In Teil I zur Green Claims-Richtlinie beleuchten wir das geplante neue System der Verwendung von Umweltaussagen mit den spezifischen Anforderungen an die Gewerbetreibenden.
Die Bewerbung von Produkten, Dienstleistungen und Unternehmen mit Umweltbezug – sei es die größere Umweltfreundlichkeit, sei es die geringere Umweltschädlichkeit – wird mit der geplanten Green Claims-Richtlinie erheblich komplizierter. Sämtliche Umweltaussagen müssen nach den Plänen der EU künftig umfassend begründet, nachgewiesen und vorab durch akkreditierte Stellen zertifiziert werden.
Am 22. März 2023 hat die Kommission den Vorschlag für eine Richtlinie zu sog. „Green Claims“ (COM (2023) 166 final 2023/0085 COD, im Folgenden: „GCD“) veröffentlicht. Dieser dient als Teil des Green Deals der EU dazu, die Richtigkeit und Transparenz von umweltbezogenen Werbeaussagen zu gewährleisten und ist in Zusammenhang insbesondere mit den geplanten Änderungen zur UGP-Richtlinie zu lesen, über die wir in einem unserer kommenden Blog-Beiträge berichten werden.
Neue Regeln für Umweltaussagen
In dem Entwurf zur GCD stellt die Kommission einen EU-weit gültigen Rahmen für Umweltaussagen im kommerziellen Kontext auf, um Greenwashing zu unterbinden. Ziel der Richtlinie ist es, übertriebene oder unwahre und damit wettbewerbsverzerrende Umweltaussagen durch präventive Verpflichtungen des/der Werbenden zu unterbinden und dadurch das für die ökologische Transformation notwendige Kundenvertrauen in die Umweltverträglichkeit von Produkten und Dienstleistungen zu stärken. Ziel des Entwurfs ist es ferner, Umweltsiegeln und -zertifikaten einen neuen rechtlichen Rahmen zu geben. Hierzu und zu dem Sanktionsmechanismus für Verstöße gegen die Vorgaben der GCD folgt unser Beitrag „Green Claims-Richtlinie – Teil II: Ein Blick auf die Vorgaben für Labels, die Durchsetzung der Richtlinie und die geplanten Rechtsfolgen“ in der nächsten Woche.
Um dieses Ziel zu erreichen, plant die EU eine Vorabprüfung aller ausdrücklichen umweltbezogenen Aussagen durch benannte Stellen auf Basis von wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen – ein System, das überspitzt ausgedrückt eine Kombination dessen ist, was aus dem Bereich der Medizinprodukte und der Health Claims („gesundheitsbezogene Angaben“) bekannt ist.
Der Richtlinienentwurf beinhaltet damit für werbetreibende Unternehmen diverse neue regulatorische Vorgaben, die es künftig vor und bei umweltbezogenen Werbeaussagen zugunsten von Produkten und Dienstleistungen oder des Unternehmens selbst zu beachten gilt.
Der Begriff der „ausdrücklichen Umweltaussage“
Ausgangspunkt des Anwendungsbereichs, der nur den B2C-Kontext erfasst, ist der Begriff der „ausdrücklichen Umweltaussage“. Erfasst sind alle Aussagen oder Darstellungen im kommerziellen Kontext, die nach Unionsrecht oder nationalem Recht nicht verpflichtend sind, in denen angegeben wird, dass ein Produkt oder Gewerbetreibender eine positive oder keine Auswirkung auf die Umwelt hat oder weniger schädlich für die Umwelt ist als andere Produkte oder Gewerbetreibende. Die Darstellung kann in Form von Texten oder Umweltsiegeln erfolgen. Die „Ausdrücklichkeit“ der Umweltaussage wird also über die bloße Form bestimmt, nicht über ihren Inhalt. Ausgenommen davon sind jedoch solche Umweltaussagen, die vorrangig in spezielleren EU-Sekundärakten geregelt sind, wie z.B. „Öko“ oder „Bio“.
Der Begriff ist der (zu ändernden) Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, sog. UGP-Richtlinie 2005/29/EG (COM(2022) 143 final 2022/0092 (COD)), entnommen (vgl. Art. 2 Nr. 1 GCD). Dort wird in Art. 2 lit. o die Umweltaussage im Allgemeinen legaldefiniert. Darunter fällt zwar hauptsächlich die Werbung für „nachhaltige“, „umweltfreundliche“ oder „CO2-neutrale“ Produkte und Dienstleistungen; doch darüber hinaus werden auch werbende Angaben über das Unternehmen selbst erfasst.
Zertifizierung von ausdrücklichen Umweltaussagen
Der Richtlinienvorschlag führt ein Verfahren zur Überprüfung dieser ausdrücklichen umweltbezogenen Angaben ein (Art. 10 GCD). Danach müssen Unternehmen Umweltaussagen vor ihrer Verwendung von einer benannten Stelle verifizieren lassen (ex ante-Verifizierung).
Gegenstand der Konformitätsprüfung ist nicht nur die Begründung der Umweltaussage als solche, sondern auch die darauf beruhende Kommunikation – beide Aspekte müssen im Einklang mit der Richtlinie stehen. Dazu müssen die Unternehmen diverse Nachweise zur Substantiierung der Umweltaussage, die sie verwenden wollen, vorlegen (vgl. Art. 3 GCD). Insbesondere muss die Umweltauswirkung mithilfe allgemein anerkannter, aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse belegt werden. Die akkreditierte Stelle führt dann eine Konformitätsbewertung durch, in der alle für die geplante Aussage relevanten Umweltauswirkungen ermittelt werden.
Anschließend stellt sie dem Unternehmen eine EU-weit einheitliche Konformitätsbescheinigung aus, die bestätigt, dass die geplante Aussage oder das Umweltzeichen den Anforderungen der GCD entspricht. Erst mit Erhalt dieser Konformitätsbescheinigung darf die entsprechende Umweltaussage in die Verbraucherinformationen aufgenommen und in der Werbung verwendet werden. Die Konformitätsbescheinigungen werden offiziell im Binnenmarkt-Informationssystem der EU hinterlegt und von den zuständigen Behörden verwaltet.
Anforderungen an die Substantiierung der Umweltaussage gegenüber der akkreditierten Stelle
Zunächst einmal muss jede Umweltaussage durch allgemein anerkannte und aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse untermauert werden (Art. 3 Abs. 1 GCD). Dabei müssen die einschlägigen internationalen Standards berücksichtigt werden. Genauer definiert werden diese bisher nicht. Damit sollen Umweltaussagen „ins Blaue hinein“, wie sie nach den Feststellungen des Sweep im Auftrag der Kommission vielfach erfolgen, unterbunden werden.
Die Substantiierung muss sämtliche für die Bewertung der Umweltleistung relevanten Umweltaspekte und Umweltauswirkungen über den gesamten Lebenszyklus des Produkts berücksichtigen, also sowohl die positiven wie auch die negativen. Entsprechend muss das Unternehmen in seiner Begründung auch darauf eingehen, ob beworbene Verbesserungen zu erheblichen Beeinträchtigungen anderer Umweltgüter führen. Das Unternehmen muss also auch etwaige negative Umweltauswirkungen des Produktes erfassen, wenn solche vorliegen. So darf sich beispielsweise nicht auf der einen Seite die Umweltaussage auf den verbesserten CO2-Fußabdruck beziehen, dabei auf der anderen Seite nicht berücksichtigt werden, dass das Produkt in seiner Herstellung mehr Plastik erfordert.
Um eine unzulässige Werbung mit Selbstverständlichkeiten zu vermeiden, darf die Umweltaussage nicht gleichwertig mit bereits von Rechts wegen vorgeschriebenen Anforderungen sein.
Es ist außerdem darzulegen, wie die Umweltauswirkungen des Produkts im Vergleich zur gängigen Praxis aussehen. Das Unternehmen muss also darüber informieren, ob die Umweltverträglichkeit des Produkts über den bereits üblichen Standard für vergleichbare Produkte hinausgeht. Gegenstand der Bewertung dürfen damit keine Eigenschaften sein, die längst verbreitet sind und von Verbraucher:innen als selbstverständlich vorausgesetzt werden können.
Anforderungen an die kommerzielle Kommunikation gegenüber Verbraucher:innen
Selbst wenn das Unternehmen die Voraussetzungen der Konformitätsbewertung geschaffen hat, kann die Werbeaussage auf Basis der Konformitätsbescheinigung nicht uneingeschränkt verwendet werden, sondern muss insbesondere die nachfolgenden Vorgaben einhalten:
Die umweltbezogene Werbeaussage darf nicht rein pauschal und zusammenfassend sein – wie beispielweise „klimafreundlich“, „klimaneutral“, „umweltfreundlich“, „umweltschonend“ oder „nachhaltig“ – sondern muss sich auf konkrete Aspekte beziehen.
Soweit sich die besondere Umweltleistung hauptsächlich in der Nutzungsphase realisiert – also beispielsweise ein Staubsauger mit einem reduzierten CO2-Fußabdruck beworben wird – müssen die Verbraucher zudem darüber informiert werden, wie sie das Produkt verwenden sollten, um die erwartete Umweltleistung des Produkts zu erreichen (Art. 5 Abs. 3 GCD).
Konkreter werden auch die Vorgaben für die Bewerbung künftiger Umweltleistungen: Diese müssen zeitlich festgelegte Ziele sowohl des werbenden Unternehmens selbst als auch innerhalb der gesamten Wertschöpfungskette enthalten (Art. 5 Abs. 4 GCD).
Informationen zur Kompensation und andere Pflichtinformationen
Schließlich sieht die GCD für eine ausreichende Transparenz eine Veröffentlichungspflicht vor. So müssen die werbetreibenden Unternehmen nach Art. 5 Abs. 6 GCD alle relevanten Informationen über die Hintergründe der verwendeten Umweltaussage – sowohl die Informationen zur Begründung/Substantiierung der Umweltaussage nach Art. 3 GCD, die Konformitätsbescheinigung selbst als auch die weitergehenden Pflichtinformationen – öffentlich bereitstellen.
Hierzu gehört explizit auch bei klimabezogenen Umweltaussagen, die mit einer Kompensation von Treibhausgasemissionen verbunden sind, die Information über den Umfang dieser Kompensation. Mit dem Verweis auf mögliche Kompensationen erkennt der Entwurf an, dass diese bei der Berechnung der Umweltauswirkungen relevant sind, ohne aber gleichzeitig zu definieren, welche Arten von Kompensationsmaßnahmen anerkannt werden. Die Begründung des Richtlinienentwurfs (Ziff. 6.2, S. 24) und der Erwägungsgrund 21 zeigen allerdings, dass grundsätzlich sowohl Emissionsminderungen als auch die Entnahme von Treibhausgasen zur Kompensation geeignet sein können, die gemäß Artikel 5 Abs. 6 auch entsprechend gegenüber Verbraucher:innen dargestellt werden müssen.
Alle erforderlichen Informationen sind zusammen mit der Umweltaussage entweder in physischer oder in digitaler Form – mittels eines Weblinks oder QR-Codes – zur Verfügung zu stellen.
Ausnahme für Kleinstunternehmen
Kleinstunternehmen (mit weniger als zehn Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz/einer Bilanzsumme von unter 2 Mio. Euro) sind von den Verpflichtungen der geplanten GCD ausgenommen (Art. 3 Abs. 3, Art. 4 Abs. 3, Art. 5 Abs. 7 und Art. 10 Abs. 3 GCD).
Vorbereitungsmaßnahmen und Risikomanagement
Über den Vorschlag der GCD wird aktuell im Europäischen Parlament und im Rat beraten. Ob das Ziel, die Richtlinie noch in der laufenden Legislatur (bis Juni 2024) zu verabschieden, erreicht wird, ist unklar. Wäre dies der Fall, so würde die Richtlinie in 2024 in Kraft treten und wäre bis 2026 durch den nationalen Gesetzgeber umzusetzen.
Bis dahin gilt es für werbende Unternehmen sicherzustellen, dass alle relevanten Umweltaussagen ausreichend substantiiert werden können. Dies setzt – je nach Reichweite der Werbeaussagen – einen detaillierten Blick auf die umweltbezogenen Auswirkungen der Rohstoffe, Produktion, Logistik und den gesamten Lebenszyklus der Produkte (bzw. Dienstleistungen) voraus, der hinreichend belegt und nachvollziehbar sein muss. All dies ist zwingende Voraussetzung, um den Prozess der Konformitätsbewertung beginnen zu können, bevor die Umweltaussage verwendet wird. Auch die Aufarbeitung der zwingenden Informationen für die Verbraucher:innen benötigt zeitlichen Vorlauf.
„In unserer Blogserie Green Claims & Co. – ein bunter Strauß an Herausforderungen informieren wir Sie über gegenwärtige und künftigen rechtliche Anforderungen an Werbeaussagen, die sich auf ESG-Aktivitäten beziehen. In unserem Blog haben wir zudem bereits einen Blick auf Themen geworfen wie den diffizilen Umgang mit dem Begriff „klimaneutral″ in der Werbung, fünf Mythen zum Greenwashing sowie auf Rechtsprechung u.a. zu Werbung für Nachhaltigkeitsfonds, „klimaneutralen″ Müllbeuteln und „klimaneutralen″ Fruchtgummis.
Für weitere Informationen zu Umweltaussagen und potenziellen Risiken des Greenwashing sowie neusten Entwicklungen weltweit siehe CMS Green Globe.“