beim Erreichen dieser Ziele kommt auch steuerlichen Faktoren eine wesentliche und wachsende Bedeutung zu. Steuerliche Lenkungsmechanismen sollen zusätzliche Anreize zur Verhaltensänderung schaffen und als Treiber für das Erreichen der Nachhaltigkeitsziele unter ökonomischen, ökologischen und sozialen Aspekten eingesetzt werden.
Bereits in einer am 24. März 2020 im Amtsblatt der EU veröffentlichten Stellungnahme (2020/C 97/01) aus Dezember 2019 hatte sich der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) mit der Bedeutung der Steuerpolitik im Hinblick auf die Erreichung von Nachhaltigkeitszielen beschäftigt und in folgenden Bereichen grundlegende Bedeutung zugewiesen:
- Besteuerung als Instrument für den Umweltschutz
- Besteuerung der Schattenwirtschaft zur Sicherung der Besteuerungsgrundlagen
- Besteuerung und die Gleichstellung der Geschlechter sowie
- Besteuerung der digitalisierten Wirtschaft
Bedeutung von Steueraspekten für die globalen Nachhaltigkeitsziele
Wo Steueraspekte im Rahmen von Nachhaltigkeitszielen bereits eine entscheidende Rolle spielen, bzw. u.a. zukünftig spielen können, zeigen wir in folgendem Kurzüberblick.
Bereich Klima- und Umweltschutz: Steuerpolitik hat entscheidende Rolle beim Übergang zu einem umweltfreundlicheren und nachhaltigeren Wachstum
Die Abkehr von fossilen Brennstoffen bei gleichzeitiger Hinwendung zu erneuerbaren Energien ist ein wesentliches – auch steuerpolitisch verfolgtes – Ziel beim Thema Nachhaltigkeit. Dabei spielen steuerliche Aspekte u.a. auf dem Gebiet der Elektromobilität und der Energienutzung bzw. -einsparung für die wirtschaftliche Betätigung von Unternehmen oder den Bau/die Sanierung von Immobilien eine große Rolle.
Neben Fragen aus dem Strom- und Energiesteuerrecht bestehen für die Steuerpflichtigen auch einkommens- sowie umsatzsteuerliche Berührungspunkte. Bereits heute existieren verschiedene Investitionsförderungsmöglichkeiten für nachhaltige Veränderungen von Unternehmen oder Arbeitsmitteln.
Auch der „Europäische Grünen Deal″ – mit dem Ziel das klimaneutrale Wirtschaften bis zum Jahr 2050 zu erreichen – räumt der Steuerpolitik eine entscheidende Rolle beim Übergang zu einem umweltfreundlicheren und nachhaltigeren Wachstum ein.
Als zwei wesentliche steuerpolitische Initiativen wurden darin die Überarbeitung der Energiebesteuerungsrichtlinie und die Einrichtung eines CO2-Grenzausgleichssystems vorgestellt.
Als Teil des Klimapakets der Bundesregierung wurde dazu 2019 das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) verabschiedet und ein Emissionshandel für die Sektoren Wärme und Verkehr ab dem 1. Januar 2021 eingeführt. Über einen nationalen CO2-Emissionshandel erhält der Ausstoß von Treibhausgasen beim Heizen und Autofahren einen über die Jahre ansteigenden Preis, um in der Wirtschaft sowie bei Verbrauchern mehr Anreiz für den Klimaschutz setzen (im November 2020 trat eine erste Änderung des Gesetzes in Kraft, mit der ein höherer Einstiegspreis zum 1. Januar 2021 festgelegt wurde).
Eine weitere Maßnahme stellt das ebenfalls im Jahr 2019 verabschiedete Gesetz zur Umsetzung des Klimaschutzprogramms 2030 im Steuerrecht dar. Das Gesetz soll umweltfreundliches Verhalten steuerlich stärker fördern und beinhaltet u.a. die steuerlichen Förderung energetischer Sanierungsmaßnahmen an Wohngebäuden oder auch eine Mobilitätsprämie für Pendler.
Bereich Menschenrechte: Steuerflucht verhindern, Schattenwirtschaft durch wirksame Einrichtungen fördern
Besteuerungssysteme und die Verwirklichung von Menschenrechten stehen in enger Beziehung zueinander. Insbesondere schädlicher Steuerwettbewerb und illegale Finanzflüsse tragen dazu bei, dass Staaten Steuersubstrat entzogen wird, das u.a. für Bildung, Gesundheitswesen und einen funktionsfähigen Rechtstaat benötigt wird.
2016 hatte der damalige Sonderberichterstatter der UN für die Förderung einer demokratischen und gerechten internationalen Ordnung, Alfred-Maurice de Zayas, die Auswirkungen der Besteuerung auf die Menschenrechte untersucht und dem UN-Menschenrechtsrat einen Bericht vorgelegt. Darin sprach er konkrete Empfehlungen für das Handeln der internationalen Gemeinschaft aus, mit dem Ziel insbesondere Steuerhinterziehung, Steuerflucht und Gewinnverschiebungen durch internationale Unternehmen zu begegnen. Diese Aspekte sind zuletzt insbesondere auch unter dem Eindruck der Cum-Ex und Panama-Paper Skandale verstärkt in der (internationalen) Steuerpolitik aufgegriffen worden.
Auch der in der EWSA Stellungnahme aufgeführte Bereich „Besteuerung der Schattenwirtschaft und Sicherung der Besteuerungsgrundlagen″ fällt unter diesen Themenkomplex. Der EWSA führt hierzu u.a. aus, dass die dominante Rolle der Schattenwirtschaft — vor allem in den Entwicklungsländern — zur Folge, hat dass sich die täglichen wirtschaftlichen Aktivitäten von Bürgern und Unternehmen der Besteuerung entziehen. Häufig ist die Aktivität außerhalb der formellen Wirtschaft keine bewusste Entscheidung, sondern vielmehr der einzig gangbare Weg für Unternehmen und Arbeitnehmer, die keinen Zugang zum formellen Sektor haben oder aus diesem ausgeschlossen wurden. Die Integration der Schattenwirtschaft soll daher durch wirksame Einrichtungen gefördert werden die es Arbeitnehmern, Unternehmen und Verbrauchern ermöglichen, zur Besteuerungsgrundlage ihres Landes beizutragen und Sozialschutz und soziale Dienstleistungen zu erhalten. Insbesondere sollten Fairness, Transparenz, Effizienz und Wirksamkeit von Steuersystemen als Voraussetzung für nachhaltige Entwicklung im Mittelpunkt stehen.
Bereich nachhaltige Unternehmensführung und Tax Compliance: Tax Compliance Angaben in Nachhaltigkeitsberichterstattung einführen
Im Bereich der nachhaltigen Corporate Governance kann sich für Unternehmen zukünftig ein neuer steuerlicher Schwerpunkt aus der Verbindung von Tax Compliance und Nachhaltigkeitsberichtserstattung ergeben.
Entwicklungen auf dem Gebiet der Tax-Compliance sollen insbesondere zu einer größeren Steuerehrlichkeit beitragen. Unternehmen werden mehr in die Pflicht genommen und müssen im Fall von steuerlichen Ermittlungen wirksame interne Kontrollsysteme nachweisen, um z.B. den Vorwurf einer (bedingt vorsätzlichen) Steuerhinterziehung zu entkräften. Jedoch nicht allein für den Fiskus, sondern auch für Stakeholder spielen Tax Transparency Gesichtspunkte eine wachsende Rolle. Besondere Bedeutung kann daher zukünftig der Integration von Tax Compliance Angaben in die sog. Nachhaltigkeitsberichterstattung (Sustainability Reporting) zukommen. In Deutschland sind Nachhaltigkeitsberichte freiwillig und unterliegen keinen verbindlichen Vorgaben zu Inhalt und Aufbau. Unternehmen können sich für die Berichterstattung u.a. an den Reporting Standards der der Global Reporting Initiative (GRI) orientieren. Die GRI-Standards zeigen eine mögliche, globale „Best-Practice″ für die Berichterstattung zu Auswirkungen verschiedener ökonomischer, ökologischer und sozialer Themen auf mit denen Unternehmen die Möglichkeit haben, ihre Adressaten über ihre Beiträge zu einer nachhaltigen Entwicklung zu informieren.
Im Jahr 2019 wurde vom Global Sustainability Standards Board (GSSB) der Reporting Standard „GRI 2007: Steuern″zur Verfügung gestellt. Mit dem neuen GRI Standard 207 thematisieren die Richtlinien erstmals auch die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Organisationen in Bezug auf steuerliche Aspekte. Der neue Standard gilt für alle am oder nach dem 1. Januar 2021 veröffentlichte Berichte oder sonstige Dokumente und enthält im Wesentlichen Angaben zum
- Managementansatz bezogen auf Steuerkonzept, Tax Governance, Kontrolle und Risikomanagement sowie Einbeziehung von Stakeholdern und Management von steuerlichen Bedenken und
- themenspezifische Angaben zum Country-by-Country Reporting.
Bereich Sustainable Finance und Tax: Deutschland soll führender Sustainable Finance Standort werden
Bereits heute beziehen Banken, Versicherungen, Fonds und weitere Finanzmarktakteure Nachhaltigkeitsaspekte in ihre Entscheidungsprozesse ein (Sustainable Finance).
Neben der politischen Fokussierung auf nachhaltige (Finanz-)Produkte wirkt sich auch eine diesbezüglich gesteigerte Nachfrage von Kunden und Investoren auf die Geschäftstätigkeit von Unternehmen aus. So haben grüne Finanzierungsprodukte wie bspw. Green Bonds oder die sogenannten Sustainability Linked Loans in der jüngeren Vergangenheit ein rasantes Wachstum erfahren.
Die Bundesregierung hat dazu beschlossen, Deutschland zu einen führenden Sustainable Finance Standort zu machen. Insbesondere auch bei der Umsetzung des Europäischen Grünen Deals wird der Finanzsektor daher eine Schlüsselrolle einnehmen.
Steuerliche Aspekte sind hiermit naturgemäß eng verknüpft. Neben klassischen Steuerfragen beispielsweise zur Besteuerung nachhaltiger Assetklassen und Fonds, können sich steuerliche Auswirkungen zukünftig u.a. auf dem Gebiet der Zinsabsetzung und der Mindestverzinsung ergeben. Denkbar sind hier bspw. besonders zinsgünstige Förderungen von nachhaltigen Projekten oder Betätigungen.
Außerachtlassen von Nachhaltigkeitsthemen kann steuerliche Nachteile bergen
Bereits ein Kurzüberblick zeigt, welchen Einfluss Steueraspekte im Rahmen von Nachhaltigkeitsgesichtspunkten nehmen. Unternehmen sollten sich daher bereits heute im Rahmen ihrer Nachhaltigkeitsstrategie stets auch mit den möglichen Auswirkungen und Anforderungen einer nachhaltigen Steuerpolitik auseinandersetzen. Die Nichtbeachtung neuer Regelungen können zu finanziellen Belastungen aufgrund staatlicher Maßnahmen oder entgehenden Förderungsmöglichkeiten führen. Ebenso besteht die Gefahr einer Abkehr von Kunden oder Investoren mit einem verstärkten Fokus auf eine nachhaltige Geschäftstätigkeit.
In unserer Serie „Sustainable Finance″ sind wir eingegangen auf steuerliche Lenkungsmechanismen beim Erreichen von Nachhaltigkeitszielen, auf neue Pflichten in der Anlagenberatung, Offenlegungspflichten unter der Taxonomie-VO und auf „Green Bonds„.