In diesem Beitrag werfen wir einen Blick auf die vielfältigen Werbeversprechen in Verbindung mit „gesunden“ und nicht-fleischhaltigen Lebensmittelprodukten.
Wie bereits in den vergangenen Jahren wurde auch der Januar 2024 von vielen Verbrauchern* zum Anlass genommen, zumindest zeitweise auf vegetarische oder vegane Ernährung umzustellen. In der Folge ist der Januar auch für die Produzenten vegetarischer und veganer Lebensmittel zu einem besonders wichtigen Vermarktungszeitraum geworden.
In der Lebensmittelwerbung macht sich diese Zeit mit einer besonders intensiven Bewerbung nicht-fleischhaltiger Produkte bemerkbar. Nicht selten erfolgt die Bewerbung rein pflanzlicher Produkte in Verbindung mit der Nennung von – in der Regel den tierischen Erzeugnissen zugeordneten – Referenzprodukten („vegetarischer Burger“ oder „vegane Milch“) oder unter Bezugnahme auf besondere gesundheitsbezogene Vorteile (z.B. „Superfood“ oder „proteinreich“).
Rechtlicher Rahmen in Bezug auf „gesunde“ Werbeversprechen
Werbeaussagen und werbliche Kennzeichnungen müssen grundsätzlich im Hinblick auf Klarheit, Wahrheit und Richtigkeit den allgemeinen (gesetzlichen bzw. regulatorischen) Anforderungen genügen. Dies gilt nicht nur für Werbeaussagen und -kennzeichnungen allgemeiner Natur, sondern aufgrund des hohen Schutzgutes der menschlichen Gesundheit in besonderem Maße für Werbeaussagen und -angaben in Bezug auf bspw. Lebensmittel und Kosmetika. So sind bei gesundheitsbezogenen Angaben besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit zu stellen.
Die Zulässigkeit von Werbeaussagen wird in der deutschen Spruchpraxis insbesondere anhand des harmonisierten Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) bestimmt. Im Zusammenhang mit Werbeangaben, einschließlich „gesunder“ Werbeaussagen, gegenüber Verbrauchern sind in der Regel die allgemeinen Verbote irreführender geschäftlicher Handlungen (durch aktives Tun oder durch Unterlassung) gemäß § 5 und § 5a UWG einschlägig – wenn und soweit nicht spezialgesetzliche Vorschriften und Normen vorrangig zur Anwendung kommen. Aufgrund der Vielzahl von Verordnungen, Richtlinien, Rechtsvorschriften und Gesetzen sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene und den ständigen Reformbemühungen und -bestrebungen seitens der EU ist es – insbesondere für die Werbenden – nicht immer einfach, den Überblick über die Regelungen zu Werbeaussagen und Produktbezeichnungen zu behalten. Insbesondere im stark regulierten Lebensmittel- und Gesundheitsbereich sollten sich Werbende besser zweimal denn einmal „umsehen“. Ein vertiefter Blick in die einschlägigen gesetzlichen Regelungen und die oftmals dezidierte Spruchpraxis der Gerichte mag sich im Hinblick auf die Vermeidung irreführender Werbeaussagen „lohnen“.
Neben den allgemeinen Regelungen des UWG existieren zahlreiche spezielle branchenbezogene Regelungen über irreführende Werbung, beispielsweise für Bereiche der Lebens- und Futtermittel oder Kosmetika. Auf Unionsebene enthält etwa Artikel 7 Absatz 1 Lebensmittelinformations-Verordnung (LMIV) für den Lebensmittelbereich ein umfassendes Irreführungsverbot, Artikel 20 Abs. 1 Kosmetik-Verordnung in Bezug auf Kosmetikprodukte und Artikel 3 S. 2 lit. a) Health-Claims-Verordnung (HCVO), die insbesondere die Kennzeichnung und die Werbung für Lebensmittel mit nährwert- oder gesundheitsbezogenen Angaben regelt. Innerhalb der HCVO ist wiederum zwischen den nährwertbezogenen Angaben (dies sind u.a. Angaben über einen geringen, reduzierten oder fehlenden Energiegehalt, Angaben zu Fett, Zucker und Natrium, etc.) und den gesundheitsbezogenen Angaben (mit denen erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht) zu differenzieren, da sich an die Unterscheidung unterschiedliche Voraussetzungen für die Verwendung des jeweiligen Claims anknüpfen. In Deutschland ist eine Vielzahl spezialgesetzlicher Regelungen zu berücksichtigen, die teils konkrete, teils abstrakte Irreführungstatbestände enthalten. Für Lebensmittel sieht u.a. § 11 Abs. 1 Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) iVm Artikel 7 Abs. 1 LMIV vielfältige Gesichtspunkte der Irreführung, etwa in Bezug auf die Eigenschaften des Lebensmittels oder das Suggerieren des Vorhandenseins eines bestimmten Lebensmittels oder einer Zutat. Vergleichbar detaillierte Irreführungsverbote sieht § 25 Weingesetz für Weinprodukte vor. Spezialgesetzliche Irreführungsverbote in Bezug auf Heil- und Arzneimittel lassen sich vornehmlich in § 3 ff. Heilmittelwerbegesetz (HWG) und § 8 Arzneimittelgesetz (AMG) finden. Hinsichtlich Produktverpackungen sollte das Mess- und Eichgesetz, hier insbesondere § 43 MessEG, berücksichtigt werden.
Soweit spezialgesetzliche Regelungen einschlägig sind (siehe zuvor), die das Marktverhalten im Interesse der Marktteilnehmer:innen regeln sollen, kann deren Einhaltung grundsätzlich gemäß § 3a UWG (Rechtsbruch) durchgesetzt werden.
Werden „gesunde“ Werbeversprechen mit nachhaltigen umweltbezogenen Aussagen verbunden bzw. kombiniert, wäre darüber hinaus die Gefahr des sogenannten Greenwashings zu berücksichtigen. Auf EU-Ebene wird die Irreführung durch „grüne“ Aussagen und die Eindämmung von „Greenwashing“ derzeit unter anderem durch den EU Green Deal aufgegriffen. Dieser hat das Ziel sicherzustellen, dass „Angaben über die Umweltleistung von Unternehmen und Produkten zuverlässig, vergleichbar und EU-weit überprüfbar sind“. Der Schutz der Verbraucher vor einer Täuschung (unter anderem) über die ökologischen und sozialen Auswirkungen von Produkten soll bspw. durch die „Richtlinie zur Änderung der Richtlinien 2005/29/EG und 2011/83/EU hinsichtlich der Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und bessere Informationen“, sog. Empowering Consumers Directive, verbessert werden, die am 17. Januar 2024 vom Europäischen Parlament verabschiedet wurde. Darüber hinaus soll die von der EU-Kommission am 22. März 2023 vorgeschlagene EU-Richtlinie über die „Begründung und Bekanntmachung ausdrücklicher umweltbezogener Angaben“ (sog. „Green Claims Directive“, „GCD“) mehr Klarheit für Werbetreibende in Bezug auf „grüne“ Werbeaussagen und Label schaffen.
Gesundheitsbezogene Aussagen wie bspw. „detox“, „bekömmlich“, „gesund“, „clean“, etc.
Die Gerichte in Deutschland haben sich seit jeher mit gesundheitsbezogenen Angaben beschäftigt – und diesbezüglich strenge Maßstäbe entwickelt.
Insbesondere aufgrund der seit einigen Jahren zu beobachtenden Entwicklung in Gesellschaft und Politik hin zu einer bewussteren und gesünderen Ernährung, einschließlich der Verwendung lokaler Lebensmittel und natürlicher Zutaten, und der damit einhergehenden Zunahme entsprechender Werbeaussagen, ist eine Zunahme gerichtlicher Entscheidungen zu beobachten. Denn die produzierenden Unternehmen möchten nicht nur gesunde Lebensmittel herstellen, sondern diese und deren Vorzüge auch entsprechend werblich hervorheben.
Nach Ansicht der Instanzgerichte wurden bspw. die Begriffe „bekömmlich“ (BGH, Urteil v. 17. Mai 2018 – I ZR 252/16 – Bekömmliches Bier), „detox“ (BGH, Beschluss vom 29. März 2017 – I ZR 167/16; laut BGH sei „detox“ kein „wolkiges Lifestyle-Wort“, sondern eine gesundheitsbezogene Angabe), „vitalisierend“ (OLG Hamm, Urteil v. 20. Mai 2014 – I-4 U 19/14 – Vitalisierendes alkoholfreies Bier) und „Fatburner“ (OLG Hamburg, Beschluss v. 20. Januar 2022, 3 U 50/21– Fatburner-Formula) jeweils als gesundheitsbezogene Angaben in Bezug auf das konkrete Lebensmittel eingestuft und verboten. Die Bezeichnung „Ökovital“ wiederum wurde als zulässig befunden, da sie in der konkreten Verwendung für Fruchtgummis nicht als gesundheitsbezogene Angabe aufgefasst würde (VG Regensburg, Urteil v. 28. Februar 2022 – RN 5 K 19.129).
Angaben in Bezug auf vegane und vegetarische Lebensmittel – „vegane Milch“ & Co.
Der Kreativität der Lebensmittelproduzenten bei der Bewerbung veganer und vegetarischer Lebensmittel sind – fast – keine Grenzen gesetzt. Eine Irreführung der Verbraucher ist jedoch auch und gerade bei der Bewerbung veganer (und vegetarischer) Lebensmittel zu vermeiden.
Insbesondere die Bezugnahme auf ihre „tierischen Verwandten“ und die Bezeichnung oder Umschreibung vegetarischer oder veganer Lebensmittel erschwert eine – zulässige – Bewerbung solcher Lebensmittel und stellt Hersteller und/oder Vermarkter vor besondere Herausforderungen. Denn für die Frage, wie ein veganes Produkt bezeichnet und beschrieben werden darf, sind nicht nur diverse Urteile und gesetzliche Vorgaben zu beachten. Auch nicht-gesetzliche Leitlinien spielen eine bedeutende Rolle.
Leitsätze der Deutschen Lebensmittelbuchkommission
Anders als bei anderen Konsumgütern ergibt sich für die Bezeichnung von „Veggie“ Lebensmitteln die Besonderheit, dass es weniger auf unmittelbare gesetzliche Vorgaben als auf die Leitsätze der Deutschen Lebensmittelbuchkommission ankommt. Diese Leitsätze haben zwar keinen Gesetzescharakter und werden von vielen Seiten kritisiert. Deutsche Gerichte ziehen diese im Rahmen der Überprüfung von Produktaufmachung und -werbung aber regelmäßig heran, sodass diese einen „quasigesetzlichen“ Charakter erhalten. Vor diesem Hintergrund stellen die „Leitsätze für vegane und vegetarische Lebensmittel mit Ähnlichkeit zu Lebensmitteln tierischen Ursprungs“ einen äußerst wichtigen Orientierungspunkt bei der Überprüfung von Produktnamen oder Werbeclaims dar.
EuGH in Sachen „Tofu Town“
Darüber hinaus definiert aber natürlich auch die Rechtsprechung fortlaufend neue „Leitplanken“ für die rechtskonforme Bezeichnung und Bewerbung vegetarischer und veganer Lebensmittel. So gibt es mittlerweile diverse Entscheidungen, die sich mit dem besonderen Schutz zugunsten tierischer Milchprodukte auseinandersetzen.
Die prominenteste Entscheidung in dieser Hinsicht dürfte das EuGH-Urteil in Sachen „Tofu Town“ sein (EuGH, C-422/16). Hier hatte der EuGH erstmals festgehalten, dass die Bezeichnung „Milch“ – mit wenigen Ausnahmen – ausschließlich Produkten tierischen Ursprungs vorbehalten ist. Seither steht fest, dass Begriffe wie „Sojamilch“ oder „Hafermilch“ in Bezug auf vegane Produkte in aller Regel unzulässig sind. Wenig Raum bleibt auch für die Bezeichnung veganer Produkte mit Bezeichnungen wie „Rahm“, „Sahne“, „Butter“, „Käse“ oder „Joghurt“.
Diese Entscheidung wurde jüngst noch einmal vom OLG Frankfurt am Main aufgegriffen (Urteil v. 21. Dezember 2023 – 6 U 154/22). Neben der Frage, inwiefern Plattformen für unzulässige Lebensmittelbezeichnungen haften, hielt der Senat hier noch einmal fest, dass vegane Produkte nicht als „Sojamilch“, „Hafermilch“ oder „Reismilch“ bezeichnet werden dürfen.
Angesichts solcher Entscheidungen stehen Hersteller und Vermarkter von „Veggie“ Produkten nicht selten vor einer nicht zu unterschätzenden Herausforderung: Einerseits sollen und müssen Lebensmittel möglichst eindeutig bezeichnet sein, insbesondere um Verbrauchern eine konkrete Vorstellung davon zu geben, um was für ein Lebensmittel es sich handelt und wie es konsumiert bzw. zubereitet werden kann. Andererseits bleibt für die naheliegende Referenz auf die „bekannten“ nicht-vegetarischen bzw. nicht-veganen Alternativprodukte wenig Raum.
Bezugnahme auf tierische Produkte nicht per se unzulässig
Dass nicht jeder Verweis auf tierische Produkte per se unzulässig ist, zeigt etwa eine Entscheidung des OLG Celle aus dem Jahr 2019. Hier hatte das Gericht entschieden, dass die Bezeichnung als „Käse-Alternative“ für ein Lebensmittel auf Cashew-Basis zulässig sei. Denn mit dieser Bezeichnung werde lediglich eine Beziehung zu dem Milchprodukt Käse gesetzt und dabei hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es sich nicht um Käse, sondern um ein Alternativprodukt handele (OLG Celle, Beschluss v. 6. August 2019 – 13 U 35/19).
Festzuhalten bleibt: Ob und inwieweit eine Anlehnung an bzw. Verwendung von Bezugnahmen auf tierische Alternativprodukte zulässig ist, ist im Einzelfall zu prüfen. Hierbei bieten die Leitsätze der Deutschen Lebensmittelbuchkommission und die Entscheidungen deutscher und europäischer Gerichte zwar Orientierungshilfe. Mit Blick auf die Einzelfallbezogenheit der entsprechenden Vorgaben sind Lebensmittelunternehmer aber gut beraten, stets im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob die gewählte Bezeichnung die Grenzen einer zulässigen Bezugnahme auf tierische Alternativprodukte (noch) einhält.
In unserer Blogserie Green Claims & Co. – ein bunter Strauß an Herausforderungen informieren wir Sie über gegenwärtige und künftigen rechtliche Anforderungen an Werbeaussagen, die sich auf ESG-Aktivitäten beziehen. In unserem Blog haben wir zudem bereits einen Blick auf Themen geworfen wie den diffizilen Umgang mit dem Begriff „klimaneutral″ in der Werbung, fünf Mythen zum Greenwashing sowie auf Rechtsprechung u.a. zu Werbung für Nachhaltigkeitsfonds, „klimaneutralen″ Müllbeuteln und „klimaneutralen″ Fruchtgummis.
Für weitere Informationen zu Umweltaussagen und potenziellen Risiken des Greenwashing sowie neusten Entwicklungen weltweit siehe CMS Green Globe.
* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.